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Beiträge zu Problemen Afrikas (III)

Diamanten-Branche sorgt sich um ihren Ruf

Beim Weltkongress der Diamantenbranche in Antwerpen im Juli 2000 wurde darüber beraten, wie man den Diamantenhandel von seinem Makel befreien kann, an den Edelsteinen klebe das Blut unschuldiger Menschen - der vielen zivilen Opfer afrikanischer Bürgerkriege. Die beiden folgenden Artikel vom 19.07.00, der erste aus der Frankfurter Runsdschau, der zweite aus der Süddeutschen Zeitung, geben einen Einblick in die Schwierigkeiten, aus blutigen Diamanten saubere Glitzersteine zu machen. Auch künftig wird sich niemand, der einen Klunker für viel Geld ersteht, sicher sein können, dass an ihm kein Blut klebt. Möglicherweise ist das vielen Käufern letztlich auch egal.

An den edlen Glitzersteinen klebt das Blut afrikanischer Bürgerkriegsopfer
Von Thomas Roser (Antwerpen)
An Deutlichkeit ließ der Gastredner nichts zu wünschen übrig. "Junge Männer wollen den Beweis, dass der Diamantring, den sie ihren Verlobten über den Finger streifen, nichts mit dem abgeschlagenen Arm eines Menschen in Sierra Leone zu tun hat," mahnte Robert Fowler, kanadischer Botschafter beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN), die in Antwerpen versammelte Führungsriege des internationalen Diamantenhandels zu nachhaltigen Aktionen gegen das Geschäft mit sogenannten Blutdiamanten. "Kunden wollen sicher sein, dass Diamanten, die sie kaufen, nicht Bürgerkriege in Afrika anfachen."

Erstmals seit langem verzeichneten die Antwerpener Diamantenbörsen in diesem Frühjahr wieder steigende Umsatzzahlen. Im vergangenen Jahr hatten im weltweit größten Handelszentrum Steine im Wert von 21 Milliarden Dollar die Besitzer gewechselt. Doch weniger das wachsende Geschäft als die Debatte über die Rolle des Diamanthandels in den Bürgerkriegen in Sierra Leone, Angola oder im Kongo bestimmt in dieser Woche das Geschehen bei der 29. Auflage des Diamond World Congress in der belgischen Hafenstadt. "Das Thema hat bei uns weltweit die absolute Priorität", beteuert Peter Meeus, der Direktor des Antwerpener Diamantenrats (HRD): "Es ist unsere moralische Pflicht sicherzustellen, dass der illegale Handel mit Konfliktdiamanten nicht die ganze Branche in Verruf bringt."

Ganz freiwillig ist die milliardenschwere Zunft jedoch nicht zu dieser Einsicht gelangt. Trotz des 1998 erlassenen UN-Embargos gegen den Handel der angolanischen Rebellenbewegung Unita mit den Edelsteinen konnten die über die Nachbarländer ausgeführten Preziosen lange ungestört in Antwerpen verscherbelt werden. Appelle der UN und von Menschenrechtsgruppierungen, die Embargo-Auflagen strikter zu befolgen, verhallten zunächst ungehört.

"Noch vor neun Monaten wollten die meisten Händler nicht einmal über das Thema reden," freut sich am Rande der Konferenz die südafrikanische Rohstoffministerin Mlambo Ngcuka: "Nun sind sich plötzlich alle einig, dass ein effektiveres Zertifikatssystem eingeführt werden muss." Zu dem Meinungsumschwung hat nicht zuletzt UN-Botschafter Fowler beigetragen. Der Kanadier war es, der dem Problem der Blutdiamanten mit seinem UN-Rapport im März zu weltweiter Aufmerksamkeit verhalf. Namentlich nannte er afrikanische Staatschefs wie beispielsweise die Präsidenten von Togo oder Burkina Faso, die sich ihre illegalen Waffenlieferungen an die angolanischen Rebellen mit Edelsteinen bezahlen ließen.

Doch ebenso hart waren seine Vorwürfe an das Weltzentrum des Diamanthandels. "Extrem laxe Regeln" würden in Antwerpen illegale Geschäfte erleichtern und "ermutigen", heißt es in dem Rapport. Den belgischen Zollbehörden sei es nicht gelungen, ein wirksames Kontrollsystem zu schaffen, das Aufschluss über die Herkunft der importierten Steine gibt. Zudem seien Versuche, die Aktivitäten "verdächtiger" Zwischenhändler im Auge zu behalten, bisher missglückt.

Die heftige Kritik schreckte die auf Diskretion bedachte Branche auf. Der Handel mit "Konfliktdiamanten" mache allenfalls vier Prozent des Weltumsatzes aus, beteuert HRD-Direktor Meeus. Ein weltweites Codiersystem lehnt er darum als zu kostspielig ab: "Damit würde man eine Mücke mit einem Bulldozer töten." Dennoch kündigte der HRD einen Mehrstufenplan zur besseren Identifizierbarkeit der in Antwerpen gehandelten Steine ein. Um zwielichtigen Rebellenführern den Absatz zu erschweren, sollen Edelsteine der betroffenen Regionen demnächst nur noch mit fälschungssicheren Zertifikaten gehandelt werden dürfen, die von den Regierungen der jeweiligen Schürfländer ausgestellt sind. Personen, die beim illegalen Handel mit Blutdiamanten ertappt werden, soll der Zugang zu den Börsen resolut verweigert werden. Zudem will der Verband den Produktionsstaaten beim Aufbau elektronischer Kontrollsysteme helfen.

