Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Die afrikanische Herausforderung

Eckpunkte einer strategischen Afrikapolitik - Ein neues Papier der Bundesregierung

Im April hat die Bundesregierung durch den Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, den ersten Teil eines Konzepts für eine neu Afrikapolitik vorgelegt. Wir dokumentieren die "Eckpunkte", die in ihrem analytischen Teil zu bemerkenswerten Erkenntnissen vordringen, im strategischen Teil aber relativ vage und allgemein bleiben. Zurecht überschrieb die Süddeutsche Zeitung einen Bericht über die Vorstellung des neuen Konzepts mit der Zeile: "Die Grünen setzen bei der Entwicklungshilfe auf neuen Pragmatismus und regionale Projekte". (SZ, 12.04.2001)

1. Afrika zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Afrika zu Beginn des 21. Jahrhunderts heißt die Überwindung des Apartheidregimes und die Suche nach einem Weg der nationalen Versöhnung in Südafrika, demokratischer Aufbruch und Kampf gegen Korruption in Nigeria, vielversprechender demokratischer und ökonomischer Wiederaufbau in Mosambik, friedliche Umbrüche und Demokratisierungsprozesse z.B. in Benin, Ghana, Malawi, Mali, Sambia, Senegal oder Tansania. Nie zuvor in der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten wurden soviel Reformen im politischen und wirtschaftlichen Bereich eingeleitet und durchgeführt wie im letzten Jahrzehnt. 42 der 48 Staaten haben in den 90er Jahren Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen unter Beteiligung mehrerer Parteien abgehalten. In einigen Staaten konnten beeindruckende Wachstumserfolge erzielt werden. So hatte beispielsweise Mosambik seit Ende des Krieges bis zur Flutkatastrophe ein jährliches Wirtschaftswachstum von 5%, 1997/98 sogar von über 10%.

Afrika steht aber auch für unerträgliches Leid und menschliche Tragödien, die Verletzung der Menschenwürde und fehlenden Zugang zu politischen, sozialen und wirtschaftlichen Rechten, Flüchtlinge sowie die Zerrüttung von Staaten durch interne bewaffnete Konflikte.

Die Entwicklung in Afrika südlich der Sahara ist insgesamt negativer verlaufen als in anderen Weltregionen. Dies hat sowohl externe wie interne Gründe. Die Hypotheken aus der Kolonialzeit - z.B. die Konzentration auf wenige städtische Zentren und Eliten, die Missachtung des Selbstbestimmungsrechtes, die Vernachlässigung von Investitionen in physische und soziale Infrastruktur oder die Förderung einseitiger Produktionsstrukturen - erschweren eine breitenwirksame Entwicklung und eine Integration Afrikas in den Weltmarkt. Die internationale Arbeitsteilung hat sich seit der Kolonialzeit kaum verändert. Noch immer liefert Afrika im wesentlichen Rohstoffe und Agrarprodukte und importiert Fertigprodukte. Der Anteil Afrikas südlich der Sahara am Welthandel ist aufgrund der vorherrschenden Arbeitsteilung und der Verschlechterungen der Terms of Trade gesunken. Diktatorische Regime und kleptokratische Eliten waren nach dem Ende der Kolonialherrschaft häufig nicht an einer Trendwende interessiert. Sie führten unter anderem Namen die Ausplünderung der Länder fort.

Chancen des neuen Jahrhunderts nutzen

Neben vielen Unsicherheiten bietet das neue Jahrhundert aber auch neue Chancen für eine bessere afrikanische Zukunft. Vier Punkte möchte ich besonders hervorheben:
  • Wachsende politische Partizipation in vielen afrikanischen Ländern: Seit Beginn der 90er Jahre konnten wir in vielen Staaten eine demokratische Öffnung, politische Liberalisierung und Erhöhung der bürgerlichen Freiheiten beobachten. Dezentralisierungsansätze schreiten voran. Dies erhöht die Chancen für größere Verantwortlichkeit der Regierungen und für einen neuen Entwicklungsdiskurs.
  • Wachsender Konsens über Entwicklungsziele und Reorientierung der internationalen Zusammenarbeit: Durch das Ende des Kalten Krieges verlor Afrika für die großen Mächte seine Bedeutung als strategisches Ziel und ideologisches "Schachbrett". Während dies auf der einen Seite sinkende Ressourcenzuflüsse zur Folge hatte, fördert dies auf der anderen Seite eine Reorientierung der internationalen Zusammenarbeit. Die Orientierung der gesamten Unterstützung an den international vereinbarten Entwicklungszielen ist für die Gebergemeinschaft Herausforderung und Chance zugleich.
  • Zunehmende Suche nach regionalen afrikanischen Ansätzen: Afrikanische Staaten haben erkannt, dass viele Probleme nicht im nationalen Alleingang zu lösen sind, sie verstärken daher regionale Kooperations- und Integrationsbemühungen. Die laufenden Bestrebungen einer stärkeren wirtschaftlichen Kooperation, z.B. im südlichen Afrika, sind durchaus ermutigend. Die Schaffung eines Konfliktlösungsmechanismus durch die Organisation für Afrikanische Einheit löst zwar noch nicht die vorhandenen Konflikte, sie markiert jedoch den Beginn einer ernsthaften Bearbeitung bereits ausgebrochener oder latenter Konflikte durch afrikanische Staaten oder Staatengruppen.
  • Zunehmende Öffnung der Märkte der EU: Die EU muss den ärmsten Entwicklungsländern für alle Waren - mit Ausnahme von Waffen - freien Zugang zu den europäischen Märkten einzuräumen. Die rasche Umsetzung dieser Initiative ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt auf dem Weg zu einer kohärenten Entwicklungspolitik.

