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Umweltschäden – Eine Nebenwirkung des Krieges in Afghanistan

UNO-Bericht warnt vor einer "Zukunft ohne Wasser, Wälder, Wildtieren und sauberer Luft"

Von Lena Jöst

In Afghanistan spielt Umweltpolitik, sofern überhaupt bekannt, eine untergeordnete Nebenrolle, während sich die Aufmerksamkeit auf die kurzfristig dringenden Probleme – Terrorismus, Islamismus, Taliban, al-Quaida, usw. – richtet. Erst 2006 schloss die Regierung die Entwicklung der ersten Umweltgesetzgebung überhaupt ab. [1]

Dabei hat das Land sie bitter nötig. In den letzten 20 Jahren sind 70 % der sich noch 1980 über 19.000 Quadratkilometer erstreckenden Wälder verschwunden, wodurch die Häufigkeit von Naturkatastrophen wie Überflutungen und Erdrutschen steigt. Einem vor kurzem vorgelegten Bericht (Sustainable Land Management 2007) des afghanischen Ministeriums für Landwirtschaft und Nahrung [2] zufolge nimmt die Fruchtbarkeit des Bodens ab, während die Versalzung des Bodens zunimmt, Grundwasserpegel sind dramatisch gesunken, die Erosion des Bodens durch Wasser und Wind nimmt zu und Wüsten breiten sich vor allem im Süden und im Südwesten aus.

Bereits im Januar 2003 veröffentlichte UNEP (United Nations Environment Programme) einen Bericht über die Auswirkungen, die fast 30 Jahre bewaffneter Auseinandersetzungen und Kriege auf die mit der Umwelt zusammenhängenden Lebensumstände der Menschen hatten (Post-Conflict Environment Assessment).[3] In Städten verfügten teilweise nur 12 % über eine gesicherte Versorgung mit sauberem Wasser. Bei Trinkwasserproben wurden unter anderem Colibakterien gefunden, die Cholera auslösen können. Abfälle aller Art verseuchten das Grundwasser, die Verbrennung von Plastikabfall vergiftete die Luft. Müllhalden waren häufig dicht an Städten oder Brunnen gelegen. In den östlichen Provinzen hatten die lokalen Gemeinschaften die Kontrolle über ihre Ressourcen an Kriegsherren (Warlords), „Holzbarone“ und ausländische Händler, die den illegalen und äußerst lukrativen Handel mit Nutzholz kontrollieren.

Abdul Rahman Hotaky, Vorsitzender der Afghan Organisation for Human Rights and Environmental Protection (AOHREP) nennt in der Internetzeitung des UNO-Büros für die Koordinierung der humanitären Hilfe (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) IRIN im Juli 2007 eine Vielzahl von Gründen, weshalb er der zukünftigen Entwicklung der Umwelt pessimistisch entgegensieht: Mit den Kriegen zusammenhängende Vertreibungen, Missbrauch natürlicher Ressourcen, das Fehlen einer angemessenen Umweltpolitik sowie einer Macht, die Gesetze durchsetzen kann, sind einige der Gründe.[2]

Einsätze der Operation Enduring Freedom und der ISAF vertreiben immer wieder Menschen, wie unlängst die US-Militäroperation bei Tora Bora, durch die mindestens 400 Familien vertrieben wurden.[4]

Der Missbrauch natürlicher Ressourcen lässt sich am Beispiel der Wälder Afghanistans gut darstellen. Insbesondere während der Herrschaft der Taliban wurden Bäume massenhaft abgeholzt und exportiert. Neben diesem ökonomischen Aspekt gab es auch noch einen militärischen: Militäreinheiten holzten Bäume ab, um gegnerischen Truppen weder ein Versteck noch die Möglichkeit für einen Hinterhalt zu lassen.

Dass die Zentralregierung nicht in der Lage ist, Gesetze in ganz Afghanistan durchzusetzen, wirkt sich natürlich auch auf Umweltgesetze aus, insbesondere, da diese wohl eine relativ niedrige Priorität haben.

Über 80 % der Afghanen leben in ländlichen Gegenden. Die Bäume, die ihnen sowohl Feuerholz als auch Nahrung und Handelsware wie beispielsweise Pistazien lieferten, sind zu einem Großteil gefällt worden, um als Exportware zu dienen oder um zu verhindern, dass gegnerische Truppen sich verstecken konnten. Die Ausbreitung der Wüsten vernichtet fruchtbares Ackerland und verschärft damit die Armut unter afghanischen Bauern, die nicht über die Mittel verfügen, die Wüsten aufzuhalten. Auch ansonsten fehlt häufig das für die Bewässerung von Feldern benötigte Wasser. Auf 50 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche ist in den letzten 20 Jahren nichts mehr angebaut worden, obwohl Landwirtschaft und Viehzucht das Rückgrat der unterentwickelten afghanischen Wirtschaft darstellen und die Bevölkerung wächst.[5]

Sollte Afghanistan diese Probleme während der Wiederaufbauphase nicht in den Griff bekommen, so droht nach der Einschätzung des UNEP-Berichts „eine Zukunft ohne Wasser, Wälder, Wildtiere und saubere Luft“.

Fußnoten/Quellen
  1. UNEP News Release 2005/61; www.unep.org
  2. AFGHANISTAN: Environmental crisis looms as conflict goes on (2007); www.irinnews.org
  3. UNEP report chronicles environmental damage of the Afghanistan conflict (2003): www.unep.org
  4. AFGHANISTAN: Hundreds of families displaced by fighting in Nangarhar Province (2007): www.irinnews.org 5 Florian Rötzer: Anhaltender Krieg in Afghanistan verursacht schwere Umweltschäden, 23.08.2007; www.heise.de/tp



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