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Die zukünftige Strategie für Afghanistan und Pakistan

Übersicht des Weißen Hauses (Fact Sheet)

Im Folgenden dokumentieren wir eine Übersicht des Weißen Hauses zur neuen US-Strategie für Afghanistan und Pakistan vom 1. Dezember 2009. Sie stellt eine hilfreiche Ergänzung und Erläuterung der Rede des US-Präsidenten vom 1. Dezember 2009 dar. Die Übersetzung besorgte der Amerika Dienst.
Hier geht es zu kritischen Stellungnahmen aus der Friedensbewegung zu den Plänen der US-Administration: Friedensbewegung: Obama knickt ein


AFGHANISTAN: Die zukünftige Strategie für Afghanistan und Pakistan (Fact Sheet des Weißen Hauses)


UNSER AUFTRAG: Die Rede des Präsidenten bestätigt das grundlegende Ziel vom März 2009: die Al Kaida zu behindern, zu zerschlagen und letztendlich zu besiegen und ihre Rückkehr nach Afghanistan oder Pakistan zu verhindern. Um das zu erreichen, werden wir und unsere Verbündeten unsere Truppen aufstocken, gezielt gegen aufständische Elemente vorgehen, wichtige Bevölkerungszentren sichern, die afghanischen Sicherheitskräfte ausbilden, die Verantwortung an einen fähigen afghanischen Partner übergeben und unsere Partnerschaft mit der Bevölkerung Pakistans stärken, die mit denselben Bedrohungen konfrontiert ist.

Diese Region ist der Ursprungsort des gewaltsamen Extremismus der Al Kaida, und von dieser Region aus wurden wir am 11. September 2001 angegriffen. In diesem Augenblick werden dort neue Anschläge geplant – eine Tatsache, die ein kürzlich von den amerikanischen Behörden aufgedeckter Plan belegt, der vereitelt wurde. Wir werden verhindern, dass die Taliban Afghanistan wieder zu einem Zufluchtsort machen, von dem aus internationale Terroristen Anschläge auf uns und unsere Verbündeten verüben können. Das wäre eine direkte Bedrohung für unser Land, und so eine Bedrohung können wir nicht tolerieren. Die Al Kaida befindet sich noch immer in Pakistan, wo sie Pläne für Anschläge auf uns schmiedet und mit ihren extremistischen Verbündeten Pakistan bedroht. Unser Ziel in Pakistan wird es sein sicherzustellen, dass die Al Kaida besiegt wird und Pakistan stabil bleibt.

ÜBERPRÜFUNGSPROZESS: Bei der Überprüfung handelte sich um einen bewussten und klar geregelten dreistufigen Prozess, im Rahmen dessen die Ausrichtung der Ziele, die zur Erreichung dieser Ziele verwendeten Methoden und schließlich die erforderlichen Ressourcen analysiert wurden. Über einen Zeitraum von zehn Wochen hatte der Präsident den Vorsitz über neun Treffen mit seinem nationalen Sicherheitsteam und beriet sich mit wichtigen Verbündeten und Partnern, darunter die afghanische und pakistanische Regierung. Der Präsident konzentrierte sich auf die schwierigen Fragestellungen und nahm sich die Zeit, alle Optionen mit Bedacht gegeneinander abzuwägen; er führte eine Reihe unterschiedlicher Meinungen innerhalb seines Kabinetts zusammen, bevor er sich bereit erklärte, weitere Amerikaner in den Krieg zu schicken.

Infolge der Überprüfung haben wir unseren Auftrag angepasst und eine allgemeine Übereinkunft bezüglich unserer Herangehensweise in der Region und der Erfordernis internationaler Unterstützung erreicht. Wir werden schnell Truppen nach Afghanistan entsenden und diese zusätzlichen Ressourcen nutzen, um die Bedingungen zu schaffen, um im Sommer 2011 mit dem Abzug der Kampftruppen beginnen zu können. Gleichzeitig werden wir eine Partnerschaft mit Afghanistan und Pakistan aufrechterhalten, um unsere fortdauernden Interessen in der Region zu schützen.

Die Treffen konzentrierten sich auf die Frage, wie sich am besten sicherstellen lässt, dass die Al Kaida in der Region ausgeschaltet und die regionale Stabilität wiederhergestellt wird. Wir haben uns die Ausrichtung unserer Bestrebungen und das Gleichgewicht ziviler und militärischer Ressourcen sowohl in Pakistan als auch in Afghanistan genau angesehen, ebenso wie die Bestrebungen der Vereinigten Staaten und der internationalen Staatengemeinschaft.