Afrikas Herausforderungen

(1) Staatskrisen und bewaffnete Konflikte

Nahezu alle afrikanischen Staaten können - wie übrigens die Mehrzahl der Entwicklungs- und Transformländer - als schwache Staaten bezeichnet werden. Die durch die Kolonialmächte willkürlich festgelegten Grenzen und die dadurch entstandenen künstlichen Staatsgebilde erschweren immer noch eine friedliche Entwicklung und die Ausbildung kollektiver Identitäten als Grundlage einer Nation. Der Prozess der Staatsbildung ("nation building") und Demokratisierung ist noch jung und nicht abgeschlossen, so dass interne Konflikte immer wieder auch gewaltsam ausgetragen werden.
  • Schwache und unterfinanzierte staatliche Institutionen sowie schlecht bezahlte Staatsbedienstete tragen dazu bei, dass der Staat wichtige Staatsaufgaben für seine Bürger und Bürgerinnen nicht - in angemessener Weise - erfüllen kann. Die Mehrheit der afrikanischen Staaten fällt in die Kategorie der schwachen Staaten, in denen Konflikte aber nicht gewaltsam ausgetragen werden.
  • Korruption und "governance"-Probleme verhindern eine effiziente, am Gemeinwohl orientierte Nutzung knapper Ressourcen und erhöhen die Gefahr gewaltsamer Auseinandersetzungen, wie der Fall Simbabwe zeigt.
  • Viele junge Demokratien sind noch äußerst labil und erheblichen Belastungen ausgesetzt. Demokratie muss in der Bevölkerung verankert werden. Wie der Fall Nigeria zeigt, kann Demokratisierung kurzfristig zu einer Erhöhung der Instabilität führen, wenn aufgestaute Konflikte offen ausbrechen. Auch ein Blick in die Geschichte Europas und Deutschlands zeigt, dass die Verankerung der Demokratie ein langwieriger Prozess ist, der häufig nicht ohne Rückschläge verläuft.
  • Dort wo die Legitimität des Staates soweit erodiert ist, dass er seine Ordnungsfunktion nicht mehr wahrnehmen kann, werden Konflikte gewaltsam ausgetragen. Finanziert und verlängert werden kriegerische Auseinandersetzungen häufig durch die Ausplünderung von Rohstoffen, wie z.B. Diamanten. Angola, Sierra Leone, die DR Kongo und der Sudan zählen zu den Staaten, in denen der Staatszerfall weit fortgeschritten ist. Die Regierungen können große Teile des Staatsgebietes nicht mehr kontrollieren. In Somalia hat die Regierung für ein Jahrzehnt aufgehört zu existieren, man kann von offenem Staatszerfall sprechen. Ob die gerade neu gebildete Regierung Somalias von allen anerkannt und damit Legitimität und Handlungsfähigkeit erwerben wird, bleibt abzuwarten.

(2) Einkommensarmut und Ungleichheit

Auch in friedlichen afrikanischen Staaten konnte bisher meist keine nachhaltige Entwicklung und Armutsminderung erreicht werden. Der Anteil der Afrikaner/-innen an den absolut Armen in der Welt ist gestiegen. Es wird von einer "Afrikanisierung der Armut" gesprochen.
  • 290 Millionen Menschen, fast die Hälfte der Bevölkerung Afrikas südlich der Sahara lebt in absoluter Armut. Die Zahl der absolut Armen (weniger als 1 US $ pro Tag) ist sehr viel stärker gestiegen als in anderen Weltregionen (in Ostasien, im Nahen Osten und Nordafrika hat die Zahl der absolut Armen dagegen abgenommen).
  • Das jährliche pro-Kopf-Einkommen Afrikas südlich der Sahara ist niedriger als Ende der 60er Jahre und mit 316 US $ (ohne Südafrika) das niedrigste der Welt.
  • Einkommensungleichheiten zwischen und innerhalb der Länder sind groß (nur in Lateinamerika sind sie noch größer). Das Pro-Kopf-Einkommen von Botswana oder Südafrika liegt bei 3600 bzw. 2880 US $, während das von Malawi oder Äthiopien bei 200 bzw. 100 US $ liegt. In Südafrika haben die "oberen" 10% der Bevölkerung nahezu 50% des Einkommens, den "unteren" Einkommensgruppen geht es hingegen nicht besser als den Menschen in den Nachbarländern.

(3) Soziale Unterentwicklung

Geringe Bildung und schlechter Gesundheitsstand verursachen menschliches Leid und verhindern zukünftige Entwicklung. Die meisten sozialen Indikatoren haben sich zwar auch in Afrika südlich der Sahara verbessert, aber weniger stark als in anderen Weltregionen.
  • 20% der städtischen Kinder und 30-40% der Kinder im ländlichen Raum werden als unterernährt eingestuft.
  • Nur die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, im ländlichen Raum sogar nur ein Drittel. Während 99% der städtischen Bevölkerung Simbabwes Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, gilt dies nur für 17% der ländlichen Bevölkerung im Tschad. Durch die zunehmende Verstädterung und Slumbildung haben immer größere Teile der städtischen Bevölkerung keine angemessene Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung. Der Zugang zu Bildung hat sich verschlechtert und ist äußerst ungleich verteilt: Während sich in allen anderen Weltregionen die Einschulungsrate verglichen mit 1980 erhöht hat, ist sie in Afrika südlich der Sahara gesunken, für arme Mädchen im ländlichen Raum beträgt sie gerade einmal 23%. Ein Viertel der Erwachsenen besuchten nie eine Schule, 34% aller Erwachsenen und 53% aller Frauen gelten als Analphabeten.

(4) HIV/AIDS

Verschärft wird die Situation in vielen afrikanischen Ländern durch HIV/AIDS. In den am meisten betroffenen Staaten stellt HIV/AIDS nicht nur eine gesundheitliche Krise, sondern eine Entwicklungskrise dar. AIDS betrifft vor allem die erwerbstätigen und aktiven Jahrgänge. Dadurch wird die gesamte wirtschaftliche und soziale Entwicklung beeinträchtigt.
  • Es wird geschätzt, dass derzeit 23,3 Millionen Menschen in Afrika südlich der Sahara infiziert sind (70% der weltweit Infizierten). 13,7 Millionen Menschen sind bereits an AIDS gestorben. 95% aller AIDS-Waisen, rund 10 Millionen, leben in Afrika. Täglich infizieren sich 15.000 Menschen neu. Bereits heute hat AIDS in einigen Ländern zu einer Senkung der Lebenserwartung um mehr als 10 Jahre geführt.
  • In den am stärksten betroffenen Ländern sind 25% des medizinischen Personals infiziert, noch stärker betroffen ist der Erziehungssektor. Dies hat verheerende Auswirkungen auf die Qualität und Quantität der ohnehin bescheidenen medizinischen Versorgung und der Schulbildung.
  • Schätzungen gehen davon aus, dass wegen HIV/AIDS das Inlandsprodukt der betroffenen Staaten jährlich um 1-2% niedriger ist als sonst möglich sein wird. Die industrielle Produktion und Wettbewerbsfähigkeit werden beeinträchtigt. Bei einem Drittel aller von HIV/AIDS betroffenen ländlichen Haushalte sinkt die landwirtschaftliche Produktion um 50% mit katastrophalen Auswirkungen auf die familiäre und nationale Ernährungssicherheit.

