Russland kehrt nach Afrika zurück
Medwedjew besuchte "alte Freunde"
Von Hans-Georg Schleicher *
Mit einem viertägigen Besuch seines Präsidenten meldete sich Russland in der vergangenen Woche
zurück in Afrika. Dmitri Medwedjew unterstrich mit seiner Reise nach Ägypten, Nigeria, Namibia und
Angola Moskaus Anspruch als Weltmacht.
Russlands Botschafter in Namibia hatte vor dem Besuch seines Präsidenten erklärt, man komme
zurück zu alten Freunden in Afrika. In Angola dankte Präsident José Eduardo dos Santos, der einst
selbst in der Sowjetunion studiert hatte, für die Hilfe im Befreiungs- und im Bürgerkrieg. Vor
Jahrzehnten war Afrika für die Sowjetunion, die nationale Befreiungsbewegungen und nach
Unabhängigkeit strebende Staaten unterstützte, eine wichtige Arena des Kräftemessens im Kalten
Krieg. Um so mehr überraschte bereits vor dem Zerfall der UdSSR und erst recht danach das
plötzliche Desinteresse der Moskauer Führung an Afrika. Als Nelson Mandela die westliche Welt
bereiste, lud Russland 1992 ausgerechnet Südafrikas noch amtierenden Präsidenten Frederik
Willem de Klerk zum Staatsbesuch ein. Es sah aus, als ob Russland das Erbe der sowjetischen
Afrika-Politik ausschlagen wolle.
Das hat sich inzwischen geändert. 2006 demonstrierte Wladimir Putin mit Besuchen in Südafrika
und Marokko neue Ambitionen in Afrika. Medwedjew schloss sich nun an. Wirtschaftsexperten
dominierten in seiner 400-köpfigen Begleitung. Russland offerierte sein Exportpotenzial vor allem bei
der Erschließung und Nutzung von Energieressourcen einschließlich der Nukleartechnologie. In
Nigeria und Angola – Afrikas wichtigsten Erdölproduzenten – ging es vorrangig um Energiefragen.
Es kam Russlands globalen Ambitionen entgegen, dass Angolas Präsident dos Santos, derzeit
Vorsitzender der OPEC, Interesse an Medwedjews Vorschlägen für neue Regeln auf dem
Weltenergiemarkt bekundete, wo Moskau auch mit Nigeria zusammenarbeiten will. Russland
vereinbarte Abkommen über langjährige Wirtschaftszusammenarbeit mit Ägypten und Angola sowie
Kooperation im All mit Angola und Nigeria. Mit Ägypten soll die Zusammenarbeit in der
Nukleartechnologie verstärkt werden. Russische Energieunternehmen verhandelten mit staatlichen
Öl- und Energieunternehmen in Nigeria, Namibia und Angola über die Erschließung und Nutzung
von Energiereserven, sagten Investitionen zu und vereinbarten konkrete Projekte. Gasprom
vereinbarte in Nigeria ein Gemeinschaftsunternehmen für den Bau von Gaspipelines, aber auch zur
Nutzung von Nuklearenergie. In Angola und Namibia ging es zudem um Diamanten.
Groß war die Palette der Diskussionsthemen in Namibia – neben Erdgas, Diamanten und Uran
standen Bildung, Gesundheit, Tourismus, der Bau eines Kraftwerks, und Kooperation im
Fischereisektor auf der Tagesordnung. Ein Investitionsschutzabkommen verbessert die Grundlagen
der Zusammenarbeit.
Russische Wirtschaftsexperten machten keinen Hehl daraus, dass diese Afrikareise dem
wachsenden Einfluss des Westens und Chinas auf den Märkten Afrikas entgegenwirken sollte. Noch
ist der Nachholbedarf Russlands gegenüber westlichen und chinesischen Investoren gewaltig.
Angola beispielsweise ist heute bereits Chinas größter Öllieferant. Das russische Interesse an neuen
Projekten ist daher groß. Dazu gehört der Bau einer transsaharischen Pipeline für nigerianische
Gaslieferungen nach Europa – ein lukratives und für Russland strategisch interessantes Projekt.
Medwedjew bereiste Afrika zu einer Zeit, da Russland kurz vor dem Besuch Barack Obamas seine
globale strategische Rolle unterstreichen will. Auch wenn die russische Seite wirtschaftliche Aspekte
der Reise in den Vordergrund stellte, war die politische Dimension unübersehbar Medwedjew spielte
die politische Karte, als er auf das sowjetische Erbe in den Beziehungen zu Staaten wie Angola und
Namibia zurückgriff und den Afrikanern politische Unterstützung auf internationaler Ebene zusagte.
Angesichts der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wird auch in Afrika mit Interesse zur
Kenntnis genommen, dass dort dem Westen neben China ein neuer Konkurrent erwachsen ist – wie
eine namibische Tageszeitung kommentierte: Jetzt ist Russland zurück in Afrika.
* Aus: Neues Deutschland, 1. Juli 2009
Weitere Meldungen
Russland und Angola bauen ihre Partnerschaft aus
LUANDA, 26. Juni (RIA Novosti). Die Präsidenten von Russland und Angola, Dmitri Medwedew und Jose Eduardo dos Santos, haben am Freitag in einem gemeinsamen Kommuniqué ihre Absicht bekräftigt, „die bilaterale Partnerschaft und die Koordinierung der Handlungen auf dem internationalen Schauplatz auszubauen“.
In dem Dokument wird unter anderem darauf verwiesen, dass Russland seine Investitionen in Großprojekte in Angola, bei der Gewinnung von Bodenschätzen, beim Bau von Wasserkraftwerken und im Bereich der Weltraumverbindung ausweiten will.
Medwedew lud dos Santos nach Russland ein. Der Besuchstermin soll zu einem späteren Zeitpunkt über diplomatische Kanäle festgelegt werden.
Medwedew von Afrika-Reise zurückgekehrt
SOTSCHI, 27. Juni (RIA Novosti). Der russische Präsident Dmitri Medwedew hat nach seiner ersten Afrika-Tour nach Russland zurückgekehrt.
Während der fünftägigen Reise, bei der er Ägypten, Nigeria, Namibia und Angola besuchte, kündigte Medwedew eine Wiederbelebung der Beziehungen Russlands mit dem afrikanischen Kontinent an. „Wir werden eine freundliche und pragmatische Politik betreiben.“
Bei seinen Verhandlungen mit afrikanischen Politikern wurden Gemeinschaftsprojekte, angefangen bei der militärischen Kooperation bis hin zu gemeinsamen Satellitenstarts erörtert. Führende russische Unternehmen schlossen Verträge in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar ab. Afrika stehe derzeit im Mittelpunkt des Interesses, dort seien die wichtigsten internationalen Akteure tätig, konstatierte Medwedew. Nach seinen Worten leitet nun auch Russland, wenn auch etwas verspätet, eine Zusammenarbeit mit afrikanischen Staaten in die Wege.
Beide Meldungen: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, http://de.rian.ru
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