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Nach dem Bankrott

In Argentinien beginnt der Umtausch der alten Staatsanleihen. Gläubiger nach wie vor gespalten

Von Wolfgang Pomrehn, Buenos Aires*

Für Argentiniens Gläubiger wird’s ernst. Am Wochenende veröffentlichte die Regierung in Buenos Aires vierseitige Anzeigen in den großen Tageszeitungen des Landes, in denen für den Umtausch alter Staatsanleihen gegen neue geworben wurde. Auch im US-amerikanischen Wall Street Journal und in der britischen Financial Times sowie in italienischen Blättern erschienen ähnliche Annoncen. In denen bietet Argentinien seinen privaten Gläubigern, die seit dem faktischen Staatsbankrott Ende Dezember 2001 weder Zins noch Tilgung gesehen haben, eine umfassende Umschuldung an, bei der die Anleger auf einen erheblichen Teil des nominellen Wertes ihrer Anleihen verzichten müssen. Am Freitag soll der Umtausch beginnen und bis zum 25. Februar dauern, wobei eine eventuelle Verlängerung des Angebots bereits angedeutet wurde. Insgesamt geht es um 81,8 Milliarden US-Dollar Schulden des argentinischen Staates bei etwa 700000 privaten Anlegern im In- aber vor allem im Ausland. Zum Teil handelt es sich um institutionelle Anleger, wie Investment- und Pensionsfonds, zu einem erheblichen Teil aber auch um Privatleute, die sich von den hohen Zinsen haben locken lassen. Das am meisten gehandelte Papier mit einer Fälligkeit im Jahre 2008 bietet zum Beispiel einen Zins von 15,5 Prozent per annum. Vor allem in Italien haben viele mittelständische Sparer diese Anleihen gezeichnet, aber auch in der Schweiz, Deutschland und Japan.

Kleinsparer bevorzugt

Während argentinische Pensionsfonds bereits angekündigt haben, das Angebot annehmen zu wollen – sicherlich auch aufgrund des Drucks der hiesigen Öffentlichkeit –, hat das »Global Committee of Argentina Bond Holders«, das nach eigenen Angaben 37 Milliarden US-Dollar repräsentiert, den Handel als »unfair« abgelehnt. Auch in Deutschland spucken die Anleger in ihrem Internetforum Gift und Galle über die »Politverbrecher« in Buenos Aires, womit nicht diejenigen gemeint sind, die das Land am Rio de la Plata privatisiert und ruiniert haben, um die Zinsen zu zahlen, sondern die Regierung Nestor Kirchners, die versucht, dem Einhalt zu gebieten.

Unterdessen bekommen die deutschen Privatanleger offensichtlich nach wie vor den Rücken von der Bundesregierung gestärkt. Nach einem Bericht der argentinischen Zeitung La Nacion vom Sonntag hatte die deutsche Wertpapieraufsicht dem Umtausch am Wochenende noch nicht zugestimmt. In den USA hatte es hingegen bereits kurz vor Weihnachten grünes Licht gegeben. Damit ist unklar, ob deutsche Anleger im Inland an die neuen Papiere kommen können.

Argentinien hat derweil angekündigt, daß es die alten Papiere nicht mehr bedienen wird. Auch die Zinsen, die sich seit der Zahlungsunfähigkeit auf immerhin rund 20 Milliarden US-Dollar belaufen, werde man nicht anerkennen. Allerdings werden sie für diejenigen, die das Angebot annehmen, beim Umtausch auf den nominalen Wert der alten Papiere aufgeschlagen.

Damit ist das Angebot besonders für kleinere Sparer attraktiv. In einem geschickten Schachzug bietet die argentinische Regierung nämlich im begrenzten Umfang auch den Umtausch eins zu eins an, und zwar für Summen bis maximal 10000 US-Dollar. Einziger Nachteil ist, daß die Zinsen mit 1,33 Prozent in den ersten fünf Jahren besonders niedrig sind. Aber auch bei den anderen beiden der insgesamt drei neuen Titel bleiben die Zinsen weit hinter den astronomischen Summen zurück, die bis 2001 gezahlt wurden. Die Laufzeiten der neuen Anleihen betragen 33 bis 40 Jahre, womit die Anleger auf jeden Fall noch ziemlich lange auf ihr Geld warten müssen, die argentinische Gesellschaft aber wieder etwas Luft zum atmen bekäme.

Bessere Kreditwürdigkeit

Insgesamt hat die argentinische Regierung ein Angebot geschnürt, das darauf angelegt ist, kleinere und größere Anleger zu spalten. Erstere müssen ein Interesse haben, daß mehr als 70 Prozent der Gläubiger das Angebot annehmen, denn dann werden hauptsächlich Papiere emittiert, die einen 100prozentigen Werterhalt bieten. Zugleich ist 70 Prozent auch der Schwellenwert, der über die Annahme des Angebots entscheidet.

Kann sich die argentinische Regierung gegen den Druck der Gläubigerorganisationen durchsetzen, dann hat sie künftig wieder Zugang zum internationalen Finanzmarkt, um sich mit kurzfristigen Krediten zu versorgen. Derzeit wird nämlich der Außenhandel erheblich erschwert, weil argentinische Unternehmen nur schwer an internationale Kredite kommen und besonders hohe Zinsen bezahlen müssen, weil das Land als nicht kreditwürdig gilt.

* Aus: junge Welt, 13. Januar 2005


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