(5) Marginalisierung im Welthandel, Verschuldung und Kapitalflucht

Afrikanische Staaten haben im Welthandel seit Ende der 60er Jahre verloren. Afrika südlich der Sahara ist bislang der Verlierer der Globalisierung. Es gibt eine erhebliche Kapitalflucht aus afrikanischen Ländern.
  • Die landwirtschaftliche Entwicklung Afrikas wird durch Subventionen für die Landwirtschaft der OECD-Länder (jährlich rd. 300 Mrd. US $, das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt Afrikas südlich der Sahara) behindert.
  • Der Anteil Afrikas am Welthandel liegt unter 2%. Afrika war nicht in der Lage Produktion und Handel zu diversifizieren, die Abhängigkeit von Rohstoffexporten ist nach wie vor sehr hoch. Die Terms of Trade haben sich für Nichtölexporteure deutlich verschlechtert. Dies führte zu erheblichen Einnahmeverlusten. Die jüngsten Ölpreiserhöhungen belasten die nicht-erdölexportierenden afrikanischen Staaten ganz besonders, die Ölrechnung hat sich seit 1998 in vielen Ländern verdoppelt.
  • Die Schulden beliefen sich 1999 auf 231 Mrd. US $, das entspricht 225% der gesamten Exporteinnahmen. Der jährlich geleistete Schuldendienst lag für Afrika südlich der Sahara bei 15% der Exporteinnahmen, für einzelne Länder lag er noch wesentlich höher. Dies zeigt wie dringend eine rasche und qualitative Umsetzung der erweiterten Entschuldungsinitiative und Initiativen zur Vermeidung zukünftiger Schuldenspiralen sind.
  • Es gelang bisher nicht, einheimische Ressourcen und vorhandenes afrikanisches Kapital als primäre Quelle von Entwicklung zu mobilisieren. Schätzungen sprechen davon, dass in den frühen 90er Jahren (neuere Zahlen liegen nicht vor) 40% des privaten Kapitals ins Ausland transferiert wurden.

2. Prinzipien und Grundpfeiler einer strategischen Afrikapolitik

Deutsche Entwicklungspolitik versteht sich als Politik der Zukunftssicherung. Die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Afrika ist Ausdruck der Verantwortung, globale Zukunftsrisiken zu mindern und die menschliche Sicherheit, im Sinne der erweiterten Definition von Kofi Annan, zu erhöhen. Es gilt, der Marginalisierung Afrikas südlich der Sahara und einer weiteren Verschärfung des Wohlstandsgefälles in der Welt, die zu neuen Konflikten führen würde, gegenzusteuern. Es gilt, den Menschen Afrikas ein Leben in Würde zu ermöglichen und die Verwirklichung ihrer Rechte zu befördern.

Aktive Afrikapolitik begründet sich auch durch eine werteorientierte Außen- und Entwicklungspolitik. Deutsche Entwicklungspolitik ist der grenzüberschreitenden Förderung jener Werte verpflichtet, die die normative Basis eines demokratischen Staates bilden, d.h. Schutz der Menschenrechte, der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte; Gerechtigkeit und Grundbedürfnisbefriedigung; Frieden und Sicherheit. Afrika südlich der Sahara gilt es auf dem Weg zur Verwirklichung dieser Werte zu unterstützen. Deutschland sollte die Chance zu einer echten partnerschaftlichen Zusammenarbeit nutzen, die weit über eine - auch in Zukunft zweifelsohne wichtige - Unterstützung zur Bewältigung von Katastrophen und Krisen hinausgeht.

Auch der umfassenden Sicherheit wegen sind die afrikanischen Länder wichtige Partner Deutschlands. Ebenso wichtig wie die Unterstützung auf dem Weg aus der Armut zu wirtschaftlicher und politischer Stabilität ist die ökologische Stabilisierung. Die Abholzung tropischer Regenwaldgebiete in Afrika hat schon heute Rückwirkungen auf das Weltklima. Afrikanische Länder benötigen unsere Unterstützung, wenn die - größtenteils armutsbedingte - Umweltzerstörung gestoppt werden soll.

Gegenwärtig ist die Zusammenarbeit im Wirtschafts- und Handelsbereich mit Afrika südlich der Sahara noch schwach ausgeprägt. Die Region südliches Afrika zeigt jedoch, dass auch in Afrika attraktive Handelspartner zu gewinnen sind. Die Aussichten dafür sind umso besser, je eher es den Ländern - auch mit externer Unterstützung - gelingt, aus der Rolle der krisenanfälligen Rohstofflieferanten herauszuwachsen.

Ziele, Strategien und Mittelrahmen der Entwicklungspolitik

Ziel der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit Deutschlands mit Afrika südlich der Sahara ist die nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation der Menschen im Einklang mit den internationalen Entwicklungszielen. Die Bundesregierung hat auf dem Millenniumsgipfel in New York erneut ihre internationale Verantwortung bekräftigt. Deutsche Entwicklungspolitik mit Afrika südlich der Sahara ist daher u.a. den folgenden international vereinbarten Zielen verpflichtet:
  • Halbierung des Anteils der in absoluter Armut lebenden Menschen und der Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben bis 2015;
  • Universale Grundbildung für Jungen und Mädchen in allen Ländern bis 2015 und Überwindung der Geschlechterungleichheit in Grund- und Sekundarbildung bis 2005 als Beitrag zum "empowerment" von Frauen;
  • Senkung der Sterblichkeitsraten bei Säuglingen und Kindern unter 5 Jahren um zwei Drittel und Verringerung der Müttersterblichkeit um drei Viertel bis 2015;
  • Eindämmung der weiteren Ausbreitung von HIV/AIDS, Malaria und anderen Krankheiten bis 2015 und spezielle Unterstützung für AIDS-Waisen;
  • Umsetzung nationaler Strategien für eine nachhaltige Entwicklung in allen Ländern bis 2005.

