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Chinas Industrie guckt sich in Afrika um

Gute Gewinnaussichten locken Unternehmen aus der Volksrepublik in Sonderwirtschaftszonen

Von Armin Osmanovic, Johannesburg *

Wegen der steigenden Produktionskosten im eigenen Land siedeln sich chinesische Unternehmen nicht länger nur in asiatischen Staaten an. Auch Afrika ist mit seinen günstigen Lohnkosten und der wachsenden Nachfrage attraktiv für Investitionen etwa in die Textilindustrie, den Automobilbau oder den Hausgerätebau.

Europäische Diplomaten und Geschäftsleute reißen gerne Witze über die schlechte Qualität der vielen neuen chinesischen Bauten in Afrika. Derzeit sorgt der Bruch der Verglasung am neu errichteten Flughafenterminal in der botswanischen Hauptstadt Gaborone für Lacher. Viele Europäer sind sich sicher, dass bald schon Europas Wertarbeit in Afrika wieder geschätzt werde.

Ganz unbeeindruckt von dieser Häme setzt China in Afrika zum nächsten Sprung an. Nachdem sich das Reich der Mitte in wenigen Jahren den Zugriff auf Afrikas Ressourcen gesichert und den Kontinent mit seinen etwa eine Milliarde Menschen für chinesische Produkte, von Badelatschen bis Motorräder, erschlossen hat, beginnen nun chinesische Unternehmen, Afrika als Produktionsstandort zu entdecken. Angelockt werden sie von einem schnell wachsenden Markt. Afrikas Bevölkerung könnte sich laut Prognosen in den nächsten 40 Jahren verdoppeln. Die Mehrheit wird bald in Städten wohnen, doch Afrikas Urbanisierung läuft bislang weitgehend ohne Industrialisierung ab. Chinas Industrie trifft also kaum auf örtliche Konkurrenz.

Die Nachfrage nach Konsumgütern wächst in Afrika. Mit dem wiedererstarkten Wirtschaftswachstum in vielen Staaten steigen auch die Einkommen der Menschen. Afrikas wachsende Mittelschicht ist gierig auf Mobiltelefone, Fernseher, Hausgeräte und günstige Pkw. Von Vorteil für die Produktion ist aus Sicht der Chinesen auch der weitgehend zollfreie Zugang zu den Märkten in den USA und Europa, den afrikanische Länder genießen. Und auch China selbst gewährt den ärmsten afrikanischen Ländern einen barrierefreien Zugang zum eigenen Markt.

Chinas industrieller Sprung nach Afrika hat aber auch hausgemachte Gründe. Die eigene Bevölkerung altert wegen der lange verfolgten Ein-Kind-Politik schnell, so dass das Arbeitskräftepotenzial abnehmen wird. Weiter rechnen die Chinesen mit wachsenden Produktionskosten am Heimatstandort, auch wegen des wohl weiter steigenden Wechselkurses der eigenen Währung. Vor allem aber will China in der Wertschöpfungskette weiter nach oben rücken. High-Tech soll die einfachen Industriezweige wie Textilindustrie mit ihrer geringeren Wertschöpfung, dem niedrigen Lohnniveau und den schlechten Arbeitsbedingungen ablösen.

In Nigeria findet man denn auch chinesische Sweatshops, die sich die Lohnkostenvorteile Afrikas zu nutze machen. In streng bewachten Fabriken schuften die jungen Arbeiter, die täglich in der Frühe am Fabriktor ausgewählt werden, für umgerechnet 45 Euro-Cent die Stunde. Wie sie berichten, sind sie dennoch froh, eine Arbeit in der chinesischen Fabrik gefunden zu haben. Die eigenen BIG-Men gründen keine Fabriken.

In den Sonderwirtschaftszonen von sechs afrikanischen Staaten, die Steuerbefreiung und eine gute Infrastruktur aufweisen, aber auch außerhalb dieser Zonen produzieren chinesische Unternehmen bereits höherwertige Produkte. In Sambia ist eine Sonderwirtschaftszone geplant, in der Mobiltelefone hergestellt werden sollen. Solche Zonen werden zumeist vom chinesisch-afrikanischen Entwicklungsfonds finanziert.

Den Chinesen geht es in Afrika auch bei der Industrieentwicklung nicht um Hilfe, sondern sie kommen, um Gewinne zu machen. Und sie treffen in vielen Ländern auf gute Bedingungen – wie etwa in Kenia, wo weit mehr Arbeitnehmer als etwa in Kambodscha lesen und schreiben können. Die chinesischen Investoren stehen indes auch vor Hindernissen, die sie erst überwinden müssen – etwa durch die schlechte Transport- und Energieinfrastruktur oder bürokratische Hürden in vielen Ländern, die eine raschen Industrialisierung Afrikas bislang behinderten.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Januar 2011

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