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In Verträgen gefangen

Argentinien: Präsidentin Fernández kündigte Gesetzentwurf an, um das Land von den »Geierfonds« zu befreien – Pläne allerdings kaum umsetzbar

Von Wolfgang Pomrehn *

Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner hat vergangene Woche angekündigt, die Gläubiger ihres Landes künftig nach argentinischem Recht auszahlen zu wollen. Sie werde dem Parlament in Buenos Aires einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, verkündete sie in einer Fernsehansprache. Konkret soll den Gläubigern der Tausch ihrer Staatsanleihen gegen neue nahegelegt werden. Die alten Dokumente wurden nach US-amerikanischem Recht ausgegeben und können nach der Entscheidung eines New Yorker Richters derzeit nicht bedient werden.

Hintergrund der Probleme ist der argentinische Staatsbankrott von 2001 und ein nachfolgendes Umschuldungsprogramm. Der argentinische Staat hatte 2005 seinen Gläubigern drei verschiedene Modelle für den Umtausch ihrer Anleihen angeboten, die in unterschiedlichen Abstufungen eine längere Laufzeit, niedrigere Zinsen und den Verzicht auf einen Teil des Nennwertes der Schuldtitel vorsahen. Die von 2001 bis 2005 aufgelaufene Zinsschuld wurde nicht anerkannt. Außerdem sollten nach Ende der Umtauschfrist alte Schuldtitel von Gläubigern, die das Angebot nicht angenommen hatten, nicht mehr akzeptiert werden.

Genau hier liegt das Problem. Ein Teil der Anleger, darunter viele Privatpersonen aus Deutschland und den USA, haben das Angebot nicht angenommen. Einige versuchen weiter, über Interessenverbände ihre alten Forderungen einzutreiben und spannen dafür gelegentlich auch die Bundesregierung ein. Andere haben ihre Anleihen hingegen für wenig Geld an sogenannte Hedgefonds weiterverkauft. Die haben die Titel meist weit unter Nennwert erworben und wollen jetzt hohe Summen aus Argentinien herauspressen, indem sie nicht nur den Nennwert verlangen, sondern auch die Auszahlung der meist zweistelligen Zinsbeträge. Im Juli hatte der mit dem Fall befaßte New Yorker Amtsrichter Thomas Griesa der Bank of New York, die die Auszahlung für die Regierung in Buenos Aires abwickelt, untersagt, die aus Argentinien überwiesenen 539 Millionen US-Dollar an die Gläubiger zu verteilen. Begründung: Erst müßten die Hedgefonds zu ihrem Geld kommen. Die wollen nach diesem Erfolg nun den Druck im Kessel erhöhen. Unter anderem planen sie, gegen internationale Banken vorzugehen, in denen argentinische Gelder geparkt sind. Die Schützenhilfe Griesas ist ihnen so gut wie sicher.

Voraussichtlich werden auch Kirchners Pläne wenig an den aktuellen Finanz- und Wirtschaftsproblemen ihres Landes ändern. Der Haken an ihrer Ankündigung ist, daß sie sich aus verschiedenen vertragsrechtlichen Gründen kaum umsetzen läßt. Dafür müßten nämlich nicht nur die meisten der an der Umschuldung beteiligten Gläubiger mitspielen, sondern auch die New Yorker Ausgabehäuser der Staatsanleihen. Diese würden aber aller Voraussicht nach durch US-Gerichte daran gehindert. Kirchners Vorstoß ist also vermutlich eher symbolisch gemeint, darauf abzielend, dem heimischen Publikum Tatkraft zu demonstrieren.

Für das südamerikanische Land hat das fatale Konsequenzen. Technisch gesehen erscheint es für internationale Banken als zahlungsunfähig und gilt daher derzeit am internationalen Finanzmarkt als kreditunwürdig. Dadurch haben es die Regierung wie auch Argentiniens private Geschäftsleute schwer, sich im Ausland mit Geld zu versorgen. Nicht nur für den Staatshaushalt ist das ein Problem, sondern auch für den Außenhandel, der meist mit kurzfristigen Krediten abgewickelt wird.

Nach Kirchners Ankündigung hat der ohnehin schwache argentinische Peso am internationalen Devisenmarkt zunächst weitere 5,2 Prozent gegenüber dem US-Dollar an Wert verloren. Am Freitag machte er aber einiges davon wieder gut, nachdem es hieß, Richter Griesa wolle zunächst darauf verzichten, gegen die argentinischen Pläne vorzugehen. Sollte die Krise jedoch länger anhalten, könnte sie zu vermehrter Kapitalflucht aus Argentinien führen. Dadurch würde die Regierung womöglich zu weiterer Abwertung des Pesos gezwungen werden, was wiederum die Schuldenkrise verschärfen würde. Die Anleihen wurden meist in US-Dollar und europäischen Währungen verkauft. Eine Abwertung der Landeswährung bedeutet, daß die Schulden in Pesos umgerechnet steigen.

* Aus: junge Welt, Montag 25. August 2014


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