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Ein Indigener wird Bürgermeister in Jujuy

nd-Solidaritätsaktion: Die Selbstorganisation der Urbevölkerung in Argentinien kommt voran

Von María Inés Zigarán und Elisabeth Jeglitzka *

Sergio Laguna aus dem Volk der Omaguaca ist der erste gewählte indigene Bürgermeister im argentinischen El Aguilar. Vor einem Monat wurde er mit einer würdevollen Zeremonie in sein Amt eingeführt - ein großer Erfolg für die Indígenas in der Region Jujuy und den Rat der indigenen Organisationen.

Sergio Laguna wuchs auf dem Land auf und konnte doch studieren. Seit 2009 organisiert der Rat der indigenen Organisationen von Jujuy (COAJ) im Nordwesten Argentiniens das Studium der »Indigenen Entwicklung«. Der Studiengang ist sehr bedeutend für die Gemeinden in der Provinz. Er bietet indigenen Frauen und Männern eine Ausbildung, die die kulturelle Vielfalt der Region berücksichtigt. Sein ausdrückliches Ziel ist es, traditionelles indigenes und konventionelles akademisches Wissen zu verbinden. Die Studierenden sollen lernen, die verschiedenen Wissensarten zu vereinen und in spezifischen Entwicklungsvorschlägen für ihre Gemeinden anzuwenden. Auf diese Weise soll ermöglicht werden, dass die Gemeinden ihre Zukunft selbst formulieren und gestalten. Der Absolvent Laguna hat deshalb mit seiner Wahl einen wichtigen institutionellen Schritt für die Gemeinde El Aguilar in Jujuy unternommen.

»Die Indígenas existierten lange Zeit für niemanden«, sagt Laguna. »Wir litten unter Vergessenheit, Vertreibung, Diskriminierung und politischem Klientelismus. Jetzt haben wir die Verantwortung für unser Schicksal zurückgewonnen. Die Regierung dient den Gemeinden, dem Volk, und so werden wir arbeiten.«

Im Namen der indigenen Gemeinschaft wollen Laguna und die Mitglieder seiner Partei Movimiento Comunitario Pluricultural am Aufbau eines argentinischen Staates mitwirken, in dem Indígenas nicht unsichtbar gemacht werden.

Der neue Bürgermeister sieht sich in seinem Amt als politischer Arm der Indígenas. Hauptaufgaben sind deshalb die Verteidigung der Autonomie der indigenen Völker und der Kampf für ihre Selbstbestimmung und ihre Landrechte. Diese Aufgaben werden nicht einfach zu bewältigen sein. Laguna weiß, dass ihm Andersdenkende Steine in den Weg legen werden. Dennoch ist er nicht auf Streit aus. Er möchte die Prinzipien der indigenen Weltanschauung in seiner Politik umsetzen. Probleme sollen auf Basis von Gegenseitigkeit, Gleichheit, Ergänzung und Gerechtigkeit gelöst werden. Dafür ist der Dialog mit Freunden und Gegnern unentbehrlich. Erste Schritte wurden schon unternommen, um den Prinzipien Gleichheit und Ergänzung Geltung zu verleihen. Politisch beraten wird Laguna von zwei indigenen Frauen, Alba María Soto und Juana Valdivieso.

Viele Mitglieder von COAJ nahmen an der offiziellen Amtsübernahme am 10. Dezember 2011 teil und feierten Lagunas Wahl. COAJ, die Gemeinschaftliche Plurikulturelle Bewegung und die Gemeinden von Jujuy glauben, dass nun eine indigene Politik auf den Staatsaufbau wirken wird. Der Beginn des Jahres 2012 ist von Hoffnung erfüllt. Man spricht in der Quechua-Sprache vom neuen »pachakutik«, vom Umbruch und von der Rückkehr der guten Zeiten.

* Aus: neues deutschland, 10. Januar 2012


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