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Agrarlobby streikt

In Argentinien führt der Streit um Sojasteuern zu neuerlichen Straßenblockaden

Von Johannes Schulten *

Wir haben es den Parlamentariern gesagt: Wenn die Steuern nicht gesenkt werden, wird es Blockaden im ganzen Land geben. Und darum sind wir hier.« Für Alfredo »Minga« De Angeli, einen einflußreichen Agrarlobbyisten aus der Provinz Entre Ríos, ist die Sache klar: Wenn die Regierung von Präsidentin Cristina Kirchner keine Bereitschaft zeigt, die Exportsteuern für Soja zu senken, wird gestreikt.

Seit Samstag organisieren die argentinischen Agrarverbände wieder massive Straßensperren im ganzen Land. Nach Angaben des Justizministeriums kam es bisher in acht Provinzen zu etwa 90 Blockaden. Einen Tag zuvor, am Freitag abend, hatte das Zentralorgan der argentinischen Agrarlobby, der Mesa de Enlace (etwa: Verbindungs­tisch), den landesweiten Streik ausgerufen. Bis kommenden Freitag sollen weder Getreide noch Vieh ausgeliefert werden. Die Verantwortung für die Blockaden wollen die Lobbyverbände indes nicht übernehmen. »Wir ermutigen nicht zu diesen Sperren«, versicherte Mario Llambías, Präsident des Argentininischen Agrarbundes CRA. »Die Produzenten selber fordern die Blockaden, weil sie mit der Politik der Regierung unzufrieden sind.« Ob der Einfluß der Verbände wirklich so gering ist wie behauptet, darf allerdings bezweifelt werden. »Die Fernsehbilder zeigen ganz klar die Anwesenheit von Dirigenten der Agrarverbände bei den Aktionen«, stellte Innenminister Florencio Randazzo auf einer Pressekonferenz klar.

Die Vehemenz und Konfliktbereitschaft des Agrarsektors lassen unweigerlich Erinnerungen an die schweren Auseinandersetzungen vom März des vergangenen Jahres aufkommen. Auf den Versuch der Regierung Kirchner, die Steuern für Sojaexporte zu erhöhen, um an den steigenden Weltmarktpreisen teilzuhaben, hatten die Agrarverbände mit massiven Protesten und Blockaden der wichtigsten Verkehrspunkte des Landes reagiert. Die monatelangen Auseinandersetzungen hatten die Regierung auf ihre bis dato schwerste Probe gestellt.

Der aktuelle Konflikt wird indes durch die Folgen der schweren Dürre verschärft, die Argentinien während der ersten beiden Monate des Jahres heimsuchte und für den Agrarsektor Verluste in Millionenhöhe zur Folge hatte.

Gleichwohl spricht einiges dafür, daß es bei den Blockaden weniger um die von der Dürre betroffenen Bauern als um die Verteidigung der Interessen der Sojaexporteure und die Destabilisierung der Regierung geht. Denn die Entscheidung zum Streik fiel nur einen Tag, nachdem der Versuch der Opposition gescheitert war, ein Gesetz über die Senkung der Exportsteuern für Soja ins Parlament einzubringen. Außerdem hatte Präsidentin Kirchner am vergangenen Donnerstag per Dekret entschieden, 30 Prozent der Gewinne aus den Sojasteuern für die Einrichtung eines Solidaritätsfonds zu verwenden, um die »soziale Infrastruktur« in den Provinzen zu verbessern. Nach Meinung der Agrarexporteure dient die Entscheidung einzig dazu, die Provinzen durch Zahlungen auf die Seite der Regierung zu bringen.

Derweil nehmen die Spannungen auf den Straßen zu. Am Sonntag meldete die Presse erste Zusammenstöße zwischen Streikenden und Lastwagenfahrern. Hatten letztere die Proteste im März 2008 noch unterstützt, werden nun die Beschwerden über entgangene Frachten und die Unverhältnismäßigkeit der Forderungen der Agrarlobby immer lauter. Auch von den Landarbeitern, die zu Tausenden auf den Sojaplantagen beschäftigt sind, gab es massive Kritik am Verhalten der Agrarverbände.

* Aus: junge Welt, 25. März 2009


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