Der Aktionsplan "Cities without Slums", der bis zum Jahre 2020 eine erhebliche Verbesserung der Lebensbedingungen für Slumbewohner zum Ziel hat, wird in Zukunft auch für Afrika südlich der Sahara an Bedeutung gewinnen.

Aufgrund der großen Unterschiede zwischen den afrikanischen Ländern gibt es keine "allein selig machende" Strategie zum Erfolg. Selbst in Regionen, in denen sich die Länder zu einer Entwicklungsgemeinschaft zusammengeschlossen haben, wie z.B. im südlichen Afrika in der Southern African Development Community, gibt es große Unterschiede zwischen den Ländern. Die Bedeutung einzelner Herausforderungen stellt sich beispielsweise für das Schwellenland Südafrika anders dar als in Simbabwe, in dem sich Konflikte krisenhaft verschärft haben. Im ressourcenarmen Binnenland Malawi stehen wiederum andere Probleme im Vordergrund. Dennoch gewinnt regionale Kooperation in Zukunft an Bedeutung. Für die Formulierung des Entwicklungsweges gilt es daher Dialogstrukturen für gegenseitiges Lernen zu etablieren und zwar sowohl zwischen Regierung und Gesellschaft innerhalb eines Landes als auch zwischen afrikanischen Ländern sowie zwischen afrikanischen Ländern, Geberländern und internationalen Institutionen.

Die deutsche Entwicklungspolitik unterstützt nachdrücklich den im Rahmen der internationalen Entschuldunginitiative gefassten Entschluss, dass von den HIPC-Ländern umfassende nationale Strategien zur Armutsminderung, unter Beteiligung der Zivilgesellschaft - und insbesondere auch von Frauen - erstellt werden, die die Grundlage für die Entschuldung, aber auch für alle Unterstützungsmaßnahmen der internationalen Gebergemeinschaft bilden sollen.

Aus dem vorgenannten ergeben sich die folgenden Prinzipien für die deutsche Politik:
  • Ausgangspunkt deutscher Unterstützung sind nationale Entwicklungsstrategien und -anstrengungen (in IDA-Ländern nationale Strategien zur Armutsminderung); dem Dialog und Austausch mit Staat (Regierung, Parlamente) und Gesellschaft (Nichtregierungsorganisationen, Frauen, Unternehmern) kommt eine zentrale Rolle zu. "Ownership", Partizipation, Transparenz und Partnerschaft sind für die Zusammenarbeit von zentraler Bedeutung.
  • Die deutsche Unterstützung ordnet sich gleichzeitig in den internationalen Kontext ein und orientiert sich an international vereinbarten Entwicklungszielen. Koordinierung und Abstimmung mit anderen Gebern sind dabei wesentliche Voraussetzung.
  • Die Wirksamkeit der Unterstützung wird erhöht durch Konzentration auf ausgewählte Kooperationsländer und die Fokussierung der Zusammenarbeit auf wenige Schwerpunkte.

Zusätzlich zur staatlichen Entwicklungszusammenarbeit ist die nichtstaatliche Entwicklungszusammenarbeit für Afrika südlich der Sahara von hoher Bedeutung. Gerade bei der Förderung demokratischer Strukturen, der Stärkung gesellschaftlicher Gruppen, der Dezentralisierung, der Konfliktschlichtung oder der Unterstützung sozialer Dienste leisten Nichtregierungsorganisationen eine wertvolle Arbeit. Eine sachgerechte Arbeitsteilung zwischen den Trägern staatlicher Entwicklungszusammenarbeit und Nichtregierungsorganisationen, wie den Kirchen, politischen Stiftungen und sonstigen privaten Trägern, hat sich bewährt und wird insbesondere bei der Unterstützung der Erstellung und Umsetzung der nationalen Strategien zur Armutsminderung fortgeführt werden.

Die bilaterale deutsche Entwicklungspolitik ist nicht isoliert zu sehen, vielmehr ist eine ganzheitliche Betrachtung der internationalen Unterstützungsleistungen erforderlich. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Politik der EU und der Weltbank, die von deutscher Seite aktiv gestaltet und mitfinanziert werden. Durch verbindliche Vereinbarungen zur Armutsbekämpfung, die Stärkung des politischen Dialogs, die Einigung auf eine verantwortungsbewußte Regierungsführung ("good governance"), die Errichtung WTO-konformer Handelsregelungen mit einem regionalen Ansatz, eine strategischere Ausrichtung und Konzentration auf prioritäre Bereiche sowie effizientere Finanzierungsinstrumente sollen zukünftig bessere Ergebnisse der Zusammenarbeit erzielt werden.

Bei einer Gesamtbetrachtung darf die in Köln 1999 beschlossene, erweiterte Entschuldungsinitiative für die ärmsten und höchstverschuldeten Länder mit einer Gesamtentlastung von 70 Mrd. US $ nicht fehlen. 30 afrikanische Länder können sich für diese Entschuldungsinitiative qualifizieren. Bis Ende Dezember 2000 ist für 22 hochverschuldete arme Länder in den Direktorien von Weltbank und IWF die Entscheidung über die Entschuldung im Volumen von ca. 34 Mrd. US-$ getroffen worden. 18 der Länder mit einem Entschuldungsvolumen von rd. 25 Mrd. US-$ liegen in Afrika (Benin, Burkina Faso, Gambia, Guinea, Guinea Bisseau, Kamerun, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Mosambik, Niger, Ruanda, Sambia, Sao Tomé und Principe, Senegal, Tansania, Uganda). Zusammen mit den sonstigen praktizierten bilateralen Schuldenerlassen des Pariser Clubs und dem angekündigten zusätzlichen Erlass von Schulden aus der Entwicklungszusammenarbeit wird sich der Schuldenstand dieser Länder insgesamt um ca. zwei Drittel reduzieren. In Verbindung mit den Armutsbekämpfungsstrategien der Länder kann der neue finanzielle Spielraum für Bildung und Gesundheit, Familienplanung und AIDS-Bekämpfung genutzt werden.

