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"Das war Krieg"

Togos Nationalelf nach tödlichem Anschlag in Angola vom Afrika-Cup zurückbeordert

Von Jens Walther *

Wenige Stunden vor Beginn des Afrika-Cups ist Togos Nationalteam am Sonntag vom Regierungschef des Landes, Gilbert Houngbo, zurückbeordert worden. Die Mannschaft war bei der Anreise zum Turnier am Freitag (8. Jan.) von Separatisten der »Befreiungsfront der Exklave Cabinda« (FLEC) mit Maschinengewehren angegriffen worden. Der Anschlag forderte zwei Todesopfer. Am Sonntag (10. Jan.) sprachen sich die Spieler trotzdem für eine Turnierteilnahme aus.

»Wir verstehen die Haltung der Spieler, die in irgendeiner Weise ihre getöteten Kollegen rächen wollen«, sagte Houngbo. Es wäre aber »unverantwortlich«, sie beim Kontinentalcup antreten zu lassen. »Die Mannschaft muß nach Hause kommen.« Heute (11. Jan.) beginnt in Togo eine dreitägige Staatstrauer.

Kurz nach dem Grenzübertritt gerieten die zwei Mannschaftsbusse am Freitag in der angolanischen Provinz Cabinda in den Kugelhagel. »Wir waren gerade zehn Minuten hinter der angolanischen Grenze«, erklärte Assimiou Toure, Verteidiger bei Bayer Leverku­sen. »Den ersten Bus haben sie völlig durchsiebt. Die dachten wohl, daß wir da drin saßen. Aber da war nur das Gepäck.«

Vom eigentlichen Mannschaftsbus sei vor allem der vordere Teil unter Beschuß geraten. »Der Fahrer und einige andere wurden im Unterleib getroffen oder bekamen Kugeln in die Waden. Sie wurden operiert, liegen auf der Intensivstation.« Eine militärische Eskorte habe das Feuer erwidert und Verstärkung angefordert. »Wenn die Armee nicht gewesen wäre, wären wir jetzt alle nicht mehr am Leben.«

Gegen vier Uhr des nächsten Morgens erlagen Assistenztrainer Abolo Amelete und Pressesprecher Stanislas Ocloo ihren Verletzungen. Der Busfahrer schwebte am Sonntag noch in Lebensgefahr. Sechs weitere Mitglieder der Delegation, darunter drei Nationalspieler, wurden zum Teil schwer verletzt. Der Torwart Kodjovi Obilalé wurde am Unterleib und an den Nieren getroffen und zur Operation nach Johannesburg (Südafrika) gebracht.

»Wir wurden beschossen wie Hunde«, sagte sein Teamkollege Thomas Dossevi. »Alle versteckten sich 20 Minuten lang unter den Sitzen.« Der Stürmer Emmanuel Adebayor, Afrikas Fußballer des Jahres 2008, begründete seine unverzügliche Abreise am Samstag unter Tränen damit, daß er gesehen hatte, »wie ein Mitspieler mit einer Kugel im Körper schrie, dann bewußtlos wurde und das alles. Ich glaube, daß viele Spieler abreisen wollen.«

Der Nationaltrainer, der Franzose Hubert Velud, der mit einem Streifschuß am Arm davongekommen war, erhob schwere Vorwürfe gegen das angolanische Organisationskomitee, das eine Absage des Turniers nie auch nur erwog: »Das war Krieg. Die Organisatoren scheinen das nicht ernst zu nehmen.« Der afrikanische Verband CAF hatte am Freitag tatsächlich verlautbaren lassen, ein geplatzter Reifen habe die Spieler verängstigt.

Als diese Darstellung sich als unhaltbar herausstellte, erhob Virgilio Santos vom Organisationskomitee des Afrika-Cups (COCAN) umgehend schwere Vorwürfe gegen die Togolesen: »Die Regeln waren eindeutig: Kein Team sollte mit dem Bus anreisen. Ich weiß nicht, was Togo bewogen hat, es trotzdem zu tun.«

Die FLEC-Seperatisten haben indessen weitere Anschläge angekündigt, auch auf das Kontinentalturnier. Der CAF sei »seit langem gewarnt«, heißt es in ihrem Bekennerschreiben. »Diese Operation war nur der Anfang einer Serie von zielgerichteten Aktionen in der gesamten Region Cabinda.«

Heute wäre Togo in Cabinda, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, zum ersten Gruppenspiel gegen Ghana angetreten. Ghanas Verband ist vom italienischen Erstligisten Udinese Calcio aufgefordert worden, den Profi Kwadwo Asamoah zurück nach Italien reisen zu lassen. »Mit unserer Forderung an den Fußballverband Ghanas wollen wir in erster Linie den Spieler, aber auch unseren Verein schützen«, sagte Udineses Generaldirektor Sergio Gasparin der Sporttageszeitung Corriere dello Sport. Eine Reaktion stand bei Redaktionsschluß noch aus.