Einige Themen wurden gründlich untersucht: nationale Interessen, grundlegende Zielsetzungen, Prioritäten bei der Terrorismusbekämpfung, Zufluchtsorte für terroristische Gruppen in Pakistan, das Wohl der global eingesetzten US-Streitkräfte, mit der Entsendung von Truppen verbundene Risiken und Kosten, globale Einsatzanforderungen, die internationale Zusammenarbeit und das internationale Engagement für Afghanistan und Pakistan, die Fähigkeit Afghanistans in allen Bereichen, auch im Bereich der Sicherheitskräfte, der zentralen und regionalen Regierungsführung und der Korruption (dazu zählt auch der Handel mit Betäubungsmitteln), sowie entwicklungspolitische und wirtschaftliche Fragen.

WAS SICH SEIT MÄRZ VERÄNDERT HAT: Seit der Präsident im März unser erneuertes Engagement angekündigt hat, haben eine Reihe von grundlegenden Entwicklungen die Regierung veranlasst, ihre Herangehensweise in Afghanistan und Pakistan zu überprüfen: Neue Aufmerksamkeit wurde auf Afghanistan und Pakistan gerichtet, in Afghanistan wurde eine neue amerikanische Führung eingesetzt, Pakistan erhöhte sein Engagement bei der Bekämpfung von Extremisten und die Situation in Afghanistan verschlechterte sich.

Die Vereinigten Staaten entsandten eine neue zivile und militärische Führung nach Afghanistan. Unter anderem wurden Botschafter Karl Eikenberry als amerikanischer Botschafter eingesetzt und General Stanley McChrystal als neuer Befehlshaber der ISAF-Streitkräfte in Afghanistan. Bei ihrer Ankunft in Afghanistan erkannten sowohl Botschafter Eikenberry als auch General McChrystal, dass die Situation nach acht Jahren mit zu geringen Ressourcen schlimmer war als erwartet. Gemeinsam veröffentlichten sie einen neuen Plan für die zivilen und militärischen Bestrebungen (Civilian-Military Campaign Plan), um die amerikanischen Bestrebungen überall im Land zusammenzuführen.

Das schwierige, in die Länge gezogene Wahlverfahren in Afghanistan und offensichtliche Anzeichen mangelnder Rechtsstaatlichkeit offenbarten, wo die Grenzen der Zentralregierung in Kabul liegen.

Gleichzeitig zeigte Pakistan im eigenen Land eine neue Entschlossenheit, Extremisten zu bezwingen, die die Kontrolle über das nur 96 Kilometer von Islamabad entfernte Swat-Tal übernommen hatten. Führende pakistanische Politiker – auch Oppositionsführer – unterstützten gemeinsam die pakistanischen Militäroperationen. In diesem Herbst weitete Pakistan seinen Kampf gegen die Extremisten auf die Stammesgebiete von Mehsud in Süd-Wasiristan an der Grenze zu Afghanistan aus.

DER BLICK NACH VORNE: Der Präsident hat entschieden, 30.000 amerikanische Soldaten zusätzlich nach Afghanistan zu entsenden. Diese Truppen werden in einem beschleunigten Verfahren entsandt, um die 68.000 amerikanischen und 39.000 nicht-amerikanischen ISAF-Soldaten zu unterstützen, die sich bereits im Land befinden, um gezielt gegen die Aufständischen vorzugehen, ihre Stoßkraft zu durchbrechen und wichtige Bevölkerungszentren besser sichern zu können. Diese Soldaten werden unsere Kapazitäten erhöhen, effektive afghanische Sicherheitskräfte auszubilden und Partnerschaften mit ihnen einzugehen, so dass sich mehr Afghanen an dem Kampf beteiligen. Durch diese Partnerschaften können wir die Verantwortung an Afghanistan abgeben und im Sommer 2011 damit beginnen, unsere Kampftruppen zu verringern. Kurz gesagt werden es uns diese Ressourcen erlauben, die letzte notwendige Kraft aufzubringen, um die Afghanen so auszubilden, dass wir ihnen die Verantwortung übertragen können.