Handlungsebenen der Entwicklungspolitik

(1) Verbesserung der Regierungsführung, Stärkung der Demokratisierung und Dezentralisierung, Achtung der Menschenrechte

Entwicklungspolitik muss zur Bildung eines starken, leistungsfähigen und effizienten Staates und demokratischen Staates beitragen. Das bedeutet Befähigung des Staates, damit dieser seine Kernaufgaben wahrnehmen kann, wie z.B. Gewährung von Sicherheit, Schaffung von Rechtssicherheit und eines sozialen marktwirtschaftlichen Regelwerks sowie die Bereitstellung einer sozialen und physischen Basisinfrastruktur. Gleichzeitig müssen weitere Schritte in Richtung "good governance" und Demokratisierung ergriffen und unterstützt werden.

Es gibt zwar kein universal gültiges Demokratiemodell, aber in jeder Gesellschaft müssen die wesentlichen demokratischen Grundsätze der politischen Beteiligungsmöglichkeiten der Bevölkerung und der Schaffung von Rechtssicherheit sowie die Achtung der Menschenrechte gewährleistet werden. Die deutsche Entwicklungspolitik wird Maßnahmen zur Stärkung demokratischer Strukturen und repräsentativer Parlamente, zur Dezentralisierung und Selbstverwaltung sowie zur Stärkung der Zivilgesellschaft fortführen. Denn eine Gesellschaft, die es ihren Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, ihre Interessen zu artikulieren und in den politischen Prozess angemessen einzubringen, besitzt die besten Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben sowie eine nachhaltige und breitenwirksame Entwicklung. Hierzu gehört auch die Herausbildung einer freien Presse, einer unabhängigen Justiz und eines funktionierenden Rechtssystems, die Förderung von Menschenrechtsorganisationen sowie eine rechtsstaatliche Einbindung der Sicherheitsorgane. Demokratisierung heißt auch, die Verbesserung der Position der Frauen in der Gesellschaft, damit sie ihre Rechte wahrnehmen, ihre sexuelle Selbstbestimmung verwirklichen, sich zunehmend in politische und gesellschaftliche Prozesse einmischen und Entscheidungen mitbestimmen können ("empowerment").

Viele Konflikte in Afrika haben ihre Ursache darin, dass Eliten einzelner Minderheiten die Macht zum Nutzen ihrer Klientel ausnutzen und andere Ethnien ausschließen, benachteiligen und marginalisieren. Die ethnisch-klientelistische Politik hat wesentlich zur Verschärfung ethnischer Spannungen beigetragen. Die Dezentralisierung staatlicher Macht erlaubt die Erhaltung der Identität einzelner Ethnien und ihre verantwortliche Einbeziehung in die Gestaltung lokaler und regionaler Aufgaben. Dies kann beispielsweise in Gemeinderäten oder Dorfkomitees geschehen. Dezentralisierung und Selbstverwaltung erlauben Bürgerinnen und Bürgern mehr Mitwirkung und sind so Merkmale einer demokratisch organisierten Gesellschaft. Die Entwicklungszusammenarbeit unterstützt solche demokratischen Mechanismen.

(2) Krisenvorbeugung und Krisenfolgenbeseitigung

Innerer und äußerer Frieden bilden die Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung und Armutsminderung. Dabei gilt, dass Konflikte nur von den Gesellschaften selbst bewältigt werden können. Afrikanische Regionalorganisationen können jedoch ihre Rolle bei der Krisenvorbeugung und friedlichen Konfliktbearbeitung noch weiter ausbauen. Die internationale Gemeinschaft kann die nationalen und regionalen Bemühungen auf den unterschiedlichsten Ebenen unterstützen. Vor der Ausarbeitung von Ansätzen zur Konfliktvorbeugung, - lösung und -bewältigung muss jedoch eine Analyse ihrer Ursachen, einschließlich der eventuell von außen wirksamen Kräfte erfolgen. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wird daher auch auf ihre möglichen konfliktrelevanten Wirkungen überprüft.

Ungleicher Besitz und Zugang zu Ressourcen, wie z.B. fruchtbares Land oder Wasser, und Macht sind häufig Ursache von gewaltsamen Konflikten in Afrika. Hier kann das gesamte entwicklungspolitische Instrumentarium eingesetzt werden, um Ungleichheit zu verringern (z.B. durch Unterstützung von Landreformen), armutsorientiertes nachhaltiges Wachstum zu fördern und Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen, auch von Minderheiten, sicherzustellen. Sicherheitsvorsorge bedeutet, eine Entwicklungspolitik zu betreiben, die Konflikten vorbeugt, indem sie dem Übel entgegenwirkt, wo es entsteht. In diesem Sinne ist - wie die Weizsäcker-Kommission richtig feststellt - alle Entwicklungspolitik zugleich Sicherheitspolitik.

Entwicklungspolitik trägt zum einen dazu bei, Konfliktursachen zu mindern, sie stärkt andererseits die gesellschaftlichen Mechanismen und Kräfte, die den friedlichen Interessenausgleich fördern, u.a. durch den Aufbau von Dialogstrukturen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen und die Förderung friedensorientierter Kräfte ("Friedensallianzen"). Friedens- und Konfliktforschung müssen gestärkt, internationale Bildungspolitik, Auswärtige Kulturpolitik und Medienpolitik müssen auf den Abbau von Feindbildern, interkulturellen Dialog und friedliche Konfliktlösungsbemührungen ausgerichtet werden.

