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Geld und Blut

65 Stimmen gegen den Afghanistan-Krieg im US-amerikanischen Repräsentantenhaus

Von Rainer Rupp *

Mit einer großen Mehrheit von 356 zu 65 Stimmen hat das Repräsentantenhaus des US-Kongresses am Mittwoch in Washington gegen die von Denis Kucinich und 19 Co-Sponsoren eingebrachte Resolution zur sofortigen Beendigung des Krieges und zum Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan bis spätestens zum Ende des Jahres gestimmt. Neun Abgeordnete enthielten sich. Vorausgegangen war eine dreieinhalbstündige Debatte, in der die Antragssteller mit viel Engagement die Gründe nannten, warum der zweitlängste Konflikt in der Geschichte der Vereinigten Staaten sofort zu beenden sei. Auf deren Tatsachenargumente gingen die Neinsager – mit wenigen Ausnahmen – jedoch nicht ein und behaupteten statt dessen, daß der Zeitpunkt für diese Debatte schlecht gewählt sei. Andere gaben sich besonders »patriotisch« und empörten sich darüber, daß die Debatte überhaupt stattfand. Kucinich und seinen Unterstützern warfen sie vor, »den 11. September vergessen« zu haben und Amerika untergraben zu wollen.

Die Abstimmung verlief allerdings nicht entlang parteipolitischer Grenzen, neben 60 Demokraten stimmten auch fünf Republikaner für die Kucinich-Resolution. Weitere Demokraten äußerten sich zwar kritisch zum Krieg, lehnten die Resolution jedoch ab, weil sie »zur Unzeit« komme und »unrealistisch« sei. Allerdings hatten die Kriegsgegner ohnehin nicht mit einem Sieg gerechnet. Ihnen geht es vielmehr um eine taktische Finesse.

Die Hälfte der Congressmen steht im Herbst vor Neuwahlen. Bisher – so die Überlegung – hätten sich die demokratischen Kongreßabgeordneten bei der Zustimmung zu den Krediten für die in der US-Öffentlichkeit unpopulären Kriege damit herausreden können, daß sie ihren neuen Präsidenten Obama nicht im Stich lassen dürften. Obama ist nun über ein Jahr im Amt und dieses Argument ziehe nicht mehr. Um ihre Karriere nicht aufs Spiel zu setzen, seien Kongreß-Mitglieder aus Bezirken mit einer eher gegen den Krieg eingestellten Wählerschaft daher gezwungen, sich gegen das militärische Abenteuer in Afghanistan zu stellen. Daher seien Abstimmungen gegen den Krieg in diesem Jahr besonders wichtig, weil auf diese Weise jeder Abgeordnete, der für den Krieg stimmt, namentlich erfaßt wird und im Wahlkampf dafür gerade stehen muß.

Denis Kucinich macht deswegen in kurzen Stellungnahmen im Kongreß regelmäßig auf die chaotischen Vorgänge und die Korruption in Afghanistan aufmerksam, um die Wahrnehmung der Abgeordneten zu schärfen. So auch mit seiner jüngsten Erklärung, wonach »Afghanistan in amerikanischem Geld und Blut schwimmt«. Darin bezieht er sich auf die jüngsten Meldungen großer amerikanischer Medien wie die New York Times, wonach jeden Tag Geldkuriere mit vielen Millionen Dollar im Gepäck von Kabul nach Dubai fliegen.

Obwohl das Geld aus dubiosen Quellen kommt, muß es in Kabul beim Zoll am Flughafen nur deklariert werden, ansonsten blieben die Geldboten nach afghanischem Recht vollkommen unbehelligt, schreibt die New York Times. Hochrechnungen haben ergeben, daß auf diese Weise alljährlich eine Milliarde Dollar nach Dubai verbracht werden. Laut Kucinich haben der afghanische Staatspräsident Karsai, die Mitglieder seiner Familie und die der meisten anderen hochrangigen Funktionsträger der afghanischen Regierung alle millionenschwere Luxusvillen in Dubai. Um das zu ermöglichen, würden jeden Tag amerikanische Soldaten sterben.

* Aus: junge Welt, 12. März 2010


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