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Strategie? Feinunze!

In Argentinien gibt es ein Gesetz zum Schutz der Gletscher. Seine Umsetzung wird vom weltgrößten Goldschürfunternehmen aus Kanada verhindert

Von Marcela Valente/IPS *

In Argentinien erstellen Wissenschaftler seit Ende 2011 ein Inventar sämtlicher Gletscher. Diese Bestandsaufnahme ist gesetzlich vorgeschrieben. Nichtsdestotrotz wird sie in der zentralen Provinz San Juan blockiert. Mit stillschweigender Unterstützung der lokalen Behörden verwehrt die Bergbauindustrie den Forschern den Zugang zu Gebieten, die sie ausbeutet.

Ein Gesetz zum Schutz der Gletscher entlang der Anden passierte bereits 2008 das Parlament. Staatspräsidentin Cristina Fernandez legte damals jedoch mit der Begründung ihr Veto ein, die Regelung schade jenen Provinzen, die auf Einkünfte aus dem Bergbau angewiesen seien. 2010 kam es zu einer Einigung auf ein neu formuliertes Gesetz. Darin gelten die Eisflächen als »strategische Wasserreserven«. In ihrer Nähe, also auch in den sie umgebenden Permafrostgebieten ohne Schnee- oder Eisdecke, sind seit Inkrafttreten des Gesetzes neben dem Bergbau auch Erdölbohrungen, größere Infrastrukturprojekte und der Einsatz chemischer Substanzen verboten.

Um die Kontrolle zu ermöglichen, soll das staatliche Forschungsinstitut IANIGLA die Gletscher inventarisieren. Zuerst sollen jene Regionen erfaßt werden, in deren Umgebung bereits Minen ausgebeutet werden. Nach Angaben des IANIGLA-Direktors Ricardo Villalba sind die Gletscher in der Provinz Mendoza mittlerweile dokumentiert. In der Provinz Santa Cruz kommen die Arbeiten gut voran. In der Provinz San Juan dagegen haben die Wissenschaftler bisher nicht einmal mit der Inventur beginnen können. Verantwortlich ist das weltgrößte Goldschürfunternehmen aus Kanada, Barrick Gold, das auch hier sehr profitabel wirtschaftet. Seine Anwälte konnten sich vor Gericht mit der Auffassung durchsetzen, das Gesetz zum Schutz der Gletscher verletze die argentinische Verfassung, indem es wirtschaftliche Aktivitäten in San Juan blockiere. Das letzte Wort wird der Oberste Gerichtshof haben.

Die lokalen Behörden unterstützen den Konzern mittelbar. Sie lassen sich Zeit mit der Aufforderung an die Wissenschaftler, die Gletscher in San Juan zu erfassen. »Es ist Sache der Provinzregierung, die prioritären Gebiete festzulegen«, meint Villalba. Sein Institut sei lediglich dafür verantwortlich, die Studie innerhalb von fünf Jahren fertigzustellen.

Seit 2005 schürft Barrick in der Provinz Gold und Silber. Aus der Veladero-Mine sollen bis 2019 insgesamt etwa 11,4 Millionen Unzen Gold gewonnen werden. Die Edelmetalle werden mit giftigem Zyanid vom Gestein gelöst. Ab dem kommenden Jahr will der Konzern in der ebenfalls in San Juan gelegenen Pascua-Lama-Mine laut Schätzungen weitere 14,4 Millionen Unzen Gold fördern. Das Vorhaben ist Teil eines binationalen Bergbauprojekts, das auch die nordchilenische Region Atacama umfaßt.

Um besser an die Bodenschätze zu kommen, wollte Barrick ursprünglich drei Gletscher »verschieben« – davon nahm der Konzern nach Protesten von Umweltschützern Abstand. Ein Bericht, den die argentinische Sek­tion von Greenpeace im vergangenen Jahr veröffentlichte, enthält dennoch eine lange Liste von womöglich irreperablen Schäden, die Barrick der Gletscherregion mit dem Bau von Straßen, Bohrungen, Sprengungen etc. bereits zugefügt hat.

* Aus: junge Welt, 22. März 2012


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