Ordnungskräfte haben eine wichtige Funktion zur Wahrung der inneren Sicherheit. In manchen Ländern sind Militär und Polizei jedoch eher Ursache gesellschaftlicher Instabilität: Nicht selten werden Menschenrechtsverletzungen gerade von Ordnungskräften begangen. Die Schulung von Militär und Polizei in Bürgerrechts- und Menschenrechtsfragen ist unabdingbar. Vor allem nach dem Ende von Bürgerkriegen besteht die Gefahr, dass sich ehemalige Angehörige der militärischen Bürgerkriegsparteien in bewaffnete Banden verwandeln, die die Stabilität des Friedens erneut gefährden. Ein wichtiger Bereich ist deshalb die Unterstützung der Demobilisierung von Soldaten und Kombattanten und ihre Reintegration in das zivile und wirtschaftliche Leben, z.B. durch Ausbildungsprogramme, beschäftigungsintensive Projekte und Kredite für Existenzgründungen.

Deutschland sollte neben der Unterstützung afrikanischer Vermittlungsbemühungen (z.B. Unterstützung eines speziellen Sekretariats der Intergovernmental Authority on Devolopment (IGAD) zur Konfliktbeilegung im Sudan durch deutsche Entwicklungszusammenarbeit), einer verstärkten EU-Diplomatie und der Initiativen im Rahmen der Vereinten Nationen stärker als in der Vergangenheit die Rolle eines ehrlichen Maklers zwischen Konfliktparteien übernehmen. Die Schaffung des Zivilen Friedensdienstes als gezieltes entwicklungspolitisches Instrument zur Versöhnung und Vermittlungsarbeit in den Partnerländern ist ein Gemeinschaftswerk zwischen staatlicher und nichtstaatlicher Seite. Die Mittel für den Zivilen Friedensdienst, der in Afrika gegenwärtig in Guinea Bisseau, Mosambik, Simbabwe, Sudan, Südafrika, Tschad und Uganda eingesetzt wird, sind deutlich gestiegen.

Aber die internationale Gemeinschaft kann noch mehr tun. Eine glaubwürdige Haltung in der Konfliktprävention- und -bewältigung erfordert die grundsätzliche Bereitschaft zur Entsendung von Friedensmissionen nach Afrika. Eine Optimierung des VN-Frühwarnsystems und Standby-Vereinbarungen mit den Mitgliedsstaaten könnten eine zügige Entsendung von Friedenstruppen unterstützen. Bislang haben mehr als 80 Länder - darunter auch Deutschland, bedauerlicherweise jedoch nicht die USA - angeboten, verbindlich und auf Dauer Truppenteile für Friedensmissionen als "stand-by-forces" bereitzuhalten. Die G8-Länder müssen bereit sein, friedenserhaltende - und ggfs. auch friedensschaffende - VN-Missionen finanziell und personell adäquat zu unterstützen. VN-Missionen müssen darüber hinaus mit einem angemessenen (ggfs. robusten) Mandat ausgestattet werden, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können. Internationale politische Initiativen, die die gewaltsame Austragung von Konflikten erschweren müssen fortgeführt und umgesetzt werden, wie z.B. die Antipersonenminenkonvention, die Bekämpfung der Anhäufung und Verbreitung von Kleinwaffen sowie die Zertifizierung von Diamanten. Die Industrieländer sind aufgefordert, ihre internationale Verantwortung wahrzunehmen und die Quellen der Kriegsfinanzierung zum Versiegen zu bringen.

Arme Bevölkerungsgruppen sind auch in Friedenszeiten extremen Risiken und Unsicherheiten ausgesetzt, die ihre Lebensgrundlage immer wieder in Frage stellen. Risikomanagement ist daher ein wesentliches Element armutsorientierter Politik. Diese muss sowohl Vorsorgemaßnahmen zum Abbau der Risiken als auch Sicherungsnetze zur Krisenbewältigung - auf Makroebene und auf individueller Ebene - umfassen (z.B. Arbeitsbeschaffungsmassnahmen, Krankenversicherung, Mikrofinanzierungsprogramme).

Zudem müssen die Voraussetzungen für schnelleres und effektiveres nichtmilitärisches Krisenmanagement der EU geschaffen werden. Das jüngste Beispiel zur Bewältigung der Flutkatastrophe in Mosambik zeigte, dass der gebündelte Einsatz von militärischen und nicht-militärischen Kräften, von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren schnelle und wirksame Hilfe bei der Linderung der humanitären Not und beim Wiederaufbau leisten kann. Zivile Krisenbewältigungskapazitäten müssen weiter ausgebaut werden. Nach dem Ende einer akuten Krise ist es Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit, den Übergang von der Überlebenshilfe zum Aufbau langfristiger Strukturen in Richtung auf einen nachhaltigen Entwicklungsprozess zu unterstützen.

(3) "Investitionen" in die Menschen und Förderung sozialer Grunddienste

Ohne entscheidende Fortschritte in diesem Bereich kann Armut nicht nachhaltig verringert werden. Afrika könnte die soziale Entwicklungskrise in einer Generation lösen, wenn die Ressourcen für Gesundheit und Bildung erhöht und - noch wichtiger - die verfügbaren Mittel so eingesetzt werden, dass das Angebot an Basisgesundheitsdiensten und Grundbildung wirksam verbessert und die Diskriminierung von Mädchen und Frauen abgebaut werden würde. Eine Dezentralisierung der staatlichen Dienstleistungen weg von schwachen zentralistischen Institutionen hin zu eigenverantwortlichen, lokalen Institutionen ist eine wichtige Voraussetzung zur Erhöhung der Wirksamkeit der Bildungs- und Gesundheitsausgaben. Entwicklungspolitische Maßnahmen in diesen Bereichen werden mit hoher Priorität unterstützt.

(4) Bekämpfung von HIV/AIDS

Im Gegensatz zu vielen anderen großen Gesundheitsproblemen wie Malaria oder Atemwegsinfektionen, ist AIDS eine Krankheit, gegen die man sich durch Verändern von Verhalten und Prävention (v.a. Benutzung von Kondomen) fast vollständig schützen kann. Doch wer in Armut lebt und keine Zukunftsperspektiven sieht, wer nicht weiß, wovon er morgen leben soll, kümmert sich heute nicht um Safer Sex.

