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Kampf um Öl und Gas

London entfacht Streit um die Malwinen erneut. Suche nach schwarzem Gold vor Argentiniens Küste. Buenos Aires reagiert gereizt

Von Marcela Valente (IPS), Buenos Aires, und Gloria Fernandez *

Um die Malwinen (engl: Falkland-Inseln) im Südatlantik führten Argentinien und Großbritannien vor 28 Jahren Krieg. Jetzt ziehen wieder dunkle Wolken über der 600 Kilometer vor der südargentinischen Küste gelegenen Inselgruppe auf. Der Grund: Zwei britische Firmen wollen nach Erdöl und nach Gas suchen. Die Unternehmung soll bereits in dieser Woche beginnen, und London scheint zu allem bereit. Im Hafen der malwinischen Hauptstadt Stanley lägen bereits die notwendigen Gerätschaften, berichtet der Spiegel (22.2.). »Britisches Militär ist dort mit einem Zerstörer und Kampfflugzeugen.« Es seien alle Vorkehrungen getroffen, so Premierminister Gordon Brown, die etwa 3000 Bewohner »anständig zu schützen«. Etwa 1700 britische Soldaten sind auf den Malwinen stationiert und offensichtlich auf eine erneute kriegerische Auseinandersetzung vorbereitet.

Die argentinische Regierung wandte sich nun an die Vereinten Nationen. Noch in dieser Woche soll es zu einer Begegnung zwischen UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und dem argentinischen Außenminister Jorge Taiana in New York kommen. Buenos Aires habe den Ton verschärft, um mit aller Strenge auf die einseitig beschlossene Maßnahme zu reagieren, erklärte nun der Diplomat Lucio García del Solar. Einen weiteren Krieg wolle aber niemand provozieren, meinte er im Gespräch.

Staatspräsidentin Cristina Fernández antwortete auf den britischen Vorstoß per Dekret. Sie ordnete an, daß jedes Schiff, das zwischen Häfen in Argentinien, den Malwinen, den ebenfalls britisch verwalteten Südgeorgien und den südlichen Sandwichinseln verkehren will, vorher eine Genehmigung in Buenos Aires beantragen müsse. Fernández verwies darauf, daß gemäß UN-Resolutionen beide Länder wieder Gespräche aufnehmen müssen und keine einseitigen Maßnahmen ergreifen dürfen. Diese Auflagen habe Großbritannien »systematisch« mißachtet, beschwerte sich die Präsidentin.

Im Klartext besage das Dekret, daß die britische Ölplattform nur mit Billigung Argentiniens in das Gebiet geschleppt werden könne, erläuterte Vizeaußenminister Victorio Taccetti. Auch Versorgungsschiffe dürfen die Gewässer nicht unautorisiert befahren.

London will sich dem Druck keinesfalls beugen, wie aus diplomatischen Kreisen bekannt wurde, so daß zwischen den beiden Staaten nun eine neue Eiszeit beginnen könnte. Zwischen April und Juni 1982 waren bei dem Konflikt 635 Briten und 255 Argentinier getötet worden. Der Krieg endete mit einer Kapitulation Argentiniens, die »Malvinas« blieben in britischer Hand. Das südamerikanische Land erhebt aber weiterhin Anspruch auf die Inseln. García del Solar brachte in die UN-Vollversammlung eine Resolution ein, mit der Großbritannien zu neuen Verhandlungen aufgefordert wird. Nach dem »Falklandkrieg« hatten Großbritannien und Argentinien ihre diplomatischen Beziehungen erst zu Beginn der neunziger Jahre wieder aufgenommen.

In der aktuell angespannten Lage erhitzen die britischen Erdölpläne die Gemüter umso mehr. In den kommenden Tagen wollen die britischen Unternehmen »Desire Petroleum« und »Rockhopper Exploration« die Erkundungsplattform »Ocean Guardian« in die von Argentinien beanspruchten Gewässer nördlich der Malwinen transportieren, um dort mit Probebohrungen zu beginnen. Eine in den neunziger Jahren mit Großbritannien getroffene Vereinbarung zur gemeinsamen Erforschung der Öl- und Gasvorkommen in der Region hat Buenos Aires 2007 aufgekündigt.

Die Briten wittern lukrative Geschäfte. 1998 durchgeführte Studien lassen sie darauf hoffen, daß aus den Tiefen des Atlantiks in 1800 Kilometer Entfernung von Buenos Aires bis zu 60 Milliarden Barrel Öl gefördert werden können. Gegen die Pläne protestierte Argentinien Anfang des Monats bereits bei der britischen Botschaft, während die Regierung in London auf ihrem Hoheitsrecht auf die Inseln und die umliegenden Gewässer beharrt.

* Aus: junge Welt, 22. Februar 2010


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