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Noch lange nicht Schluss

US-Spezialtruppen sollen jahrelang in Afghanistan bleiben

Von Knut Mellenthin *

Die US-Administration »prüft ein afghanisches Begehren, den Truppenabzug zu verlangsamen«, meldeten Nachrichtenagenturen und Medien am Mittwoch. Gerade sechs Wochen ist es her, dass die NATO ihren feierlichen Abzug aus Afghanistan inszenierte und ein Chor von Journalisten, die mittlerweile auf das Lügen als Teil ihres Berufsbildes dressiert sind, die internationale Militärintervention in Afghanistan für »over«, beendet, erklärte.

Ernst gemeint war das zu keinem Zeitpunkt. Mindestens 13.000 Soldaten aus über zwanzig Ländern, darunter 10.800 aus den USA, sind immer noch in Afghanistan stationiert. Im Mai 2014 hatte Präsident Barack Obama versprochen, dass die Zahl der amerikanischen Soldaten bis Ende 2015 halbiert werden solle. Ende 2016 solle, versicherte er damals, die Intervention wirklich beendet werden. Danach würden nur noch einige hundert US-Soldaten zum Schutz der Botschaft in Kabul im Land bleiben.

Nichts davon stimmte. Schon jetzt ist offensichtlich, dass aus der Halbierung der Truppen zum Jahresende nichts werden wird. »Flexibilität« ist das neue Schlagwort. US-Medien sprechen offen aus, dass Obama dabei nicht viel mitzureden haben wird. Die Entscheidung über das angeblich Erforderliche wird vor allem beim Oberkommandierenden der Interventionstruppen, General John Campbell, liegen. Daneben aber auch beim neuen US-Verteidigungsminister Ashton B. Carter, dessen Ernennung vom Senat am Donnerstag mit dem außergewöhnlich einmütigen Ergebnis von 93 gegen fünf Stimmen gebilligt wurde. Carter löst Charles Hagel ab, den die meisten Republikaner nie gemocht haben und der von Obama im November zum Rücktritt gezwungen wurde. Sowohl Carter als auch Campbell haben dieser Tage in Kongressanhörungen deutlich gemacht, dass nach ihrer Ansicht der endgültige »Abzugsplan« aus Afghanistan neu bestimmt werden sollte.

Wie stark die von den USA geführte internationale Interventionstruppe in Afghanistan, die seit 1. Januar unter dem neuen Missionsnamen »Resolute Support« läuft, wirklich ist, kann man nicht einmal auf deren eigener Website zuverlässig in Erfahrung bringen. Die dort zu lesende Zahl, »etwa 12.000«, ist mit Sicherheit zu niedrig. Falsch ist auch die von den Medien verbreitete Behauptung, es gehe nur noch um Ausbildung und Beratung, nicht jedoch um Kampfeinsätze. Zumindest die US-Truppen, die heute überwiegend einen Mix aus verschiedenen Spezialeinheiten darstellen, führen gemeinsam mit ähnlichen, von den USA ausgebildeten, ausgerüsteten und finanzierten afghanischen »Antiterroreinheiten« regelmäßige Kampfeinsätze durch.

Deren Zahl und Intensität hat, wie die New York Times am Donnerstag berichtete, in den letzten Monaten sogar erheblich zugenommen. Begründet wird das, wie man in dem offensichtlich von Geheimdienstquellen gespeisten und inspirierten Artikel lesen konnte, mit angeblichen neuen Erkenntnissen. Die verdanke man einem Laptop, der US-Kommandos im Oktober 2014 in die Hände gefallen sei. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Strategiewechsel: Statt mit vielen Soldaten und vergleichsweise hohen eigenen Verlusten Territorium gegen die Aufständischen zu verteidigen, konzentriert das US-Militär sich jetzt darauf, deren Kommandeure und insbesondere die Funktionäre der von den Taliban eingesetzten Zivilverwaltung zu ermorden. Ein für die Propaganda enorm wichtiges Ergebnis dieser Umstellung ist, dass die amerikanischen Truppen kaum noch eigene Leute verlieren. Und das ist letztlich das einzige, was die US-Bevölkerung interessiert.

* Aus: junge Welt, Samstag, 14. Februar 2015


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