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Bohren und beten

Auch vor den Küsten Angolas wird gefährliche Offshore-Ölförderung in immer größerer Tiefe betrieben

Von Louise Redvers, IPS *

Die gewaltige Ölkatastrophe vor der US-amerikanischen Küste im Golf von Mexiko hat in Angola Kritiker auf den Plan gerufen. Nach ihrer Auffassung ist der boomende afrikanische Ölstaat prädestiniert für einen ähnlichen GAU. Unter den Investoren, die die Ausbeutung der angolanischen Ölvorkommen betreiben, ist auch BP - jenes Unternehmen, das die Vorfälle im Golf von Mexiko hauptsächlich zu verantworten hat. Dort sind nach Schätzungen der US-Regierung seit dem 20. April bis zu 532 Millionen Liter Öl ins Meer geflossen.

Angola fördert jeden Tag an die zwei Millionen Barrel (ein Barrel/Faß entspricht 159 Liter) des fossilen Rohstoffs und dies in zunehmendem Maße aus Lagern unter dem Meeresboden in immer größerer Tiefe und mit der Hilfe von BP. Der Konzern bearbeitet Block 18 vor der Küste des südwestafrikanischen Staates und steht kurz vor Beginn der Entwicklungsphase für Block 31. Hier geht es um Ölförderung in Tiefen von 1500 und 2500 Metern.

Schwache Absicherung

Bislang versucht sich Angola, durch den »National Oil Spill Contingency Plan« von 2008 zu schützen. Der verpflichtet die im Land aktiven Petroleumproduzenten, eigene Mechanismen für den Fall einer Ölpest bereitzuhalten. Auch ist der Staat Mitglied in der »Global Initiative for West and Central Afrika« (GIWACAF) - eine Partnerschaft der Internationalen Seeschiffahrtsorganisation (IMO) und des Umweltschutzverbandes der Ölindustrie. Diese Initiative soll das Reaktionsvermögen der Länder auf Ölkatastrophen durch Workshops und gegenseitige Hilfe stärken. Vladimir Russo, früher in hoher Position beim angolanischen Umweltministerium beschäftigt, sieht sein Land für den Ernstfall gut gerüstet. »Wir hatten kleinere Ölaustritte in der Vergangenheit. Doch die Unternehmen standen bereit, unsere Regierung ebenso, und es gab internationale Hilfe.« Auch seien betroffene Fischer von den Unternehmen mit neuen Booten und Netzen entschädigt worden. Grundsätzlich sei die nötige Ausrüstung bei einer Ölhavarie in ein bis zwei Tagen vor Ort. Zudem arbeite man zur Zeit an Karten, die risikoreiche Küstenabschnitte festhalten.

Elias Issac, Umweltschützer vom Open Society Institute, hält Angola dagegen keineswegs für ausreichend vorbereitet. Er fordert ein starkes nationales Gesetz, das die Rohstoffindustrie in die Pflicht nimmt, und eine Datenbank, die bisherige Ölaustritte verzeichnet und Informationen transparent macht. Die bisherigen Entschädigungsregeln hält er für ungenügend.

Drama in Cabinda

Im Mai dieses Jahres nahm Issac im US-amerikanischen Huston an einer Protestaktion gegen den US-Konzern Chevron teil, der unter dem Namen Cabinda Gulf Oil Company (CABGOC) in der nordangolanischen Exklave Cabinda eine Umweltkatastrophe verursacht hat. Issac berichtet von ölverseuchten Stränden und zerstörten Meeresbiotopen. Auch einige Seen seien in Mitleidenschaft gezogen. Chevron wollte auf Nachfrage von IPS zu diesen Vorwürfen nicht Stellung nehmen und - wie andere ausländische Investoren in Angola auch - keine näheren Angaben zu seiner Sicherheitspolitik machen.

Exstaatsdiener Russo sieht die Dinge dagegen ganz pragmatisch: »Jeder weiß, daß Ölförderung ein Risikogeschäft ist. Aber es bringt große Profite, viele Arbeitsplätze und ist die Triebfeder der angolanischen Wirtschaft.«

Angola ist dank des Ölreichtums an seinen Atlantikküsten in den zurückliegenden Jahren zu einem der größten Förderländer und einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Afrikas geworden. Nachdem es jahrzehntelang zur Gruppe der am geringsten entwickelten Staaten der Erde zählte, nimmt es heute nach Südafrika, Ägypten, Nigeria, Marokko und Algerien einen der vorderen Plätze unter den Ökonomien Afrikas ein.

* Aus: junge Welt, 5. Juli 2010


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