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Erneut Luftangriff auf Zivilisten in Afghanistan

Karsai: Zufluchtsorte der "Terroristen" auch in Pakistan angreifen / Deutschland stockt Hilfe auf *

Bei einem Luftangriff ausländischer Truppen in Afghanistan sind erneut Zivilisten getötet worden. Das Bundeskabinett in Berlin beschloss unterdessen ein »Afghanistan-Konzept«, das eine Aufstockung der Hilfen vorsieht.

Kabul/Berlin (Agenturen/ND). Die Internationale Schutztruppe ISAF teilte mit, bei einem Bombardement am Dienstag in der ostafghanischen Provinz Chost seien zwei Unbeteiligte getötet und bis zu zehn weitere verletzt worden. Bodentruppen hätten einen Luftangriff auf eine Raketenstellung Aufständischer angefordert. Die Bombe sei aber mehr als zweieinhalb Kilometer vom Ziel entfernt in einem Gehöft eingeschlagen. Die afghanische Regierung sei informiert und eine Untersuchung angeordnet worden.

Zivile Opfer bei Militäroperationen sorgen für zunehmenden Unmut in Afghanistan. Der afghanische Präsident Hamid Karsai sagte am Dienstag (9. Sept.) bei einem Besuch in Islamabad, man müsse die Zufluchtsorte der Terroristen angreifen, egal ob diese in Afghanistan oder Pakistan liegen. »Wir müssen uns auf die richtigen Ziele konzentrieren. Die richtigen Ziele sind nicht zivile Gegenden.«

Die US-Truppen in Afghanistan hatten am Montag (8. Sept.) angekündigt, Vorwürfe wegen zahlreicher ziviler Opfer bei einem ihrer Luftangriffe im Westen des Landes am 22. August neu von ihrem Zentralkommando untersuchen zu lassen. Der Vorfall hatte die Beziehungen der Truppen sowohl mit der afghanischen Regierung als auch mit den Vereinten Nationen schwer belastet. Bei einem Anschlag im Osten Afghanistans wurden nach Angaben der US-geführten Koalitionstruppen drei ihrer Soldaten sowie ein Mitarbeiter getötet.

Bei einem Luftangriff der NATO-geführten ISAF wurden in der südafghanischen Provinz Urusgan nach Polizeiangaben 15 Taliban- Kämpfer getötet. In der südostafghanischen Provinz Paktia wurden nach Regierungsangaben zwölf weitere Kämpfer getötet, darunter Tschetschenen und Pakistaner. Die ISAF teilte mit, die Aufständischen seien beim Angriff auf das Verwaltungszentrum eines Distriktes zurückgeschlagen worden.

Auf das Feldlager der Bundeswehr in Kundus hat es am Montag (8. Sept.)nach Angaben von Verteidigungsminister Franz Josef Jung einen Raketenangriff gegeben. Nach einem Bericht der »Welt« schlug die Rakete auf dem Gelände ein, ohne Schaden anzurichten.

Erstmals habe es auch Anschläge auf die Schnelle Eingreiftruppe (QRF) der Bundeswehr in Nordafghanistan gegeben. Zunächst wurde ein Konvoi der in Masar-i-Sharif stationierten QRF am Samstag von einem Selbstmordattentäter attackiert, schreibt das Blatt. Der Angreifer starb, weitere Personenschäden gab es nicht. Nur wenige Kilometer entfernt wurde derselbe Konvoi mit einem improvisierten Sprengsatz angegriffen, der in einem am Fahrbahnrand abgestellten Fahrrad verborgen war. Es kam zu leichten Sachschäden.

Das Bundeskabinett hat am Dienstag (9. Sept.) den weiteren Fahrplan zum deutschen Engagement in Afghanistan beschlossen. Bis 2010 will die Bundesregierung pro Jahr 140 Millionen Euro für den zivilen Aufbau des Landes zur Verfügung stellen. Das sind jährlich 40 Millionen mehr als bisher. Das Entwicklungsministerium hatte am Montag zudem dem afghanischen Außenminister Rangin Dadfar Spanta 30 Millionen Euro Nahrungsmittelhilfe zugesagt.

Damit wird Afghanistan im kommenden Jahr mit insgesamt 170 Millionen Euro aus Deutschland unterstützt. Das fortgeschriebene Afghanistan-Konzept sieht zudem vor, dass die Obergrenze für deutsche Soldaten in der internationalen Schutztruppe ISAF von 3500 auf 4500 Soldaten aufgestockt wird. Der Bundestag muss im Herbst über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats entscheiden.

* Aus: Neues Deutschland, 10. September 2008


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