Cabinda ist die ölreichste und unsicherste Region Angolas. Das Land war bis 1975 portugiesische Kolonie. Statt der Unabhängigkeit folgten die Kriege um Rohstoffe. Die Hilfsorganisation terre des hommes schätzt, daß zehn Millionen Landminen in Angola vergraben sind. Fast jedes vierte Kind stirbt vor dem fünften Lebensjahr. Etwa die Hälfte aller Angolaner ist arbeitslos, nur 30 Prozent haben Zugang zu Gesundheitseinrichtungen, 40 Prozent zu sauberem Trinkwasser. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt nach neuesten Schätzungen etwa 44 Jahre.

* Aus: junge Welt, 11. Januar 2010


Togos Torhüter außer Lebensgefahr

Togos Team darf nicht zurück zum Afrika-Cup

Von Ulf Zimmermann, SID **


Wenige Stunden nach der Ankunft in der Heimat erreichte Togos traumatisierte Fußballer die erste gute Nachricht. Der bei dem Terrorangriff zwei Tage vor dem Beginn des Afrika-Cups in Angola durch Maschinengewehrkugeln schwer verletzte Torhüter Kodjovi Obilale ist außer Lebensgefahr. Fast gleichzeitig vermeldeten die ermittelnden Behörden am Montag die Verhaftung von zwei Angehörigen der Rebellenorganisation FLEC, die sich zu dem blutigen Anschlag auf den Mannschaftsbus der togolesischen Nationalmannschaft auf dem Gebiet der angolanischen Exklave Cabinda bekannt hatte. Die beiden sollen an dem Übergriff beteiligt gewesen sein.

Vom Eröffnungsspiel des Kontinentalturniers in Luanda zwischen Gastgeber Angola und Mali (4:4) am Sonntagabend (10. Jan.) bekamen Togos Kicker nicht viel mit, sie befanden sich bereits in den Vorbereitungen auf die Heimreise. Die angolanische Mannschaft verschenkte in der Auftaktpartie eine 4:0-Führung. Noch in der 88. Minute hatte es 4:1 gestanden ehe Frederic Kanoute, Seydou Keita und Moustapha Yattabare in der Nachspielzeit noch für den Ausgleich sorgten.

Vor dem Anpfiff hatte Angolas Präsident Jose Eduardo dos Santos die seit dem Anschlag heftig umstrittene Veranstaltung vor 50 000 Zuschauern im »Stadion des 11. November« mit einer Schweigeminute eröffnet. »Wir verurteilen diesen terroristischen Akt, aber der Wettbewerb wird auch in Cabinda fortgesetzt werden. Lasst uns zusammenstehen«, sagte Dos Santos.

Togos Team hoffte nach der dreitägigen Staatstrauer für den getöteten Assistenztrainer und den Verbandssprecher noch auf eine Rückkehr zum Afrika-Cup. »Wir haben beim Verband angefragt, einen Weg zu finden, dass wir später in das Turnier einsteigen können«, sagte Togos Sportminister Christophe Tchao. Premierminister Gilbert Houngbo hatte das Team nach dem Anschlag in die Heimat zurückbeordert, die Spieler hatten sich nach der Verarbeitung des ersten Schocks vehement für einen Verbleib eingesetzt.

Gestern (11. Jan.) wurde Togo aber offiziell aus den Spielplänen gestrichen. Dies bestätigte die afrikanische Fußball-Konföderation (CAF). »Die Mannschaft ist nicht mehr im Turnier und kann auch nicht mehr zurückkehren«, sagte ein CAF-Sprecher. »Die Spielpläne wurden angepasst.« Die Gruppe B wird lediglich mit der Elfenbeinküste, Ghana und Burkina Faso gespielt. Der Gruppenerste und Gruppenzweite ziehen wie geplant in die Runde der letzten Acht ein, Matches mit Beteiligung von Togo entfallen.

Togos Premier Houngbo warb unterdessen um Verständnis für seine Entscheidung, das Team in die Heimat zurückzurufen. »Wir verstehen die Haltung der Spieler. Sie wollten auf ihre Weise für ihre toten Kameraden etwas tun. Aber es wäre unverantwortlich gewesen, sie das Turnier fortsetzen zu lassen«, sagte er beim Empfang des Teams am Flughafen der Hauptstadt Lomé. Die Delegation war mit einer Regierungsmaschine, in der sich auch die sterblichen Überreste der beiden getöteten Delegationsmitglieder befanden, vom Spielort Cabinda aus in die Heimat zurückgeflogen und dort von tausenden Landsleuten empfangen worden. (...)

** Aus: Neues Deutschland, 12. Januar 2010


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