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"Unser" Rohstofflager

Hintergrund. Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft hilft beim Ausplündern des "schwarzen" Kontinents. Dabei werden auch gute Kontakte zum Militär gepflegt

Von Jörg Kronauer *

Afrika feierte, und der »Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft« feierte mit. Vor einem halben Jahrhundert, am 25. Mai 1963, war in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba die »Organisation of African Unity« (OAU) gegründet worden, der erste Zusammenschluß der vom Kolonialismus befreiten Länder des Kontinents. Ein Symbol des Aufbruchs war das, und noch immer wird der Tag als »Africa Day« begangen, in einigen Staaten des Kontinents sogar als offizieller Feiertag. Das 50. Jubiläum der OAU, die 2002 in die »African Union« (AU) transformiert worden ist, hat nun auch der Afrika-Verein gewürdigt und seine Mitglieder sowie die Botschafter der afrikanischen Staaten zu einer »African Rhapsody 2013« in die historische Mosaikhalle der Berliner Siemensstadt geladen.Etwas zu früh, schon am 23. Mai 2013, aber immerhin. Nur das Motto des feierlich-exklusiven Events ist wenig prosaisch ausgefallen. Es lautete schlicht »The German-African Business Dinner«. Das brachte nicht unbedingt den historischen Stellenwert des »Africa Day«, dafür aber treffend die Anliegen der deutschen Gastgeber auf den Punkt.

Der Afrika-Verein ist einer der großen deutschen Außenwirtschaftsverbände, die die Erschließung jeweils einer kontinentalen Zielregion für die hiesigen Konzerne unterstützen. Zu seinen Aufgaben gehört fast alles, was sich ein expansionswilliger Unternehmer wünschen kann: Der Verein stellt Informationen über die afrikanischen Staaten und ihre Ökonomien bereit, vermittelt Kontakte, berät, kümmert sich um geschäftsvorbereitende und -begleitende Recherchen und vertritt seine Mitglieder bei Bedarf auch vor Ort. Er führt Informationsveranstaltungen und Delegationsreisen durch, unterstützt den Einstieg in afrikanische Messen und hält vor allem persönliche Netzwerke für Händler und Investoren bereit. Eigenen Angaben zufolge zählt er zur Zeit rund 700 Mitglieder, die er von seinem Traditionssitz am Neuen Jungfernstieg in Hamburg und inzwischen auch von der Berliner Friedrichstraße aus betreut. Die Repräsentanz in der Hauptstadt ist seit ihrer Eröffnung im Jahr 2008 systematisch gestärkt worden. Man habe, heißt es dazu beim Afrika-Verein, »unsere Netzwerke zu Ministerien, Botschaften und Abgeordneten ausgebaut«. Klassische Lobbyarbeit gehört eben auch dazu: »Wir«, so heißt es im Tätigkeitsbericht für das Jahr 2012, »sind das Bindeglied zwischen Unternehmen und Politik«.

Wie gestalten sich derlei Aktivitäten in der Praxis? Für den 4. und 5. Juni 2013 etwa lud der Verein zum diesjährigen Deutsch-Angolanischen Wirtschaftsforum in die südwestafrikanische Hauptstadt Luanda. Angola verzeichnete in den zehn Jahren seit dem Ende des Bürgerkrieges 2002 die vielleicht höchsten Wachstumsraten weltweit. Vor allem aber verfügt es über Rohstoffe, vor allem über Erdöl, das das besondere Interesse auch der Bundesregierung weckt. Berlin ist immer an einer Diversifizierung der deutschen Erdöleinfuhren gelegen, weshalb man sich auch um Lieferungen aus diesem Staat bemüht. Dies wiederum hat Angola binnen kürzester Zeit zum drittgrößten Handelspartner Deutschlands südlich der Sahara gemacht.

