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Krisen überschatten afrikanischen Gipfel

Südsudan-Abspaltung ermutigt Separatisten

Von Armin Osmanovic *

In Addis Abeba ging am Montag der zweitägige Gipfel der Afrikanischen Union zu Ende. Die afrikanischen Krisen in Ägypten, Tunesien und Côte d'Ivoire und das Votum für die Unabhängigkeit Südsudans haben das Gipfeltreffen der afrikanischen Staats- und Regierungschefs bestimmt.

Afrika ist in Bewegung. Angesichts der Ereignisse in Tunis und Kairo haben sich etliche Politiker und Beobachter in Äthiopiens Hauptstadt während der beiden Gipfeltage gefragt, welcher afrikanische Staatschef der nächste sein wird, der fällt und beim kommenden AU-Gipfel nicht mehr am gemeinsamen Tisch Platz nehmen wird.

Die Welle der Proteste gegen die autoritären afrikanischen Regimes könnte nach Süden rollen und Omar al-Baschir in Khartum hinwegfegen. Am Sonntag kam es in der sudanesischen Hauptstadt und anderen Städten zu Demonstrationen von Jugendlichen, die durch die Entwicklungen in Tunesien und Ägypten offenbar ermutigt wurden, gegen die eigene autoritäre Regierung zu rebellieren.

Nach Angaben der Polizei wurden etwa 70 Personen festgenommen. Jugendgruppen, die die Proteste organisiert hatten, haben für den 3. Februar zu weiteren Demonstrationen aufgerufen. Wie in Tunesien und Ägypten spielten Online-Medien wie Facebook eine große Rolle bei der Organisation der Demonstrationen, die bislang vor allem von den Universitätsstudenten ausgehen.

Sudans Omar al-Baschir könnte in der Tat der nächste afrikanische Staatschef sein, der vom Volk weggefegt wird. Die Regierung in Khartum verliert durch die Unabhängigkeit des Südens einen Teil der Einnahmen aus dem Erdölexport und damit eine wichtige finanzielle Stütze. Sudans Währung steht zudem seit einiger Zeit unter Druck. Dadurch verteuern sich die Importe, vor allem auch die Lebensmittel, deren Preise infolge großer weltweiter Nachfrage sowieso steigen. Sollte sich die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung verschlechtern, könnte der Unmut über die Regierenden in Khartum wachsen.

Autoritäre Regime gibt es in Afrika aber nicht nur im arabisch geprägten Norden. Und mit dem Staat unzufriedene Jugendliche findet man bis hinunter ans Kap. Überall werden die Ereignisse interessiert verfolgt, nicht zuletzt dort, wo dieses Jahr, wie in Simbabwe, Wahlen anstehen und die Bevölkerung unter Unfreiheit und Mangel leidet.

Der in Addis Abeba neu gewählte AU-Vorsitzende, Äquatorialguineas Präsident Teodoro Obiang Nguema, kam 1979 nach einem blutigen Putsch, bei dem er seinen Onkel tötete, an die Macht. »Demokratie und Menschenrechte«, seien wichtig für den afrikanischen Kontinent, sagte er, müssten aber »an die afrikanische Kultur angepasst werden«. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erinnerte die versammelten afrikanischen Staatschefs denn auch daran, dass sie aufmerksam die Wünsche ihrer Bevölkerung beachten sollten.

Im Schatten der turbulenten Ereignisse in Nordafrika und der ungelösten Frage, wer in Zukunft Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) regieren wird, diskutiert Afrika über die Auswirkungen der Unabhängigkeit Südsudans auf andere Separationsbestrebungen.

Separatisten gibt es in Afrika nämlich zuhauf. Somaliland und Puntland sind so gut wie abgetrennt vom zerrissenen Somalia. Die Westsahara strebt seit Jahren gegen den Widerstand Marokkos nach Unabhängigkeit und in Nigeria, das schon früh einen blutigen Sezessionsversuch in Biafra (1967-70) erlebt hat, kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen islamisch geprägtem Norden und christlich geprägtem Süden. Aber auch in Kamerun schauen im englischsprachigen Teil des Landes einige gespannt nach Sudan. Viele weitere Fälle von der Demokratischen Republik Kongo bis zur kleinen komorischen Insel Anjoun wären zu nennen. So könnte neben dem Willen zur Freiheit, wie er sich in Nordafrika zeigt, auch die regionale Selbstbestimmung zu neuen Konflikten in Afrika führen.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Februar 2011


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