Deshalb ist AIDS mehr als ein Gesundheitsproblem. Es ist ein soziales und politisches Problem. Der grassierende AIDS-Tod löst Familien auf, führt zu wirtschaftlichem Niedergang, zum Zusammenbruch staatlicher Strukturen. Letztlich ist AIDS daher ein Problem für Frieden und Sicherheit - nicht zufällig war diese Pandemie ein Thema für den UN-Sicherheitsrat

Weil AIDS ein alle Bereiche betreffendes Problem ist, ist der Kampf gegen AIDS auch eine Querschnittaufgabe der gesamten Entwicklungszusammenarbeit.

Und wir setzen uns dafür ein, dass das Tabu gebrochen wird, mit dem diese Krankheit in vielen afrikanischen Gesellschaften immer noch belegt ist. Auf allen Reisen appelliere ich an die politischen Führer in den betroffenen Ländern, dass sie Leadership zeigen. Denn Verschweigen der Krankheit, der Ansteckungswege und der Schutzmöglichkeiten heißt Tod.

Dabei zeigt sich: Es gibt überall dort Hoffnung und positive Veränderungen, wo die politische Führung das Schweigen bricht, wo Ursachen und Ausmaß von AIDS öffentlich gemacht werden, wo öffentliche Kampagnen zur Prävention eingeleitet werden. In Senegal und Uganda beispielsweise konnten so die Neuinfektionen drastisch reduziert werden.

Darüber hinaus wurde der Dialog und die Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft verstärkt mit dem Ziel, dass diese ihrer internationalen Verantwortung gerecht wird und Medikamente zur AIDS-Bekämpfung in Entwicklungsländer kostenlos abgibt. Außerdem werden verstärkt Entwicklungspartnerschaften zwischen der deutschen Wirtschaft und der deutschen Entwicklungszusammenarbeit gebildet. Die Partnerländer werden beim Aufbau leistungsfähiger Gesundheitssysteme und bei der Qualifizierung des Gesundheitspersonals unterstützt. Jeder Partner engagiert sich auf dem Gebiet, auf dem er besonders kompetent ist, für das gemeinsame Ziel: Kampf gegen AIDS.

Zur gezielten Bekämpfung der weiteren Ausbreitung von HIV/AIDS werden u.a. "social marketing"-Projekte, d.h. die subventionierte und damit soziale Vermarktung von Kondomen, gefördert.

Aus den vielen internationalen Initiativen, die von Deutschland mitgetragen werden, ist die aktive Unterstützung der "Internationalen Partnerschaft gegen AIDS in Afrika" hervorzuheben.

(5) Stärkung der wirtschaftlichen Leistungskraft, Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit und Diversifizierung der Ökonomien

Hohe Kosten und Risiken belasten wirtschaftliche Aktivitäten und verhindern Investitionen afrikanischer wie ausländischer Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen, die notwendig sind für ein armutsorientiertes Wachstum. Trotz der bisher eingeleiteten wirtschaftlichen Reformprozesse sind weitere umfassende Reformen notwendig, die u.a. zur Verringerung der Bürokratie und Korruption, zur Verbesserung der Infrastruktur sowie zu einem erhöhten Zugang zu Finanzdienstleistungen und Informationen beitragen. Dabei müssen lokale Institutionen und der private Sektor gestärkt werden. Deutsche Entwicklungszusammenarbeit kann die Partnerländern in all den genannten Bereichen unterstützen. Zunehmend an Bedeutung wird dabei die Zusammenarbeit mit der verfassten Wirtschaft und die Unterstützung im Rahmen des Programms "Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft/PPP" erhalten. Dabei kommt es darauf an, dass nicht nur moderne städtische Inseln geschaffen werden, die zwar in den Weltmarkt integriert werden, aber keine Verknüpfung zum Hinterland haben. Vielmehr müssen eine breitenwirksame Entwicklung angestoßen und Ungleichheiten abgebaut werden. Es müssen gleichzeitig wirtschaftliche Möglichkeiten verbessert ("opportunity") und die Risikobelastung, v.a. von armen Bevölkerungsgruppen, verringert werden ("security").

Das trifft ganz besonders für den Anpassungsprozess im Agrarsektor zu. Da in Afrika südlich der Sahara noch zwei Drittel der Bevölkerung im ländlichen Raum lebt kommt der ländlichen Entwicklung, der Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität und der Schaffung von Arbeitsplätzen in vor- und nachgelagerten Bereichen der Landwirtschaft hohe Bedeutung zu. Aufgrund der jahrhundertlangen Ausbeutung der Landwirtschaft ist diese immer noch unterkapitalisiert. Ein Ausbau der ländlichen Finanzdienstleistungen ist daher dringend erforderlich. Ein höherer Anteil der öffentlichen Ausgaben muss in ländliche Gebiete fließen. Die Reformen der vorherrschenden Agrarverfassungen müssen gefördert und unterstützt werden, um ein Maximum der Potentiale der ländlichen Bevölkerung zu mobilisieren. Bei der angestrebten Steigerung und Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion ist auf die ökologische Verträglichkeit zu achten. Frauen haben in Afrika erheblichen Anteil daran, das Überleben der Familien zu sichern, Einkommen zu erwirtschaften und den Entwicklungsprozess zu beschleunigen. Frauen und Männer müssen daher gleichberechtigt Einfluss auf die Gestaltung von Entwicklungsvorhaben nehmen und daraus Nutzen ziehen.

Afrikanischen Staaten muss die Möglichkeit gegeben werden, die Chancen, die der Weltmarkt bietet, zu nutzen. Dabei kann es aber nicht darum gehen, die Handelsliberalisierung blindlings voranzutreiben. In vielen afrikanischen Ländern müssen die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Weltmarktintegration erst geschaffen werden. Deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt daher interne Strukturveränderungen und den Aufbau geeigneter Institutionen, damit Handelschancen auch wahrgenommen werden können. Partnerländer werden außerdem dabei unterstützt, dass sie ihre legitimen Interessen in den Verhandlungsprozess der WTO einbringen können, d.h. u.a. auch die Öffnung der OECD-Märkte für landwirtschaftliche Produkte und der Abbau von Exportsubventionen der Industrieländer.