Auf dem diesjährigen Wirtschaftsforum sollten die Geschäfte nun ausgeweitet werden. Der Afrika-Verein hat es dank seiner Beziehungen in die politische Szenerie erreicht, daß nicht nur die angolanischen Minister für Wirtschaft und für Energie, sondern auch mehrere Gouverneure zugegen waren. Vor Beginn des Events führte der Lobbyverband ein ausführliches Briefing für die deutschen Teilnehmer durch, nach dem Abschluß der Konferenz bot er eine zweitägige Delega­tionsreise in mehrere angolanische Provinzen an. Wer den Rohstoffreichtum des Landes nutzen will, um Geschäfte zu machen, wird vom Afrika-Verein also bestens versorgt.

Schwerpunkt Südafrika

Zu den Mitgliedern des Afrika-Vereins, die schon bald nach dem Ende des Bürgerkrieges in Angola tätig wurden und heute dort durchaus profitable Geschäfte machen, gehört das Hamburger Handelshaus C. Woermann. Es ist wie nur wenige andere deutsche Unternehmen mit der Geschichte der deutschen Expansion auf diesem Kontinent im weitesten Sinne verknüpft. 1837 gegründet, startete es 1849 seinen Afrika-Handel mit einer ersten Fahrt nach Liberia, wo es 1854 seine erste afrikanische Niederlassung errichtete. Eine Denkschrift der Hamburger Handelskammer vom 6. Juli 1883 an Reichskanzler Otto von Bismarck, die die »Erwerbung einer Flottenstation und eines Küstenstriches zur Gründung einer Handelskolonie« in Afrika forderte, geht auf den damaligen Firmeninhaber Adolph Woer­mann zurück.

Man hatte Erfolg: Bereits 1884 begann das Deutsche Reich, Teile Afrikas zu okkupieren. Die Firma C. Woermann beteiligte sich handfest an der brutalen Ausplünderung der Kolonien; auch der Reichsregierung stand sie in Sachen Afrika zur Verfügung, so beispielsweise, als diese Truppen entsandte, um den Aufstand der Herero und Nama gegen die deutschen Invasoren niederzuschlagen. Die Militärs und ihre Waffen wurden von Woermann-Schiffen nach »Deutsch-Südwestafrika« transportiert, wo sie ihren berüchtigten ersten Vernichtungskrieg führten.

Nach all den kolonialen Profiten traf es das Handelshaus hart, als das Deutsche Reich nach dem Ersten Weltkrieg sämtliche afrikanischen »Schutzgebiete« abtreten mußte. Kein Wunder also, daß Woermann führend beteiligt war, als sich am 6. November 1933 im »Afrika-Haus« in Hamburgs Großer Reichenstraße, dem eigenen Sitz – noch heute –, Vertreter in Afrika tätiger deutscher Unternehmen trafen, um einen Interessenverband zur besseren Durchsetzung ihrer Pläne zu initiieren.

Am 1. Januar 1934 wurde der Afrika-Verein schließlich ins Register eingetragen und damit auch offiziell gegründet – als »Afrika-Verein Hamburg-Bremen«: Die großen See-Handelshäuser sind nun einmal in den norddeutschen Hafenstädten angesiedelt. 1934 »hatte die Welt mit den Folgen der Wirtschaftskrise zu kämpfen«, wußte 2009 der damalige Bundespräsident Horst Köhler in seiner Rede bei der Feier zum 75jährigen Jubiläum zu berichten. Ähnlich äußert sich die Organisation. Deutsche Firmen hätten sich im Afrika-Handel besonders mit der britischen Konkurrenz erbitterte Auseinandersetzungen geliefert, heißt es in einer Selbstdarstellung. Daher habe man sich zum Afrika-Verein zusammengeschlossen und sich um ein gemeinsames Vorgehen bemüht. Zu den ersten Maßnahmen gehörte eine Reise des Vereinsvorsitzenden Lothar Bohlen, der als Geschäftsführer bei den Woermann-Linien arbeitete, nach Südafrika. Kaum zurückgekehrt, habe er »über den wirtschaftlichen Boom« dort berichtet, »an dem er sich für die Zukunft einen größeren Anteil für deutsche Unternehmen erhoffte«, schreibt der Afrika-Verein. Die Begeisterung spiegelte sich damals auch in der Afrika-Rundschau wieder, der offiziellen Zeitschrift der Organisation.

