"Revolutionäre" in Jerewan sind uneins
Armenien: Proteste nach Parlamenstwahlen dauern an
Von Vougar Aslanov *
Armeniens Opposition will sich mit der Niederlage bei den Parlamentswahlen am 12. Mai nicht
abfinden. Sie streitet weiter um die Ergebnisse.
Für das vergangene Wochenende hatte die armenische Opposition zu einer weiteren Kundgebung
auf Jerewans Freiheitsplatz aufgerufen. Initiatoren waren vor allem jene Kräfte, die den Einzug ins
Parlament verpasst haben. Aber auch die Partei »Land der Gesetzlichkeit« des früheren
Parlamentspräsidenten Artur Bagdasarjan, die mit 6,9 Prozent der Stimmen die Hürde übersprang,
unterstützte den Protest. Bagdasarjan lehnte jedoch den Vorschlag ab, sich mit anderen
Gruppierungen gegen die regierende Republikanische Partei zusammenzuschließen.
Die Republikaner unter Ministerpräsident Sersch Sarkisjan waren erwartungsgemäß mit knapp 33
Prozent der Stimmen als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorgegangen. Ihr Koalitionspartner die
nationalistische Revolutionäre Föderation-Daschnakzutjun, hatte 12,8 Prozent erreicht. Noch davor
platzierte sich die regierungsnahe Partei Blühendes Armenien des Oligarchen Gagik Zarukjan mit
14,7 Prozent. Ins Parlament zog außerdem die Erbe-Partei des ehemaligen Außenministers Raffi
Owanisjan mit 5,8 Prozent ein. Vermutlich wird die Republikanische Partei eine neue Koalition mit
Daschnakzutjun und dem »Blühenden Armenien« bilden.
Den Wahlen waren Anschläge auf Politiker und Parteibüros vorausgegangen. Es gab Tote und
Verletzte. Präsident Robert Kotscharjan hatte derweil keine Zweifel daran gelassen, welche Kräfte er
im Parlament sehen wollte. Die Republikaner hätten Erfahrung, beherrschten die Situation und
wüssten, wie man Reformen vorantreibt. Und sie könnten mit Parteien wie Daschnakzutjun und
Blühendes Armenien zusammenarbeiten. Die Opposition sah darin eine unzulässige Beeinflussung
der Wähler durch den Präsidenten und beschuldigte die Regierung von vornherein der Manipulation
und des Stimmenkaufs.
Aufgrund ihrer Spaltung sind die Regierungsgegner jedoch schwach. Die Parlamentswahlen waren
für etliche Parteiführer eine Art Qualifikationsrunde für die Präsidentschaftswahl Anfang 2008. Das
hinderte sie daran, ihre Kräfte zu vereinen. Vor allem der 38-jährige Artur Bagdasarjan will sich als
Präsidentschaftskandidat profilieren. Den Parlamentsvorsitz hatte er im Mai 2006 nicht zuletzt
wegen seiner Kritik an der Partnerschaft Armeniens mit Russland und der Forderung nach
Annäherung an NATO und EU verloren. Der prowestliche Kurs brachte ihm den Vorwurf des Verrats
und der Planung einer »Orangen Revolution« ein, die durch den in London residierenden Oligarchen
Boris Beresowski unterstützt werde.
Doch scheinen weder die USA noch die EU sonderlich an politischen Veränderungen in Armenien
interessiert zu sein. Derzeit bevorzugen sie – mit Blick auf ihre Energie-Interessen – stabile
Verhältnisse in Transkaukasien. Dass die Wahlen in Armenien von westlichen Beobachtern als »frei
und demokratisch« eingeschätzt wurden, bestätigt dies nur.
* Aus: Neues Deutschland, 21. Mai 2007
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