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Kleinbauern haben das Nachsehen

Die Biotreibstoffproduktion für Europa geht in Afrika zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion

Von Armin Osmanovic, Maputo *

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Afrika sind keinesfalls konfliktfrei. Die rasch wachsende Produktion von Biotreibstoffen für den Europäischen Markt gefährdet Afrikas Nahrungsmittelsicherheit. Ein Beispiel ist Mosambik. Beim EU-Afrika-Gipfel in Lissabon, der heute zu Ende geht, wird das kaum Thema sein.

»Ständig werden neue landwirtschaftliche Großprojekte bekannt gegeben«, sagt Diamantino Nhampossa von der mosambikanischen Nichtregierungsorganisation UNAC in Maputo. »Wir haben keinen Überblick, wo und in welchem Umfang landwirtschaftliche Fläche für die Erzeugung von Biotreibstoffen umgewandelt wird.« »Die Regierung informiert uns nur mangelhaft, deshalb untersuchen wir selbst die Zahl der ständig wachsenden landwirtschaftlichen Großprojekte.«

Die südafrikanische Zeitung »Sunday Independent« berichtet unter Berufung auf mosambikanische Regierungsvertreter, dass sich ausländische Unternehmen um ein Siebtel des landwirtschaftlich nutzbaren Landes beworben haben. Ihr Vorhaben: die Produktion von Biotreibstoff. Die in Mosambik tätigen Firmen stammen vor allem aus Europa, so auch das deutsche Unternehmen Elaion AG, das im Land Jatropha für die Biodieselerzeugung anbaut. In den letzten fünf Jahren wurden in Afrika 5 Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche, etwa die Größe Dänemarks, für die Produktion von Biotreibstoffen erschlossen. Die EU beabsichtigt, bis zum Jahr 2020 den Anteil von Biotreibstoffen am Verkehr von gegenwärtig etwa fünf Prozent auf zehn Prozent zu erhöhen.

Neben der Biotreibstoffproduktion für Europa sind es vor allem die Staaten des Mittleren Ostens wie Saudi Arabien, Katar, Kuweit und Abu Dhabi sowie China, die Land in Afrika aufkaufen beziehungsweise langfristig mieten, um ihre eigene Nahrungsmittelsicherheit zu gewährleisten. Ende 2008 kontrollierten diese Staaten nach Angaben einer Studie des Wilson Centers etwa 7,6 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche im Ausland zum Zwecke der Nahrungsmittelproduktion für die Heimatländer.

Fredson Guilengue, zuständig für die internationalen Beziehungen bei UNAC, beklagt sich über die Argumentation von Gebern wie der Weltbank und der eigenen Regierung, die so tun, als ob die massive Ausweitung der Biotreibstoffproduktion im Land problemlos wäre. »Sie wischen unsere Bedenken, dass heimische Kleinbauern, die für die Nahrungsmittelproduktion im Land wichtig sind, verdrängt werden, einfach mit dem Argument vom Tisch, dass für die Biotreibstoffproduktion nur bislang nicht genutzte landwirtschaftliche Flächen verwandt würden.« Dies sei nicht richtig, so die beiden UNAC-Vertreter. »Fast alles Land werde genutzt, natürlich nicht so intensiv, wie in der vollmechanisierten Landwirtschaft, die der Weltbank vorschwebt.«

Doménico Liuzzi, Direktor von KULIMA, einer anderen mosambikanischen Nichtregierungsorganisation, die sich um die ländliche Entwicklung kümmert, sieht dies etwas anders. »Natürlich gibt es freies Land in Mosambik. Die weißen Siedler, die aus Südafrika und Simbabwe zu uns gekommen sind, haben hier genügend Land gefunden und auch für die Biotreibstoffproduktion gibt es freie Flächen.«

KULIMA lehnt, wie übrigens auch UNAC, die Biotreibstoffproduktion und andere landwirtschaftliche Großprojekte ausländischer Investoren nicht rundweg ab. Liuzzi sieht Chancen für die lokale Bevölkerung. »Die Lebensbedingungen im ländlichen Raum müssen dringend verbessert werden. Gelingt es nicht, dort neue Arbeitsplätze mit Zukunft zu schaffen, die über die eigene Selbstversorgung hinaus gehen, werden immer mehr Menschen in die Städte abwandern.« »Am Ende werden nur die Alten zurückbleiben«, meint Liuzzi.

KULIMA will die ausländischen Investoren und die Regierung in die Pflicht nehmen, dass mit den Investitionen in die Landwirtschaft auch neue Schulen und Straßen entstehen. Eine neue von den Vereinten Nationen mitfinanzierte Studie mit dem Titel »Making the most of agricultural Investment« (Das Beste aus Agrarinvestitionen herausholen) scheint dem Ansatz KULIMAs recht zu geben. Ein funktionierender Staat, der Regeln setzt und deren Einhaltung überprüft, ist nach Meinung der Autoren die wesentliche Voraussetzung, dass lokale Gemeinschaften von den Großinvestitionen in die Landwirtschaft profitieren.

Da das Land in Afrika weitgehend in Besitz des Staates ist, da es bis auf die Städte kaum formelle Landtitel gibt, werden Großprojekte zwischen Investoren und Regierungsvertretern verhandelt. Die lokalen Gemeinschaften, die das Land teilweise bewirtschaften, und auch die Zivilgesellschaft sind von den Hinterzimmerverhandlungen häufig ausgeschlossen. In diesen Verhandlungen ist Korruption nicht selten im Spiel, meinen die Vertreter der mosambikanischen Nichtregierungsorganisationen.

»Die Chancen des gestiegenen ausländischen Interesses am landwirtschaftlichen Potenzial Mosambiks für die Überwindung der Armut können wir nur dann nutzen, wenn unsere Regierungen für Transparenz und Teilhabe der lokalen Bevölkerungen und der Zivilgesellschaft sorgt«, meint Diamantino. »Über laufende Verhandlungen oder neue Regierungspläne hören wir aber selten direkt von der Regierung. Nicht selten unterrichtet uns ein westlicher Geber, dass eine Sitzung stattfindet.«

Ob die neuen Großprojekte zu mehr Hunger in Afrika führen oder aber helfen können, die Armut und Perspektivlosigkeit auf dem Land zu überwinden, die so viele Menschen in die Städte treibt, hängt, so der Eindruck aus Mosambik, wie so vieles in Afrika, von einem funktionierenden Staat und einer sich um Rechenschaft gegenüber der Bevölkerung bemühenden Regierung ab. Ein solcher Staat bedarf aber auch der notwendigen finanziellen Mittel. Daran fehlt es in Afrika häufig, auch wegen restriktiver Auflagen der Geber.

* Aus: Neues Deutschland, 30. November 2010


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