Einige der Texte, die Südafrika gewidmet sind, hat der viel zu früh verstorbene Hamburger Historiker und Aktivist Heiko Möhle in seinem Sammelband »Branntwein, Bibeln und Bananen« abgedruckt. Ein Autor etwa sah mit Blick auf das damals schon rassistische Südafrika »eine farbige Flutwelle« in dem Land »immer höher branden«. Das »geschlossene Zusammenarbeiten der weißen Völker« sei deswegen notwendig, »um die abendländische Kultur zu schützen«, äußerte er in der Afrika-Rundschau. Günther Jantzen, Geschäftsführer des Afrika-Vereins, plädierte in dem Blatt für »eine Verschmelzung der südafrikanischen Weißen«: »Angesichts der großen Masse der Eingeborenen und Farbigen – nicht zu vergessen das jüdische Element« – könne das Land »als Staat und Nation nur lebenskräftig bleiben, wenn eine weitgehende Überbrückung des burisch-britischen Gegensatzes erfolgt«. Das deutsch-südafrikanische Handelsabkommen, das der Nazistaat mit dem rassistischen südafrikanischen Regime am 31. Dezember 1934 abschloß, galt beim Hamburger Afrika-Verein entsprechend als Erfolg.

Der Wirtschaftsverband hielt die Beziehungen zum Rassisten-Establishment in Südafrika nach 1945 aufrecht. Auch dazu kann man bei Heiko Möhle nachlesen: Bereits 1947 begann Günther Jantzen, die Vereinsgeschäfte weiterzuführen. Südafrika wurde zum Schwerpunktland. 1968 nahm es rund ein Drittel der gesamten bundesdeutschen Exporte auf den Kontinent ab. Als die weltweite Kritik am Apartheidregime Handel und Investitionen zu stören begann, polemisierte der Afrika-Verein gegen Boykottforderungen und warf der Bonner Regierung wegen einiger vorsichtig kritischen Äußerungen vor, sich »als Moralrichter« aufzuspielen. Ein Mitglied, der Geographieprofessor Günther Borchert, führte laut Möhle »Anfang 1980 unter Mißachtung von Beschlüssen der Vereinten Nationen eine studentische Exkursion nach Südafrika« – empörten Protesten der OAU zum Trotz. Beim Abgang des Apartheidregimes gelang es der eng mit ihm zusammenarbeitenden deutschen Wirtschaft erstaunlicherweise, ihre starke Position zu halten. Im Jahresbericht für 1993 notierte der Afrika-Verein zufrieden: »Um so bemerkenswerter ist der Stand des Geschäftes mit Südafrika, das trotz des Reformprozesses die Werte des Vorjahres halten konnte.«

Der frühe Ausbau der Südafrika-Geschäfte ist im Gründungsjahr 1934 zwar wichtig, aber keinesfalls das Kernelement der Vereinsaktivitäten gewesen. Zentral war eher, wie der Afrika-Verein selbst schreibt, »der Ruf nach einer Politik der Rückforderung ehemaliger deutscher Kolonien«: Diese versprachen, gerade auch mit Blick auf die Wirtschaftskrise und die britische Konkurrenz, »einen sicheren Handelsraum«. Hier trafen sich die Ziele des Afrika-Vereins und Pläne der Nazis, die gleichfalls die Wiedererrichtung der Kolonien vorsahen. Zu diesem Zweck gründete die ­NSDAP 1934 das Kolonialpolitische Amt, dem es oblag, entsprechende politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Fragen zu bearbeiten. Im Fokus stand neben Handelsthemen bald vor allem der Zugriff auf die Rohstoffe des Kontinents. Wie man sie erschließen könne, darüber zerbrach sich vor allem der Leiter der Abteilung Wirtschaft im Kolonialpolitischen Amt den Kopf – ein gewisser Kurt Weigelt. Der Historiker Karsten Linne nennt ihn in einer ausführlichen Studie »die graue Eminenz der Kolonialplaner«.