Wir werden die erhöhte Truppenstärke in den nächsten 18 Monaten aufrechterhalten. Während dieser Zeit werden wir regelmäßig unseren Fortschritt messen. Und ab Juli 2011 werden wir die oberste Verantwortung für die Sicherheit an die Afghanen übergeben und damit beginnen, unsere Kampftruppen aus Afghanistan abzuziehen. Während die Afghanen die Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen, werden wir den afghanischen Sicherheitskräften nach wie vor mit Rat und Tat zur Seite stehen und eine Partnerschaft für ihre Sicherheit aufrechterhalten, so dass sie die Bestrebungen erfolgreich weiterführen können. Die Afghanen sind des Krieges müde und sehnen sich nach Frieden, Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Sicherheit. Wir wollen ihnen helfen, diese Ziele zu erreichen und diesen Krieg und die Bedrohung einer erneuten Besatzung durch die ausländischen Kämpfer, die mit der Al Kaida in Verbindung stehen, zu beenden.

Wir sind nicht allein mit diesem Unterfangen. In diesem Kampf werden uns auch weiterhin die Afghanen zur Seite stehen, und die offensiven Bestrebungen von General McChrystal, Partnerschaften einzugehen, werden dafür sorgen, noch mehr Afghanen für den Kampf für die Zukunft ihres Landes zu gewinnen. Es wird auch zusätzliche NATO-Ressourcen geben. Diese Verbündeten sind bereits von sich aus entscheidende Verpflichtungen in Afghanistan eingegangen, und in den kommenden Tagen und Wochen werden wir über weitere Beiträge von Bündnispartnern in Form von Soldaten, Ausbildern und Ressourcen sprechen. Es steht nicht nur die Glaubwürdigkeit unseres Bündnisses auf dem Prüfstand – was auf dem Spiel steht, ist noch grundlegender: Ich spreche von der Sicherheit in London und Madrid, in Paris und Berlin, in Prag und New York – und unserer breiter gefassten gemeinsamen Sicherheit.

Gemeinsam mit unseren Partnern, den Vereinten Nationen und der Bevölkerung Afghanistans werden wir unsere zivilen Bestrebungen verstärken, damit die afghanische Regierung übernehmen kann, während wir für mehr Sicherheit sorgen. Präsident Karzais Antrittsrede hat die richtige Botschaft einer neuen Ausrichtung ausgesendet – unter anderem sprach er von seinem Bekenntnis zu Reintegration und Aussöhnung des Landes, zur Verbesserung der Beziehungen mit Afghanistans regionalen Partnern und einer konstanten Erhöhung der Sicherheitsverantwortung der afghanischen Sicherheitskräfte. Aber es muss gehandelt und es müssen Fortschritte gemacht werden. Wir werden unsere Erwartungen deutlich formulieren, und wir werden afghanische Ministerien, Gouverneure und lokale Politiker, die im Dienste der Menschen stehen und gegen Korruption ankämpfen, ermutigen und unterstützen. Wir werden nicht diejenigen unterstützen, die keine Rechenschaft ablegen und nicht im Sinne der afghanischen Bevölkerung und des Staates handeln. Und wir werden unsere Hilfe auf bestimmte Bereiche – wie die Landwirtschaft – konzentrieren, die unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der Menschen in Afghanistan haben.

ZIVILE HILFE: Eine andauernde, deutliche Aufstockung der Zahl ziviler Experten wird mit einer beträchtlichen Steigerung der Mittel für zivile Hilfe einhergehen. Die Experten werden langfristige Partnerschaften mit den Afghanen eingehen und so die Kapazitäten der nationalen und regionalen Regierungsinstitutionen vergrößern und helfen, Afghanistans wichtigste Wirtschaftssektoren wieder aufzubauen, damit die Afghanen die Aufständischen, die nur noch mehr Gewalt verheißen, besiegen können.

Wachstum ist kurzfristig für eine Schwächung der Anziehungskraft der Extremisten und langfristig für eine nachhaltige konjunkturelle Entwicklung notwendig. Unsere höchste Priorität im Bereich des Wiederaufbaus ist die Umsetzung einer zivil-militärischen Strategie für die Sanierung der Landwirtschaft, um Afghanistans einst dynamischen Landwirtschaftssektor wiederzubeleben. Dies wird dabei helfen, die Aufständischen neuer Kämpfer und der Einkünfte aus dem Mohnanbau zu berauben.