(6) Erhalt und nachhaltige Nutzung natürlicher Lebensgrundlagen

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser und der Erhalt von fruchtbarem Ackerland, Weideland und Wald sind zentrale Punkte für eine nachhaltige armutsmindernde Entwicklung in Afrika. In einigen Ländern führte fortschreitende Degradation landwirtschaftlicher Böden und von Weideland zu einer dramatischen Verringerung landwirtschaftlicher Nutzfläche pro Kopf. Angepasste nachhaltige Bewirtschaftungsformen und die Umsetzung der VN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung und zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit in Trockenzonen - neben den Konventionen zum Klimaschutz und zur Erhaltung der Artenvielfalt eine der drei internationalen Vertragswerke des Rio-Prozesses - haben daher für Afrika hohe Priorität. Das Sekretariat der Konvention hat 1999 seine Arbeit in Bonn aufgenommen und wir von der Bundesregierung besonders unterstützt. Der Afrika-Annex dieser Konvention bietet einen klaren Bezugsrahmen für alle bilateralen Maßnahmen.

Rund 300 Millionen Afrikaner/-innen leben in einer wasserknappen Umgebung. Wasser ist knapp, ungleich verteilt und ökologisch gefährdet. Neben der täglichen Gefährdung durch verschmutztes Trinkwasser besteht die Gefahr von Dürrekatastrophen und von internen und internationalen Konflikten. Grenzüberschreitender Zusammenarbeit zur Bewirtschaftung der knappen Ressource kommt daher in Zukunft ebenso große Bedeutung zu wie der Unterstützung von Vorhaben, die der gesamten Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser und eine hygienische Abwasserentsorgung ermöglichen.

Die fragilen afrikanischen Ökosysteme erfordern darüber hinaus in besonderem Maße die Erhaltung tropischer Regenwälder. Da die Zerstörung häufig armutsbedingte Ursachen hat und auf Energiemangel zurückgeht, ist es wesentlich, dass in den Strategien zur Armutsminderung die Prinzipien nachhaltiger Entwicklung verankert werden und die Ressourcenbasis auch für zukünftige Generationen erhalten bleibt.

(7) Stärkung der Position von Frauen

In Afrika sind Frauen von Armut und Benachteiligung besonders betroffen. Die Rolle von Frauen in der Zivilgesellschaft, ihre zentrale Rolle für Frieden und Entwicklung in Afrika kann nicht genug betont werden. Während sie einen Großteil der Verantwortung und Arbeitsbelastung für das Überleben der Familien tragen, haben sie häufige keinen eigenständigen Zugang zu produktiven Ressourcen oder Einkommen und werden an politischen Entscheidungsprozessen nicht beteiligt. Es ist an der Zeit, Initiativen und Politiken, die die Verbesserung der Position von Frauen in der Gesellschaft und die Verwirklichung ihrer Rechte zum Ziel haben, zu ermutigen und systematisch zu unterstützen. Frauen müssen die Möglichkeit bekommen, selbständig Einkommen zu erwirtschaften, damit sie ihre eigenen Grundbedürfnisse sowie die ihrer Kinder besser erfüllen können. Sie müssen sich zunehmend in politische und gesellschaftliche Prozesse einmischen und Entscheidungen mitbestimmen können. Diesem Anliegen tragen wir im Rahmen unserer entwicklungspolitischen Arbeit Rechnung, z.B. durch Unterstützung von Vorhaben zur Rechtsberatung von Frauen.

Während der Sondergeneralversammlung "Peking + 5" haben wir gemeinsam mit unseren Partnern aus der EU die Verurteilung aller Formen der Gewalt gegen Frauen erreicht. Es wurde erneut bestätigt, dass es für weibliche Genitalverstümmlung keine Rechtfertigung gibt. Andere Gewalttaten gegen Frauen wurden erstmals als Menschenrechtsverletzungen verurteilt. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt Regierungen und Frauen-Initiativen die entschlossen die Genitalverstümmelung bekämpfen.

(8) Regionale Kooperation

Die Förderung der von afrikanischen Staaten selbst angestrebten stärkeren regionalen Zusammenarbeit ist für dauerhaften Frieden und nachhaltige Entwicklung in Afrika von hoher Bedeutung. Regionalintegration schafft ökonomische, politische und kulturelle grenzüberschreitende Interessen, die auch das Interesse an einem friedlichen Miteinander stärken. Angesichts kleiner Märkte in vielen Ländern kommt der regionalen Zusammenarbeit und wirtschaftlichen Integration eine hohe Bedeutung für die zukünftige Entwicklung zu. Regionale Integration verbessert Standortfaktoren für Investitionen und Handel. Dies wird gerade im Zuge fortschreitender Globalisierung immer wichtiger. Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und Nutzung knapper Ressourcen, wie z.B. Wasser, kann nur im regionalen Kontext friedlich und dauerhaft geregelt werden. Internationale Übereinkommen, wie z.B. die UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung, können sinnvoll und nachhaltig nur durch Erfahrungsaustausch und gemeinsame Anstrengungen der betroffenen Staaten, wie z.B. der Sahel-Staaten, umgesetzt werden.

Unsere Entwicklungspolitik unterstützt die Regionalorganisationen beim Ausbau ihrer Kapazitäten zur ökonomischen und ökologischen Kooperation sowie zur langfristigen Krisenvorbeugung und friedlichen Konfliktbearbeitung zu unterstützen.

Schlussbetrachtung

Entwicklung heisst nicht, dass wir Entwicklungsrezepte exportieren. Entwicklung findet dann statt, wenn die Handlungsmöglichkeiten aller Bevölkerungsgruppen - auch und insbesondere von Frauen - erhöht werden, damit diese selbstbestimmt ihre Lebenssituation verbessern können. Nur in offenen Gesellschaften ist dies wirklich möglich. Die deutsche Entwicklungspolitik genießt in Afrika ein hohes Ansehen. Die Menschen erwarten von uns, dass wir ihre Eigenanstrengungen unterstützten. Wir sind gefordert, nationale und internationale Rahmenbedingungen so zu beeinflussen, dass eine menschliche, friedliche und gerechte Entwicklung auch für die Menschen in Afrika südlich der Sahara möglich wird.

Quelle: Homepage des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Auch abgedruckt in der Zeitschrift E+Z, Jahrg. 42, Heft 5/2001.

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