Kolonialpolitiker Weigelt

Kurt Weigelt war in der Tat nicht irgendwer. 1884 in Berlin geboren, begann er seine Karriere 1913 bei der Deutschen Bank. Im Ersten Weltkrieg leitete er den Kriegsausschuß für Öle und Fette. Von 1918 bis 1922 wirkte er als Direktor der Deutschen Petroleum AG, dann wurde er stellvertretender Direktor der Deutschen Bank. Schon bald galt er als deren »Außenminister«. Weigelt wirkte – ganz abgesehen von seinen diversen Aufsichtsratsposten – nicht nur als Vizepräsident der Deutschen Lufthansa, er tat sich – wohl anknüpfend an seine vormalige Beschäftigung mit Rohstoffen – insbesondere in Kolonialkreisen hervor. Nicht zuletzt war er Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuß des Afrika-Vereins. Für ihn war es also ein Heimspiel, als er in seiner Funktion als Leiter der Wirtschaftsabteilung des Kolonialpolitischen Amts dessen Planungen im Februar 1936 dem Vorstand der Lobbyorganisa­tion erläuterte. Im Zentrum stehe die Rohstoff­frage, hatte Weigelt stets erklärt, und an die Führung des Afrika-Vereins appellierte er: »Eines ist aber notwendig: Daß in dem Moment, wo die Glocke geschlagen hat, wir nicht unvorbereitet dastehen dürfen.« Seine Ausführungen fanden, berichtet Linne, »breite Zustimmung. Es gab ein beiderseitiges Interesse an einer engen Zusammenarbeit«.

Aus den NS-Kolonialplänen wurde bekanntlich nichts; Weigelt konnte seine Karriere nach 1945 aber fortsetzen. Unter anderem wurde er Aufsichtsratsvorsitzender bei der Deutschen Lufthansa, 1954 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz. Auch die Kolonialpläne suchte er weiterzuverfolgen: Wie bei Linne nachzulesen ist, fertigte er im März 1949 »im Auftrag des deutschen Beraters für den Marshallplan eine Denkschrift an, die als deutscher Beitrag für den Truman-Plan hinsichtlich der afrikanischen Wirtschaftsgebiete eingereicht werden sollte«. In einem Schreiben erläuterte er, »das tropische Afrika« werde »in spätestens 20 Jahren bolschewisiert« sein, »wenn nicht mit ganz anderen Mitteln und einer anderen Colonialpolitik der Eingeborene zu einem Wirtschaftsfaktor entwickelt wird und zu einem Consumenten europäischer Bedürfnisse gemacht wird«.

Schwerpunkt: Ressourcen

Seine Pläne wiesen die Alliierten zwar zurück, doch die Kontinuität in den Beziehungen zu den afrikanischen Staaten blieb in der Bundesrepublik gewahrt. Der Kontinent fungiert – wie schon zu Kaisers Zeiten – bis heute als Abnehmer deutscher Industrieprodukte und als Rohstofflieferant. Die deutschen Importe etwa aus Südafrika, dem mit Abstand wichtigsten Handelspartner der BRD südlich der Sahara, bestehen trotz der Niedriglohnproduktion deutscher Konzerne am Kap für den deutschen Markt zu gut 40 Prozent aus Metallen und Bodenschätzen. Für die Einfuhr aus Nigeria, dem zweitgrößten BRD-Handelspartner südlich der Sahara, vermeldet die bundeseigene Außenwirtschaftsagentur Germany Trade & Invest (Stand 2011): »Erdöl 93,7; Nahrungsmittel 3,8; Rohstoffe 1,7; Nichteisenmetalle 0,1 Prozent«.