Ein Schwerpunkt unserer Bestrebungen im Bereich der Regierungsführung wird auf der Entwicklung flexiblerer, sichtbarer, rechenschaftspflichtiger Institutionen auf Provinz-, Bezirks- und regionaler Ebene liegen, wo es zur direkten Begegnung der Afghanen mit ihrer Regierung kommt. Wir werden auch die wieder aufgenommenen Pläne der afghanischen Regierung zur Bekämpfung der Korruption unterstützen, die eine konkrete Erfassung der Fortschritte vorsehen, um mehr Verantwortlichkeit zu erzielen.

Ein Schlüsselelement unserer politischen Strategie wird die Stützung afghanisch angeführter Versuche zur Reintegration von Taliban sein, die der Al Kaida entsagen, ihre Waffen niederlegen und sich im politischen Prozess engagieren.

PAKISTAN ALS PARTNER: Unsere Partnerschaft mit Pakistan ist untrennbar mit unserem Engagement in Afghanistan verbunden. Um unser Land zu sichern, brauchen wir eine Strategie, die auf beiden Seiten der afghanisch-pakistanischen Grenze funktioniert. Untätigkeit würde uns weit teurer zu stehen kommen.

Die Vereinigten Staaten sind entschlossen, Pakistans Vermögen zu stärken, gezielt gegen diese Gruppen vorzugehen, die die größte Bedrohung für unsere beiden Länder darstellen. Ein Rückzugsort für hochrangige Terroristen, deren Aufenthaltsort bekannt und deren Ziele klar sind, kann nicht toleriert werden. Wir ermutigen die zivile und die militärische Führung in Pakistan weiterhin, ihren Kampf gegen Extremisten fortzuführen und gegen Rückzugsorte von Terroristen in ihrem Land vorzugehen.

Wir konzentrieren uns jetzt darauf, mit den demokratischen Institutionen Pakistans daran zu arbeiten, die Bande zwischen unseren Regierungen und den Menschen in unseren Ländern in unserem beiderseitigen Interesse zu vertiefen. Wir sind entschlossen, eine langfristige strategische Beziehung mit Pakistan zu schaffen. Wir machen diese Entschlossenheit Pakistan gegenüber deutlich, indem wir in den kommenden Jahren jedes Jahr 1,5 Milliarden US-Dollar bereitstellen werden, um die Entwicklung und Demokratie in Pakistan zu unterstützen, und wir haben uns weltweit dafür eingesetzt, zusätzliche Unterstützungszusagen zu bekommen. Dieses beträchtliche langfristige Bekenntnis hat folgende Ziele:
  1. Pakistan dabei zu helfen, unmittelbare Probleme im Bereich der Energie- und Wasserversorgung sowie damit in Verbindung stehende wirtschaftliche Krisen anzugehen. Dadurch vertiefen wir unsere Partnerschaft mit der Bevölkerung Pakistans und verringern die Anziehungskraft von Extremisten;
  2. Umfassende wirtschaftliche Reformen zu unterstützen, die notwendig sind, um Pakistan auf den Weg zur nachhaltigen Schaffung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum zu bringen, was für die langfristige Stabilität Pakistans notwendig ist, und
  3. Pakistan zu helfen, auf seinen Erfolg im Kampf gegen Extremisten aufzubauen, um gegen Rückzugsorte für Extremisten vorzugehen, die eine Bedrohung für Pakistan, Afghanistan, die Region und Menschen auf der ganzen Welt darstellen.
Zusätzliche Unterstützung der Vereinigten Staaten wird Pakistan dabei helfen, ein Fundament für langfristige Entwicklung zu schaffen und auch die Verbindung zwischen der amerikanischen und der pakistanischen Bevölkerung zu stärken. Wir werden zeigen, dass die Vereinigten Staaten entschlossen sind, die Probleme anzugehen, die sich am stärksten auf den Alltag der Menschen in Pakistan auswirken, indem wir gemeinsam daran arbeiten, die Extremisten zu besiegen, die Pakistan und die Vereinigten Staaten bedrohen.

Originaltext: Fact Sheet: The Way Forward in Afghanistan
siehe: http://www.whitehouse.gov/the-press-office/way-forward-afghanistan

Herausgeber: US-Botschaft Berlin, Abteilung für öffentliche Angelegenheiten
http://amerikadienst.usembassy.de/



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