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Streit um Land

Südliches Afrika: Debatte auf SADC-Gipfel um Bodenreform

Von Fidelis Zvomuya (IPS), Raffingora/Simbabwe und Gloria Fernandez *

Die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (SADC) nahm sich auf ihrem Gipfel zu Wochenbeginn in der namibischen Hauptstadt Windhoek eines für die ganze Region brisanten Themas an: der Landreform. Am Ende einigten sich die zur Zeit 14 Mitgliedsstaaten darauf, die Entscheidung um sechs Monate zu vertagen. Den Anlaß der Debatte bildete das Urteil eines SADC-Tribunals, das Simbabwe 2008 dazu verurteilt hatte, den Enteignungsbeschluß gegen 78 weiße Farmer rückgängig zu machen. Simbabwe hatte sich geweigert.

Nunmehr, so SADC-Generalsekretär Joao Samuel Caholo am Dienstag, solle erneut über die Frage beraten werden. Eine »Expertenrunde« werde »unterschiedliche Interpretationen« behandeln. Dabei geht es zunächst um formale Fragen: Die Regierung in Harare bringt vor, der Schaffung des Tribunals nicht zugestimmt zu haben und insofern auch dessen Urteile nicht folgen zu müssen. Dagegen steht die Auffassung, daß die SADC-Mitgliedschaft die Anerkennung des Tribunals einschließt.

Simbabwes Präsident Robert Mugabe hatte vor zehn Jahren eine Landreform durchgesetzt, nachdem es auf Commonwealth-Ebene unter Führung der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien keine Verständigung in der Frage einer gerechten Aufteilung des Bodens gegeben hatte. Seit der Unabhängigkeit Südrhodesiens 1980 hatten die von London unterstützten Siedler und die damalige britische Regierung unter Margaret Thatcher sowie deren Nachfolger jegliche Lösungswege blockiert.

Nach der Jahrtausendwende dann verloren etwa 4000 weiße Farmer ihren Großgrundbesitz. Es handelte sich dabei um die umfangreichste Umverteilung von Land, die es je in der Geschichte des südlichen Afrikas gegeben hat. Ehemalige Freiheitskämpfer wurden damit beauftragt, beschlagnahmte Ländereien zu beaufsichtigen. Dörfer wurden aufgebaut, um die Landbesetzer zu beherbergen.

Trotzdem kam es in Simbabwe im Folgejahrzehnt zu Mangelsituationen, hervorgerufen unter anderem durch rasant sinkende Erträge in der Landwirtschaft. In einer jüngst von der Vereinigung von Agrar-Gewerkschaften im südlichen Afrika (SACAU) herausgegebenen Studie wird demzufolge geschlußfolgert, daß Versuche zur Landreform im südlichen Afrika fast immer »mißglückt« seien. Insbesondere sei dies in Simbabwe, aber auch in Südafrika zu beobachten. Die Hauptursache ist der Untersuchung zufolge fehlende finanzielle staatliche Unterstützung. Konflikte aufgrund mangelnder Ressourcen seien häufig die Folge.

»Als ich hierher kam, hatte ich keinen Pfennig in der Tasche«, sagt beispielsweise Mavis Muchena, der zu den hundert Besetzern der Yomba-Farm in der Nähe der Stadt Raffingora, 150 Kilometer nordwestlich Harares, gehört. »Ich wollte ein neues Leben beginnen. Die Regierung hatte uns finanzielle Unterstützung versprochen, und wir sollten auch Traktoren bekommen. Aber bis heute ist nichts passiert.«

Muchena gehören rund 40 Hektar der Yomba-Farm. Sie bewirtschaftet nicht einmal zehn Prozent des Grund und Bodens, das ihr die Regierung nach der Besetzung offiziell zugesprochen hat. Auf rund vier Hektar pflanzt Muchena Baumwolle, Mais, Soja, Sonnenblumen und Erdnüsse an. »Ich habe keine Maschinen, kein Geld, keinen Dünger. Ich kann das Land nicht bewässern und habe nicht einmal genügend Saatgut für die 40 Hektar, die ich besitze«, sagt Muchena.

Daß die Landreform in Simbabwe nicht vorankommt, liegt vor allem daran, daß ein vernünftiges Management fehlt, ist Sam Moyo, Direktor des Afrikanischen Instituts für Agrarstudien in Simbabwe, überzeugt. Es habe kaum zentrale Planung im vorhinein gegeben, und auch eine Unterstützung nach der Landnahme sei weitgehend ausgeblieben. Zudem habe eine fatale Dürre das Land ungefähr zur gleichen Zeit heimgesucht.

»Simbabwe steht nicht allein da. Auch das aktuelle südafrikanische Modell zur Landreform ist nicht nachhaltig«, sagt Moyo. Bereits 1994 versprach die neue Regierung der Befreiungsbewegung ANC eine Landumverteilung, in deren Folge bis 2014 30 Prozent der Farmen im Besitz von Weißen an Schwarze transferiert werden sollten. Weiße Farmer haben dem Wissenschaftler zufolge allerdings die Preise für ihre Grundstücke künstlich in die Höhe getrieben. »16 Jahre nach Beginn der Reform sind nicht einmal vier Prozent überführt worden.«

* Aus: junge Welt, 19. August 2010


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