Diese Ressourcenfixierung schlägt sich selbstverständlich auch in der Arbeit des Afrika-Vereins nieder. Im April 2013 etwa führte er zum siebten Mal das »Deutsch-Afrikanische Energieforum« durch, das laut Vereinsangaben »die führende Plattform der deutsch-afrikanischen Energiebeziehungen« ist. Schirmherr war das Bundeswirtschaftsministerium, Mitveranstalter waren unter anderem das Auswärtige Amt und die African Petroleum Producers’ Association. Als Sponsoren traten neben Siemens etwa RWE und die Deutsche Bank auf. Die Energieministerien der einschlägigen Staaten hatten hochrangige Vertreter zu der Veranstaltung entsandt, ebenso die bedeutendsten afrikanischen Energiekonzerne. Natürlich ging es um Öl und Gas, daneben aber auch um Pipelines und um erneuerbare Energien, für deren Nutzung deutsche Unternehmen Anlagen herstellen und deswegen Abnehmer brauchen. Und die Nutzung der Wasserkraft stand auf dem Programm. Hauptsponsor Siemens hat im Herbst bekanntgegeben, seine Aktivitäten auf diesem Geschäftsfeld zu forcieren; auch hierfür werden Kunden gesucht.

Bereits im November 2012 hatte der Afrika-Verein gemeinsam mit ThyssenKrupp zu einem »Fachgespräch« in Sachen Ressourcen nach Berlin eingeladen. Das Thema lautete: »Rohstoffe aus Afrika – Perspektiven, Chancen, Risiken für deutsche Unternehmer«. »Afrikas Rohstoffmärkte gewinnen zunehmend an Bedeutung und stehen heute im Fokus von Milliardeninvestitionen«, hieß es im Einladungsschreiben: »Die Bewirtschaftung der Rohstoffvorkommen ist Afrikas wichtigste wirtschaftliche Aktivität, die afrikanischen Exporterlöse aus mineralischen und fossilen Rohstoffen machen jährlich 180 Milliarden US-Dollar und fast 80 Prozent der Gesamtexporte aus.« Dieser Markt sei deshalb »langfristig von großem Interesse für die deutsche Wirtschaft« – und nebenbei: »Die deutsche Zulieferwirtschaft« sei keineswegs abgeneigt, »Rohstoffunternehmen mit Technik zu beliefern«. Dank seiner Netzwerke war der Afrika-Verein in der Lage, hochrangigen Kontakt zu vermitteln: »Als Gast und Keynote-Speaker«, teilte er mit, »konnten wir Günter Nooke gewinnen, den Persönlichen G-8-Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin«.

Kontaktpflege zum Militär

Eines der ganz großen Themen in puncto Afrika sind seit Jahren die boomenden wirtschaftlichen Aktivitäten der Volksrepublik China auf dem Kontinent. Deutsche Firmen fürchten nicht nur, beim Zugriff auf Rohstoffe ins Hintertreffen zu geraten, auch der afrikanische Absatzmarkt und lukrative Aufträge stehen auf dem Spiel. Unternehmen aus China liefern Elektronikprodukte, bauen Straßen und Fußballstadien, und sie investieren immer mehr. Der Afrika-Verein hält seine Klientel stets auf dem laufenden über die chinesische Konkurrenz. »Von 2000 bis 2011 hat die VR China einer Studie des Center for Global Development (CGD) in Washington zufolge in Afrika insgesamt 75,4 Milliarden US-Dollar investiert und ist damit nahe an die USA gerückt, die im gleichen Zeitraum 90 Milliarden Dollar investiert haben«, teilte er Mitte Mai 2013 mit. Informationen über die chinesischen Aktivitäten gehören auch sonst zu seinem Standardrepertoire.

Und nicht nur das – man erfährt bei ihm auch, wann sich Chancen bieten, die eigene Posi­tion gegenüber den Rivalen aus der Volksrepublik weiter auszubauen. Als der Staatspräsident des Niger, Mahamadou Issoufou, am 8. Mai die Kanzlerin traf, um über die Unruhen im Norden Malis und über die Spannungen in den Nachbarstaaten – darunter Niger – zu beraten, lud ihn der Afrika-Verein anschließend zu einem »Wirtschaftsgespräch« in die Räumlichkeiten der Commerzbank am Pariser Platz in Berlin. Niger, vor allem für seine Uranvorkommen bekannt, entwickle sich »in den letzten Jahren positiv«, lobte der Afrika-Verein. So begriff Issoufou sofort, was seine Gastgeber von ihm erwarteten. »Seien Sie aggressiv«, forderte er die anwesenden Vertreter deutscher Unternehmen auf: »Und bitte, überlassen Sie das Feld nicht den Chinesen!«

