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Kein Geld für Repsol

Argentinien dreht Privatisierungsorgie der 90er Jahre zurück. IWF und Weltbank wettern gegen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner

Von Benjamin Beutler *

Im Feilschen um Entschädigungszahlen an den spanischen ­Energiekonzern Repsol nach der angekündigten Verstaatlichung des Ölunternehmens YPF durch die argentinische Regierung geht Buenos Aires aufs Ganze. Wie die konservative Tageszeitung La Nación am Montag unter Berufung auf Vizewirtschaftsminister Axel Kicillof berichtete, will das Kabinett »null Peso« an Repsol überweisen. Er sei überzeugt davon, zitiert das Blatt Kicillof, daß das für die Beurteilung des Wertes von YPF zuständige Gericht feststellen werde, daß Repsol keine Entschädigung zustehe. Dessen Chef Antonio Brufau hingegen beziffert den Wert der von seinem Unternehmen bislang gehaltenen 51 Prozent der YPF-Aktien auf 10,5 Milliarden US-Dollar. Das Verfahren vor dem Bewertungsgericht der Nation (TTN) kann sich dem Vernehmen nach bis zu sechs Jahre hinziehen.

Während Umfragen zufolge 74 Prozent der Argentinier die Verstaatlichung unterstützen, sorgt das Vorgehen der Regierung international für die üblichen Reflexe. »Das ist ein Fehler«, verurteilte es am vergangenen Donnerstag der scheidende Weltbank-Präsident Zoellick. Bei der Jahrestagung von IWF und Weltbank am Wochenende in Washington versuchte Zoellick, der seinen Sessel im Juli 2012 an seinen US-Landsmann Jim Yong-Kim übergibt, die Politik Argentiniens mit altbekannter Rhetorik in ein schlechtes Licht zu rücken. »Es ist ein Symptom, das wir überwachen müssen, wenn sich Länder unter wirtschaftlichem Druck für eine nationale, autarke Politik entscheiden«, verurteilte der Irak-Krieg-Befürworter, Berater von US-Banken, Risikokapitalfonds und neokonservativer Think-Tanks die Verstaatlichung durch Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Der Wirtschaft des südamerikanischen Landes prognostizierte der frühere Außenpolitikberater von US-Präsident George W. Bush langfristige Schäden. »Die willkürlichen öffentlichen Eingriffe verschlechtern das Investitionsklima«, beschwor auch IWF-Präsident Thomas Helbling Untergangsszenarien. Spaniens Regierung hatte zuvor »Konsequenzen« für die Ex-Kolonie angedroht.

Am Rio de la Plata sorgen solche Belehrungen für Kopfschütteln. Spanien und nicht Argentinien sei das Krisenland, heißt es dort mit Verweis auf die Arbeitslosigkeit, die in Spanien mit 27 Prozent auf einem historischen Rekordwert liegt. Jeder zweite Jugendliche ist dort heute ohne Job. Mit einem Madrid von IWF und Europäischer Union verordnetem Kürzungsprogramm sollen 2012 weitere zwölf Milliarden Euro der Bevölkerung vorenthalten werden. Bei argentinischen Wirtschaftsexperten ruft das Erinnerungen an die verheerenden Folgen derartiger Maßnahmen im eigenen Land wach. 2001 hatte ein ähnliches IWF-Kürzungsdiktat das südamerikanische 40-Millionen-Einwohnerland in den Abgrund gestoßen. »Argentinien akzeptiert keine Bedingungen von internationalen Organisationen, die wegen ihrer Fehler in der Vergangenheit in großen Mißkredit geraten sind«, wies denn auch Außenminister Hernán Lorenzino die Einmischungen in innere Angelegenheiten zurück. »Argentinien ist ein souveränes Land«, stellte er klar, die Regierung entscheide selber, »was für die Argentinier das Beste ist«. Die heftigen Reaktionen auf die YPF-Teilverstaatlichung seien, so der Außenminister, ein Beleg für die Machtverteilung zwischen Weltwirtschaftsorganisationen und Mitgliedsstaaten: »Es ist immer dasselbe – Verordnen, Überwachen und Bestrafen«.

Axel Kicillof verteidigt das Vorgehen seiner Regierung ebenfalls. »Als 2008 die Weltwirtschaftskrise ausbrach, ging das spekulative Kapital auf Rohstoffe über, darunter auch Erdöl«, erläutert der Ökonom. »Wir können nicht zulassen, daß der Preis für ein so wichtiges Produkt wie Erdöl von Faktoren abhängt, die überhaupt nichts damit zu tun haben, was in Argentinien passiert«, sagte er mit Blick auf Argentiniens Anfälligkeit für Preisschwankungen auf den Weltmärkten. Schrittweise macht sich Buenos Aires deshalb daran, die Privatisierungsorgie der 90er Jahre zurückzudrehen. Bisher wurden die Post »Correo Argentina«, das Energieunternehmen »Energía Argentina«, das Unternehmen zur Kontrolle der Rundfunkfrequenzen, »Thales Spectrum«, die Transportfirma »Transporte Metropolitanos«, die Fluglinie »Aerolíneas Argentinas« und der nationale Rentenfonds AFJP sowie das Militärflugzeugwerk Córdoba wieder unter öffentliche Kontrolle gebracht.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 24. April 2012


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