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Es geht nicht nur um die Vogelgrippe

Beim Gipfeltreffen der APEC (Asiatisch-Pazifische Wirtschaftszusammenarbeit) im südkoreanischen Pusan werden die Weichen für die WTO gestellt - Proteste gegen Bush

Die APEC-Asiatisch-Pazifische Wirtschaftszusammenarbeit (Asia Pacific Economic Cooperation) findet hier zu Lande nur wenig Beachtung. Zu Unrecht, wie die folgenden Beiträge zeigen, die anlässlich des Gipfeltreffens im südkoreanischen Pusan am 18./19. November 2005 geschrieben wurden.




APEC in Kürze

APEC (Asia Pacific Economic Cooperation, wörtlich: Asiatisch-Pazifische wirtschaftliche Zusammenarbeit, auch übersetzt als Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft, Asiatisch-Pazifisches Wirtschaftsforum oder Asien-Pazifik Wirtschafts-Kooperationsrat) ist eine Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, im pazifischen Raum eine Freihandelszone einzurichten.

Geschichte:
Die Gründung erfolgte 1989 in Singapur auf Initiative von Australien, Japan und den USA. Zu diesem Zeitpunkt waren zwölf Länder Mitglied der APEC. In seinen Anfängen war der Verbund hauptsächlich ein Forum informeller Gespräche. Mit zunehmender Zusammenarbeit wurden gemeinsame Gipfelkonferenzen, die inzwischen jährlich stattfinden, als Diskussions- und Entscheidungsforum geschaffen. In der Folge beschäftigt sich die APEC nicht nur mit Fragen der Kapitalmärkte, des Abbaus von Handelsschranken und der grenzüberschreitenden Wirtschaftskooperation, sondern auch mit Themen wie Zukunftstechnologien, Bildung, Frauen, Jugend, ökologischer und nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung, der Reform der APEC, sowie der Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Während der jährlichen Gipfelkonferenzen kommt es häufig zu Demonstrationen, die von Gewalt begleitet sind.
1994 wurde in Bogor, Indonesien das Ziel der Errichtung einer Freihandelszone im asiatisch-pazifischen Raum für die Industrienationen ab 2010 und für die Entwicklungsländer ab 2020 entworfen. Zur Förderung dieses Zieles entwarfen die Mitgliedstaaten nationale Aktionspläne. Eine Überprüfung der Ergebnisse findet in Form jährlicher Fortschrittsberichte auf den Gipfeltreffen statt. Seit 2002 sind auch bilaterale oder mutlilaterale Abkommen untereinander zugelassen. Die Abkommen müssen den Regeln der WTO entsprechen. Apec-Mitglieder haben bisher mehr als 40 solcher Abkommen unterschrieben. In den 21 Apec-Staaten lebt knapp die Hälfte der Weltbevölkerung. Der Wirtschaftsraum erbringt mehr als die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung und ist eine der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsregionen der Welt.

Mitgliedstaaten der APEC
Mitglieder sind Australien, Brunei, Chile, Volksrepublik China, Hongkong, Indonesien, Japan, Kanada, Südkorea, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Papua-Neuguinea, Peru, Philippinen, Russland, Singapur, Taiwan, Thailand, USA und Vietnam.

Prinzipien
Die APEC agiert auf der Basis nicht-bindender Abkommen. Alle Entscheidungen des Forums werden im Konsens getroffen. Seit 1997 werden keine neuen Mitglieder mehr aufgenommen, erst 2007 dürfen neue Anträge gestellt werden. Dieser Zeitraum soll der Konsolidierung der Zusammenarbeit dienen. Das Budget der APEC ist relativ gering. Es beläuft sich auf knapp 3,5 Mio US-Dollar pro Jahr, welche durch Mitgliedsbeitäge der APEC-Staaten aufgebracht werden. Alleine Japan investiert mehr Geld (3-4 Mio US-Dollar jährlich) in einen speziellen Liberalisierungsfonds der Organisation. Die Treffen auf APEC-Ebene werden stets von Gästen und Beobachtern begleitet. Dazu gehören Vertreter der Association of South East Asian Nations (ASEAN), des Pacific Economic Cooperation Council (PECC), des Pacific Islands Forum (PIF) und anderen Interessenvertretern aus dem öffentlichen und privaten Sektor.

Quelle: Wikipedia



Forum der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftszusammenarbeit schafft Sicherheitssysteme

Von Dmitri Kossyrew, RIA Nowosti

Der Beginn des APEC-Forums "Asiatisch-Pazifische Wirtschaftszusammenarbeit" in Pusan (Südkorea) hat einmal mehr bereits Offensichtliches bestätigt: Diese Gemeinschaft ist keine "pazifische WTO" und kann nicht deren Funktionen wiederholen.

Dafür ist sie imstande, erfolgreich zahlreiche andere Dinge zu tun, die zur Wirtschaft nur in indirekter Beziehung stehen, die jedoch niemand anders bewältigen könnte.

