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In Albanien zeichnet sich Regierungswechsel ab

Acht Jahre Berisha-Herrschaft gehen zu Ende

Von Detlef D. Pries *

Das Endergebnis der Parlamentswahlen in Albanien ließ am Montagnachmittag noch auf sich warten, doch Hochrechnungen deuteten auf einen Sieg des Mitte-Links-Bündnisses und ein Ende der Regierung unter dem konservativen Sali Berisha.

Zwei heftig verfeindete Bündnisse standen sich bei diesen Wahlen gegenüber: die Allianz für Arbeit, Wohlfahrt und Integration auf der einen, die Allianz für ein europäisches Albanien auf der anderen Seite. Zwar vereinigten die beiden Blöcke mit den verheißungsvollen Namen insgesamt 62 Parteien, doch geführt und beherrscht werden sie von zwei Parteien, die Albanien bereits seit gut 20 Jahren abwechselnd regieren, ohne dass sie das Land vom Ende der europäischen Entwicklungsstatistiken fortbewegt hätten: Die einen behaupten, Demokraten zu sein, die anderen nennen sich Sozialisten. Ehemalige Mitglieder von Enver Hoxhas Partei der Arbeit Albaniens findet man in beiden Lagern.

Seit 2005 regierte die Demokratische Partei, an deren Spitze seit ihrer Gründung 1990 Sali Berisha (68) steht, der 1992 bis 1997 auch schon Staatspräsident war. Die Sozialistische Partei, die zwischen 1997 und 2005 die Regierung anführte, wird seit ihrer damaligen Wahlniederlage von Edi Rama geführt, einem Maler, der als Oberbürgermeister von Tirana bekannt wurde. Und die Hochrechnungen sprechen dafür, dass er Berisha als Ministerpräsident ablösen wird. Eine Berechnung auf der Grundlage von 20 Prozent der ausgezählten Wahlurnen ergab für den Block der Sozialisten bis zu 84 der 140 Parlamentssitze, meldete der Fernsehsender Top Channel am Montag. Andere Medien sprachen dem Mitte-Links-Bündnis 82 Sitze zu. Der Rechtsblock unter Berisha käme danach auf 56 bis 58 Sitze und würde auf die Oppositionsbänke verbannt.

Noch am Wahlabend hatte Berisha getönt, er sei überzeugt vom »großen Sieg« seiner Partei. Dem Vertreter des Europäischren Parlaments soll er jedoch versprochen haben, das Wahlergebnis anzuerkennen. Das wäre insofern ungewöhnlich, als Konflikte um das Resultat bisher noch fast jede albanische Wahl überschatteten. 1997 kam es sogar zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Lagern, nach der Wahl 2009 boykottierten die mutmaßlich Betrogenen monatelang das Parlament. Zahlreiche Unregelmäßigkeiten wurden auch diesmal registriert, was angesichts des schmutzigen Wahlkampfes, in dem nahezu täglich neue Skandale aufgekocht wurden, nicht überraschte.

Wie wenig der Streit ihrer »Elite« die Regierten berührt, zeigt die Wahlbeteiligung: Lediglich 53 Prozent der 3,3 Millionen Berechtigten bemühten sich an die Wahlurnen. Die Sorgen der Bevölkerung sind andere: Die tatsächliche Arbeitslosigkeitsrate liegt weit über den offiziell angegebenen 13 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit wird gar auf 60 Prozent geschätzt – und Albanien hat eine junge Bevölkerung, das Durchschnittsalter liegt bei etwa 30 Jahren.

Ob das Land, wie der ehemalige slowakische Außenminister Eduard Kukan meinte, mit diesen Wahlen tatsächlich einen Schritt in Richtung EU getan hat, bleibt abzuwarten. Bisher hatte die EU Albanien den offiziellen Kandidatenstatus unter Hinweis auf fehlende Fortschritte im Kampf gegen die Korruption und in der Rechtsstaatsentwicklung bereits mehrfach verweigert.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 25. Juni 2013


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