Selbst der südafrikanische Marktführer De Beers, der jahrelang keinerlei Skrupel erkennen ließ, möchte künftig seinen Kunden ausschließlich "saubere" Steine garantieren. Konkurrenten unken bereits, dass der Konzern die Diskussion um die Blutdiamanten dazu nutzen wolle, die Marktanteile, die er an kleinere Händler verloren hat, wieder zurückzugewinnen. Ein Problem bleibt indes die Ausfuhr über die Nachbarländer: 99 Prozent der in Sierra Leone geschürften Diamanten werden nach Angaben von Experten inzwischen offiziell als "liberianische" Steine exportiert. Die vom HDR zu Kongressbeginn stolz verkündete Kooperation mit der Regierung in Sierra Leone bezeichnete die flämische Tageszeitung De Morgen denn auch hämisch als "Nepp-Erfolg". Positiver bewertet hingegen die britische Aktionsgruppe Global Witness die Anstrengungen des HDR. Die Branche sei tatsächlich "in Bewegung" gekommen, meint deren Sprecher Alex Yearsley.

Auch Fowler weiß die Bemühungen der Lobby zu schätzen. Zumindest das Embargo gegen Unita-Diamanten werde nun weitgehend befolgt. Natürlich wisse er, dass Konfliktsteine immer auf den Markt gelangen würden. "Aber es ist uns gelungen, die Ressourcen, über die die Unita verfügt, erheblich zu reduzieren. Rebellenführer werden zunehmend auf den Schwarzmarkt abgedrängt, wo sie mit niedrigeren Preisen vorlieb nehmen müssen."

Der Wirtschaftszweig habe aber schon aus Eigeninteresse den Kampf gegen illegale Praktiken zu verstärken. "Diamanten werden nur ewig glänzen, wenn die Branche die Konsumenten davon überzeugen kann, dass ihre Produkte nicht zu Tod und Elend in Afrika beitragen."
Frankfurter Rundschau, 19.07.2000

Warensiegel für Diamanten

Wer möchte schon als Finanzier von Kindermördern beschimpft werden? Oder als Helfershelfer von Kriegsverbrechern? Und das nur, weil er seiner Frau einen Diamanten schenkt? Auch wenn den meisten Kunden in europäischen, amerikanischen oder japanischen Schmuckläden dieser Zusammenhang noch gar nicht bewusst ist: Die Edelstein-Industrie hat auf den drohenden Imageschaden schnell reagiert. Auf dem Diamantenkongress in Antwerpen wurde jetzt vom Internationalen Diamantenherstellerverband vorgeschlagen, ein weltweit einheitliches System einzuführen, das die Herkunft aller Steine nachweist. Damit soll verhindert werden, dass sich Bürgerkriegsparteien in Angola, Sierra Leone und im Kongo weiterhin durch so genannte Blut-Diamanten finanzieren können. Jeder Edelstein soll in Zukunft ein beglaubigtes Zertifikat haben, das seinen Herkunftsort ausweist. Zwar gilt seit einiger Zeit sowohl für Diamanten aus dem angolanischen Rebellengebiet als auch aus Sierra Leone ein weltweites Embargo, doch bislang war es ziemlich wirkungslos. Die Steine wurden in Zwischenländer geschmuggelt, zum Beispiel nach Liberia, Mauritius oder Uganda, um von dort aus weiterverkauft zu werden. Und diese Länder machen brillante Gewinne damit. So konnte allein Mauritius von 1998 auf 1999 seine Diamantenexporte um 4400 Prozent steigern. Sollte das Zertifikats-System funktionieren, würde es für den Inselstaat schwierig werden, solche Steigerungsraten zu erklären - gibt es dort doch keine einzige Edelsteinmine.

Wie wirkungsvoll dieser Nachweis aber insgesamt sein wird, ist unklar. Denn bei den nahezu unvorstellbaren Gewinnspannen im Diamantenhandel ist es ein Leichtes, gefälschte Dokumente zu bekommen. Ein britischer Händler sagte vor ein paar Monaten in Sierra Leone: Er kaufe von den Rebellen für 20 000 Dollar Edelsteine, um sie dann in Antwerpen für vier Millionen Dollar zu verkaufen. Das größte Problem aber ist, dass die meisten Rohdiamanten den ersten Schliff von Zwischenhändlern bekommen, die die Steine nicht nach Herkunft voneinander trennen. Auch für Spezialisten ist es da extrem schwierig, das Herkunftsland festzustellen.

Dennoch ist der Vorschlag des Diamantenherstellerverbandes ein Erfolg. Zum einen für diejenigen, die seit Jahren gegen den Handel mit "Blutdiamanten" kämpfen, weil zumindest für die Bürgerkriegsparteien der Verkauf erschwert wird. Zum anderen für die Diamantenindustrie, kann sie doch jetzt sagen, ihr sei die Moral wichtiger als das Geschäft. Der US-Kongressabgeordnete Tony Hall schätzte es in Antwerpen wohl am realistischsten ein, als er sagte: Sollten die Kunden herausfinden, dass nichts gegen die "Blutdiamanten" unternommen wurde, "dann wird es einen Boykott geben - für alle Diamanten".
Michael Bitala Aus: Süddeutsche Zeitung, 19.07.2000

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