Im Kampf um Marktanteile und Rohstoffe gegen Konkurrenz vor allem aus China läßt der Afrika-Verein keine Gelegenheit aus, hilfreiche Kontakte zu knüpfen. »Streitkräfte spielen in vielen afrikanischen Ländern eine wichtige Rolle«, berichtete er in einem Schreiben im November 2012. »Auch im Hinblick auf wirtschaftliche Aktivitäten« seien Militärs »als Ansprechpartner von großer Bedeutung«. Die Organisation lade deshalb wieder einmal – tatsächlich tut sie das jedes Jahr – zu einem Treffen mit afrikanischen Offizieren ein, die gerade am »Lehrgang General-/Admiralstabsdienst« an der Führungsakademie der Bundeswehr teilnähmen. Praktischerweise ist die Führungsakademie in Hamburg angesiedelt, wo der Afrika-Verein seine traditionelle Geschäftsstelle hat. Im Jahr 2012 konnten interessierte Vertreter deutscher Firmen bei der Zusammenkunft mit den afrikanischen Militärs auch einen Offizier aus Mali kennenlernen. Mali? In der Tat: In dem Land herrschte schon im November 2012 nach einem Putsch de facto die Armee. Das aber konnte für den Wirtschaftsverband ebensowenig ein Hinderungsgrund sein wie für die Führungsakademie. Nimmt man es genau – ein Putsch im Zielstaat der Wirtschaftsexpansion hat lukrativen Geschäften deutscher Firmen in der Tat meist nicht geschadet.

Schädlicher für den Profit sind andere Dinge – die krassen sozialen Spannungen etwa, die in einigen Teilen Afrikas herrschen, vor allem in Kriegs- und in Krisengebieten wie im Osten der Demokratischen Republik Kongo, im Südsudan oder seit 2011 in Libyen. Weil gerade in diesen Ländern umfangreiche Rohstoffvorräte lagern und deswegen Geschäfte locken, bemüht sich der Afrika-Verein auch um Lösungen für Unternehmer, die trotz der Unruhen dorthin reisen. Am 7. November 2012 etwa organisierte er in den Räumlichkeiten der Deutschen Bank Unter den Linden in Berlin eine Konferenz zum Thema »Managing Risk in North Africa«. Für den Folgetag kündigte er dann ein eintägiges »Sicherheits- und Verhaltenstraining« im Hotel Melia in der Friedrichstraße an. Es würden dort »Verhaltensweisen vermittelt, die möglichen Opfern helfen können, bedrohliche Situationen unbeschadet zu überstehen«, erläuterte er.

Durchführen sollte das Training die Result Group GmbH, die regelmäßig mit dem Afrika-Verein kooperiert. Bei der Result Group arbeiten Profis. Gründer und Firmenchef Walfried O. Sauer war bei Mobilen Einsatzkommandos (MEK), Spezialeinsatzkommandos (SEK) und in der Terrorfahndung aktiv. Er hat die GSG 9 und das Kommando Spezialkräfte trainiert und darüber hinaus Sondereinheiten in Bulgarien, Kuwait, Spanien, Tschechien und Peru ausgebildet. Über ihn teilt die Result Group mit: »Zu seinen Spezialgebieten zählen die Beratung bei Entführungen, Geiselnahmen, Erpressungen, terroristischen Bedrohungen sowie die Bekämpfung der organisierten Kriminalität.« Kommt es in der globalen Konkurrenz um Geschäfte in Afrika hart auf hart, dann fühlen sich der Afrika-Verein und seine Mitgliedsunternehmen bei einem derart erfahrenen Experten wohl bestens aufgehoben.

Literatur
  • Heiko Möhle (Hg.): Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus in Afrika. Eine Spurensuche, Berlin 2011
  • Karsten Linne: Deutschland jenseits des Äquators? Die NS-Kolonialplanungen für Afrika, Berlin 2008
* Jörg Kronauer ist Sozialwissenschaftler, freier Journalist und Redakteur bei german-foreign-policy.com.

Aus: junge Welt, Donnerstag, 6. Juni 2013



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