Das Forum "Asiatisch-Pazifische Wirtschaftszusammenarbeit" ist nicht einmal eine Organisation, sondern ein das Jahr über funktionierender Mechanismus zur Herausbildung einer einheitlichen Wirtschaftsgemeinschaft in einer Riesenregion, die gemäß den in Pusan bekannt gegebenen neuen Schätzungen 57 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Welt liefert und 45,8 Prozent des Welthandels sichert. Die Senkung der Zolltarife auf ein Minimum und die Schaffung einer einheitlichen weltweiten Freihandelszone (woran die WTO gegenwärtig arbeitet) sind im Prinzip ein starkes Bedürfnis der 21 Wirtschaften, die der APEC angehören. Und es wird erwartet, dass bei dem Gipfeltreffen am Wochenende, zu dem George Bush, Hu Jintao, Wladimir Putin, Junichiro Koizumi und andere führende Politiker des Forums bereits eintreffen, diese eine Sondererklärung über die WTO abgeben werden.

So erscheint schon seit mehreren Jahren eine Erklärung zur Unterstützung des baldigsten WTO-Beitritts von zwei APEC-Mitgliedern, die der WTO vorläufig nicht angehören: Russland und Vietnam. Eine solche Erklärung auf höchster Ebene wird auch in Pusan vorbereitet. Doch ist völlig unklar, was sich durch diese Aktion verändern wird. Am ehesten nichts. Auch insgesamt löst die Wirksamkeit einer solchen Erklärung der führenden Politiker große Zweifel aus: Ob mit der Erklärung oder ohne sie, die Frage der Subventionen der Europäischen Gemeinschaft für die eigene Landwirtschaft treibt das im Dezember bevorstehende WTO-Forum direkt auf Riffe zu. Die APEC dagegen gewinnt immer mehr an Kraft und Prestige. Neue, gerade in Pusan zutage tretende Arbeitsrichtungen dieses Forums geben die Antwort auf die Frage nach dem Warum.

Vereinigend für diese Richtung ist der Begriff human security, persönliche Sicherheit. Zumindest ist diese Formulierung im Abschlussdokument der hier am 16. November beendeten Beratung der Handels- und Außenminister der APEC-Länder enthalten. Die Beratungen selbst sind ein standardmäßiger Bestandteil des Forums.

Zur Human Security wird in der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftszusammenarbeit der Kampf gegen den Terrorismus, die Infektionsseuchen, das Reagieren auf Naturkatastrophen und das vorläufig nicht sehr klare Problem der energetischen Sicherheit gerechnet.

Wassili Dobrowolski, Sonderbotschafter des russischen Außenministeriums und der ranghöchste Beamte Russlands in der APEC, sagt, dass in dieser pazifischen Struktur schon seit Jahren auf dem Papier eine "virtuelle Sondergruppe" für das Reagieren auf Notstandsituationen besteht. Kurz vor dem Forum in Pusan ergriffen Russland, Thailand und Australien die Initiative, die Gruppe wieder zum Leben zu erwecken - und das nicht nur auf dem Papier.

Es geht gewiss nicht um die Schaffung einer mächtigen supranationalen Institution. Die APEC-Erfahrungen zeigen, dass jedes Land selbstständig gegen extreme Situationen gekämpft hat und das auch künftig tun wird. Doch eine Koordinierung der Handlungen, ein Austausch von Fakten, Informationen und Technologien erweisen sich als erstaunlich erfolgreich und zeitigen Ergebnisse.

Dieser Effekt trat 2003 während der Bekämpfung der SARS-Epidemie zutage. Jenen Kampf gegen die atypische Lungenentzündung zählt die APWZ mit Recht zu ihren Verdiensten: Schon die einfache Zusammenlegung der Datenbanken der Immigrationsdienste und des Gesundheitsschutzes war eine sehr gute Idee und sicherte einen Erfolg.

Es ist begreiflich, dass sich die APEC in diesem Jahr mit ähnlichen Ideen der sich annähernden neuen Welle der Vogelgrippeepidemie stellt. Die Grippe war denn auch eines der Hauptthemen des Forums in Pusan. Im Zuge des Forums am Wochenende sollen die Ergebnisse des APEC-Symposiums über die Grippe (Brisbane, Australien) vorgelegt werden. Darin sind Vorschläge darüber enthalten, was die 21 Wirtschaften der Region angesichts der nahenden Seuche unternehmen können und müssen. Aus dem APEC-Etat sind dafür als erste Tranche bereits 2 Millionen Dollar bereitgestellt worden.

Zur Gewährleistung der Human Security gehören auch die Reaktion der pazifischen Regierungen auf Naturkatastrophen, zum Beispiel auf den Tsunami vom vorigen Jahr.

Man sollte meinen: Was ließe sich gegen eine riesige Flutwelle tun, selbst wenn alle Regionen und die ganze Welt ihre Anstrengungen vereinigen? Nun, es lässt sich beispielsweise ihr Kommen vorhersagen, außerdem kann man es lernen, die Hilfe nach den Schlägen der Flut schnell und richtig zu erweisen.

