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China kooperiert zur Rohstoffsicherung

Das Reich der Mitte verfolgt in Afrika Wirtschaftsinteressen und mischt sich politisch nicht ein

Von Werner Birnstiel *

China baut seinen Einfluss im südlichen Afrika kontinuierlich aus. Derzeit läuft in Changchun ein chinesisch-afrikanischer Landwirtschaftsgipfel, indem über weitere Kooperationsmöglichkeiten beraten wird.

Das Reich der Mitte erlebt momentan die dritte Phase der jeweils zehntägigen »futian« – ähnlich den »Hundstagen« bei uns – mit Temperaturen über 40 Grad Celsius, Saunaklima und verheerendem Hochwasser in Regionen Südwest- und Nordostchinas. Dessen ungeachtet beraten ehr als 20 Landwirtschaftsminister und fast 200 Landwirtschaftsexperten aus Ländern des südlichen Afrika mit ihren chinesischen Gastgebern vom 10. bis 12. August in Changchun, Hauptstadt der Provinz Jilin, über die Möglichkeiten, der Landwirtschaft in ihrer Heimat kräftige Entwicklungsschübe zu verleihen. Anfang August nahmen 24 hochrangige Vertreter des regierenden ANC aus Südafrika an einem Diskussionsforum in Peking teil. Es war faktisch eine Weiterbildungsveranstaltung zu Fragen des Aufbaus von Wirtschaftsstrukturen, des Verwaltungsapparates, seiner administrativen und regionalen Gliederungen, umweltpolitischer Fragen und anderes mehr.

Vor allem seit Mitte der 90er Jahre hat China auch auf diese Weise seine Präsenz in Ländern südlich der Sahara ausgeweitet. Pekings oberstes Prinzip ist dabei die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten. Im Ergebnis der Afrikareise Hu Jintaos im Februar 2007 wurden bis 2009 – trotz Finanz- und Wirtschaftskrise – Vorzugskredite in Höhe von 3 Milliarden US-Dollar ausgereicht. Für die ärmsten Länder Afrikas wurde die Zahl der zollfrei nach China einzuführenden Handelsgüter von 190 auf 440 erhöht. In China werden bis 2012 über 15 000 Afrikaner zu Fachleuten für verschiedene Bereiche ausgebildet, mehr als 100 hoch qualifizierte chinesische Landwirtschaftsexperten in afrikanische Länder geschickt, über zehn Zentren für Landwirtschaftstechnik und mehr als 100 Landwirtschaftsschulen aufgebaut. Die Zahl afrikanischer Studenten in China nimmt derzeit jährlich um 2000 zu, sie wird sich demnächst bei 40 000 einpendeln.

Die Investitionen chinesischer Unternehmen in Afrika beliefen sich bis 2009 auf 5 Milliarden USDollar. Der Großteil der Mittel fließt in den Ausbau von Infrastrukturprojekten wie Häfen, Straßen, Flugplätze, Eisenbahnlinien, Staudämme. Auch Prestigebauten wie Stadien oder Regierungsgebäude sind dabei.

Die Zusammenarbeit schlägt sich in einem raschen Wachstum des Handelsvolumens nieder, das sich zwischen 2000 und 2008 von 10,6 Milliarden auf 106,8 Milliarden US Dollar verzehnfacht hat. Klar ist: Chinas Afrikapolitik wird von wirtschaftlichen Interessen geleitet, es geht um die langfristige Sicherung von Rohstoffbezügen und Energieressourcen und um den Ausbau von Absatzmärkten für chinesische Produkte. Doch zugleich wird mit afrikanischen Staaten auf Augenhöhe politisch verhandelt und kooperiert, ohne ihnen als »Geberland« Bedingungen zu stellen, wie das unter Berufung auf Menschenrechte und die Vorbildrolle des »westlichen Demokratiemodells« die USA und EU-Staaten praktizieren.

Die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten stets vornan zu stellen, ist aber auch problematisch, wie die tolerierende Haltung Chinas zu Entwicklungen in Sudan und Simbabwe zeigt. Diese Sonderfälle stellen jedoch nicht in Frage, dass es Peking gelingt, durch immer intensivere politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zu Staaten südlich der Sahara seine Interessen zunehmend effektiver durchzusetzen. Das wird vor allem dort gelingen, wo umfangreiche Wirtschaftsbeziehungen bestehen, so zur Republik Südafrika, zu Angola und Kenia.

China füllt damit auch das Machtvakuum, das der Zusammenbruch der Sowjetunion und Osteuropas hinterließ. Auf die Propagierung eines »Sozialismus chinesischer Prägung« als nachahmenswertes Modell wird wohlweislich verzichtet. Tatsache ist aber, dass die politische Rahmensetzung für Chinas »sozialistische Marktwirtschaft« und die politische Einflussnahme auf Marktentwicklungen durch eine traditionell starke Zentralgewalt für etliche Länder im Süden Afrikas überaus attraktiv ist. Denn das in vielen Belangen Noch-Entwicklungsland China ist so in der Lage, wachsenden Wohlstand für große Teile seiner Bevölkerung zu organisieren. Dabei zugleich die seit den 90er Jahren rasch gewachsene soziale Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern, ist für Chinas Führung in Zukunft eine der wichtigsten Herausforderungen. Das gilt ähnlich für viele Länder im Süden Afrikas. Ihr Interesse, sich an Chinas Vorgehen zu orientieren, wird daher noch erheblich zunehmen.

* Aus: Neues Deutschland, 11. August 2010


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