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Die Malwinen schwimmen auf Öl

Nationalstolz und enorme Rohstoffressourcen - Argentinien will die Inselgruppe zurück

Von Jürgen Vogt, Buenos Aires *

Spätestens seit der kurzzeitigen Stationierung des Hubschrauberpiloten der Royal Air Force Prinz William auf den Malwinen rasseln wieder die verbalen Säbel. Dass die Briten außer ihrer Nummer zwei in der Thronfolge auch ein Kriegsschiff und möglicherweise ein Atom-U-Boot in den Südatlantik beordert hatten, forderte Anfang des Jahres den offiziellen Protest der argentinischen Regierung wegen der »britischen Militarisierung des Südatlantiks« vor der UNO heraus.

Mit Argentiniern sachlich über die Inseln zu diskutieren, ist fast unmöglich. Für den Psychologen Marcelo Aptekmann ist es die argentinische Neurose. »Argentinien, wie wir es heute kennen, existiert erst seit ungefähr 100 Jahren.« Das Land sei rückwirkend erfunden worden und dazu auch seine Geschichte mit dem Glauben, dass die Engländer die Argentinier immer beklaut haben. Und selbstverständlich haben sie ihnen auch die Malwinen gestohlen. »Diesen Glauben hat jedes argentinische Schulkind in den letzten 90 Jahren eingebläut bekommen«, so Aptekmann. Er ist fester Bestandteil der nationalen Identität. »Wer das infrage stellt, steht im Verdacht, kein Argentinier zu sein.«

Für den 30. Jahrestag hat sich die argentinische Regierung vorgenommen, den nationalen Anspruch auf die Inseln ideologisch vom militärischen Desaster der Diktatur zu trennen. In der regierungsfreundlichen Zeitung »Página/12« wurde das Vorhaben vom Journalisten Luis Bruschtein erläutert: Den Generälen der Diktatur habe die Invasion lediglich dazu gedient, ihre eigene Haut zu retten. Einer demokratischen Regierung müsse es jedoch um etwas anderes gehen. »Bei der nationalen Frage ist das Hoheitsgebiet ebenso wichtig wie die Ökonomie und die Verteidigung des natürlichen Reichtums.«

So geschah es fast unbemerkt, dass Argentinien vor gut zwei Wochen wieder einen Botschafter nach London entsandt hat. Nach dreieinhalb Jahren ist der Posten mit Alicia Castro wieder besetzt. Zuvor wurde die 62-Jährige gut instruiert. Jenseits aller Rhetorik geht es um handfeste ökonomische Interessen. So soll die neue Botschafterin London zur Neuverhandlung des Fischereiabkommens überreden.

Seit die Briten der Inselregierung erlaubt haben, Fanglizenzen für 25 Jahre in einer 340-Meilen-Zone vergeben zu dürfen, fischen über 100 Fischfangfabriken vor allem aus Taiwan und Südkorea die Gewässer um die Inseln leer. Der Wert der Fangmenge wird für das laufende Jahr auf rund 1,6 Milliarden Dollar geschätzt. Den Insulanern bringen allein die Lizenzgebühren 32 Millionen Dollar. Noch ist der Fischfang die wichtigste Einnahmequelle der Inselbewohner. Mit einem Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt von 65 000 Dollar liegen die 3000 zivilen Bewohner und 1500 Soldaten rein rechnerisch auf Platz Vier der Weltrangliste, nach Katar, Lichtenstein und Luxemburg.

Britische Ölfirmen installierten 2010 erstmals eine Bohrplattform in den Küstengewässern. Im Januar wurde eine zweite Plattform in Stellung gebracht. Aus rund 120 Feldern könnte einmal Öl sprudeln. Verhandlungen, die Rohstoffe gemeinsam auszubeuten, wurden vor einigen Jahren von argentinischer Seite abgebrochen. Die Briten verstießen ständig gegen die bereits ausgehandelten Vereinbarungen, so der Vorwurf. Nur hinter vorgehaltener Hand wird aber darauf verwiesen, dass die argentinischen Unternehmen offenbar technisch und finanziell nicht in der Lage sind mitzuhalten.

Um die Briten zu stoppen, hat die argentinische Regierung vor wenigen Tagen ein juristisches Vorgehen gegen die beteiligten Ölförder- und Logistikunternehmen sowie die Geld gebenden Banken angekündigt. »Die natürlichen Ressourcen sind Eigentum des argentinischen Volks und die Regierung wird diese beschützen«, erklärte Außenminister Héctor Timerman. Und es geht um viel. Die Vorkommen werden auf knapp 13 Milliarden Fass Öl geschätzt. »Wenn es nur die Hälfte davon gibt, wären das noch immer 317 Prozent mehr als die gegenwärtigen argentinischen Reserven«, rechnete »El Cronista« jetzt vor. Die Malwinen könnten einmal auf einer Stufe mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten stehen, so das Fazit der Wirtschaftszeitung.

* Aus: neues deutschland, Montag, 2. April 2012


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