Aus diesen Erwägungen heraus wird am 18. November in Pusan das Klimazentrum der APEC eröffnet, wo die aus der ganzen Region eingehenden Informationen über "ungewöhnliches Wetter" eintreffen werden. Eben dort wird ein Forschungszentrum arbeiten. Alles zusammen ist ein typisch koreanischer Beitrag zur APEC, da sich die Koreaner in der Region gegenwärtig offensichtlich auf alles spezialisieren, was mit der Informationsbearbeitung zusammenhängt, und darin die Japaner und alle anderen überholen.

In den APEC-Strukturen werden auch die Erfahrungen des russischen Zivilschutzministeriums gründlich studiert, besonders nach seiner erfolgreichen Arbeit in Indonesien bei der Beseitigung der Tsunami-Folgen. Eine große Sondergruppe für das Reagieren auf außerordentliche Situationen wird, wie es aussieht, auch die Arbeit in der APEC im Bereich der energetischen Sicherheit und zur Bekämpfung der Korruption koordinieren. All das sind auf den ersten Blick keine Wirtschaftsfragen, aber sie wirken sich direkt auf das Geschäftsklima in der Pazifischen Region aus. Solche Fragen werden sich offenbar mit der Zeit nur noch mehren.

Wie der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte, habe man bei dem hier abgeschossenen Ministertreffen allgemeine Sicherheitsmaßnahmen erörtert: einen "pazifischen Standard" auf den Flughäfen und bei allen Verkehrsmitteln. Russland schlug vor, im APEC-Rahmen außerdem ein einheitliches Informationszentrum der nautischen Sicherheit anzulegen.

Diese neue Politik soll im Laufe des bevorstehenden Jahres gelten - bis zum nächsten Forum in Vietnam.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur Novosti, 16. November 2005 (Rubrik: "Analysen und Kommentare").


Proteste gegen Bush und Freihandel

In Südkorea beginnt das Gipfeltreffen der Pazifikanrainer. Großdemo geplant

Von Wolfgang Pomrehn*


In der südkoreanischen Hafenstadt Pusan beginnt am heutigen Freitag das jährliche Gipfeltreffen der Pazifikanrainer-Staaten, zu dem die 21 Staats-und Regierungschefs der APEC (Asia Pacific Economic Cooperation) erwartet werden. Bereits seit Mittwoch tagen die Außen- und Wirtschaftsminister und bereiten die Abschlußerklärungen vor. Auf der Tagesordnung stehen vor allem Gespräche über eine weitere Liberalisierung des Welthandels. US-Präsident George W. Bush, der ebenfalls am APEC-Gipfel teilnehmen wird, war bereits am Mittwochabend zu Gesprächen mit der südkoreanischen Regierung in Seoul eingetroffen. Mitglied der APEC sind unter anderem China, Japan, Kanada, die USA, Australien, Mexiko, Indonesien sowie weitere lateinamerikanische und asiatische Länder.

Bereits am Sonntag kam es zu ersten Protesten gegen den Besuch Bushs und das APEC-Treffen. Mehrere tausend Menschen folgten dem Aufruf des Dachverbandes der demokratischen Gewerkschaften, der KCTU, zu einer Demonstration in Seoul, gegen die die Regierung 20000 Polizisten aufmarschieren ließ. Am Dienstag folgten Demonstrationen der Bauern. Rund 12000 Menschen protestierten gegen die Erhöhung der Einfuhrquoten für Reis, die das Parlament in Seoul im Vorgriff auf die Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO beschlossen hatte. Die koreanischen Kleinbauern befürchten, daß viele Familienbetriebe angesichts der Konkurrenz billiger Importware nicht bestehen können. Auch am Dienstag zeigten sie erneut ihren Kampfgeist. Als sie ein großes Bild des US-Präsidenten verbrannten, wurden sie von einem massiven Polizeiaufgebot angegriffen. Daraus entwickelte sich eine dreistündige Straßenschlacht.

Das könnte der Auftakt für größere Auseinandersetzungen gewesen sein. Für den heutigen Freitag erwartet ein breites Bündnis aus Bauernorganisationen, Gewerkschaften und Globalisierungskritikern bis zu 100000 Menschen zu einer Demonstration in Pusan, im Süden des Landes.

Unterdessen haben sich die Minister bereits auf eine Erklärung geeinigt, mit der die 148 Mitglieder der WTO aufgefordert werden, den Verhandlungen neuen Schwung zu geben und das WTO-Ministertreffen in Hongkong von 13. bis zum 18. Dezember nicht scheitern zu lassen. Der »erfolgreiche und ausgewogene« Abschluß der sogenannten Doha-Entwicklungsrunde zum Jahresende 2006 sei von außerordentlicher Bedeutung. Dabei handelt es sich um ein Paket von Verhandlungen über den Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen auf fast allen Gebieten, die 2001 in der Hauptstadt des Golf-Staats Katar gestartet worden waren. Die APEC-Länder sind sich im wesentlichen in ihrem Wunsch nach Ausweitung des Freihandels einig. Allerdings gehört ein Teil der Mitglieder, wie etwa die Philippinen, zu den scharfen Kritikern der Agrarsubventionen der EU und der USA, an denen die WTO-Verhandlungen in Cancún gescheitert waren.

* Aus: junge Welt, 18. November 2005


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