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Hanoi will keinen Bush-Krieg

Aufmarsch der Mächtigen beim APEC-Gipfel in Vietnams Hauptstadt

Von Detlef D. Pries

Nach Bill Clinton im Jahr 2000 ist George W. Bush dieser Tage als zweiter USA-Präsident zu Gast in Vietnam. Anlass seines Besuchs in dem Land, das USA-Generäle einst in die Steinzeit zurückbomben wollten, ist das Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft APEC.

Erinnerungszeichen an den »Amerikanischen Krieg«, wie er in Vietnam genannt wird, findet man in Hanoi durchaus noch, doch wenn George W. Bush am Freitag in der vietnamesischen Hauptstadt eintrifft, muss er keine Protestdemonstrationen fürchten. Die Vietnamesen – und das meint nicht nur die Staatsführung – sind längst versöhnlich gestimmt. Zumal die USA inzwischen der wichtigste Handelspartner Vietnams sind. Im Jahre 2005 erreichte der Handelsaustausch zwischen beiden Staaten einen Wert von 7 Milliarden Dollar, und Vietnams Ministerpräsident Nguyen Tan Dung sagt für 2010 ein Volumen von 15 Milliarden Dollar voraus. Zum Vergleich: Der Handelsaustausch mit Russland als Erbe des einst wichtigsten Partners der Vietnamesen, der Sowjetunion, belief sich 2005 auf rund 1 Milliarde Dollar. Auf der Liste der Investoren in Vietnam nehmen die USA den 9. Platz ein, Russland rangiert auf Platz 22.

Nicht nur die Führung in Hanoi, auch Bush und die Konzernvertreter in seinem Tross nennen es »bedauerlich« und »unglücklich«, dass ein Gesetz zur vollständigen Normalisierung des Handels mit Vietnam am Montag im Washingtoner Repräsentantenhaus die erforderliche Zweidrittelmehrheit nicht erhielt. Eine zweite Abstimmung, die demnächst anberaumt werden soll, dürfte jedoch glücken, denn andernfalls müssten USA-Unternehmen, die auf den vietnamesischen Markt drängen, weiterhin »hausgemachte« Erschwernisse in Kauf nehmen. Für die Attraktivität dieses Marktes spricht auch, dass Vietnam von den 21 APEC-Mitgliedern nach China derzeit das schnellste Wachstum aufweist. 2005 wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 8,4 Prozent (China 10,2 Prozent).

Beim APEC-Gipfel wird sich indes längst nicht alles um Bush drehen. Chinas Präsident Hu Jintao, Russlands Staatschef Wladimir Putin, Japans Premier Shinzo Abe und andere beanspruchen nicht weniger Aufmerksamkeit als der immer noch mächtige, aber geschwächte USA-Präsident. Prof. Zhuang Jianshong von der Shanghaier Jiaotong-Universität äußerte gegenüber BBC gar: »Die meisten asiatischen Staaten schauen inzwischen mehr auf China als auf die USA.« Tatsächlich erfreut sich Peking dank seiner umsichtigen, auf die Vermeidung von Konfrontationen bedachten Außenpolitik wachsender Sympathien. Nachdem Japan und die Philippinen ihre Truppen aus Irak abgezogen haben, gehören von den APEC-Staaten nur noch Südkorea und Australien zur »Koalition der Willigen«. Und im Problemfall Nordkorea, mitten im APEC-Raum angesiedelt, dürfte selbst Südkoreas Präsident Roh Moo Hyun daran interessiert sein, dass China und Russland die USA zu mehr gutem Willen im Dialog mit der KDVR »ermutigen«.

In Washington gibt man sich dennoch zuversichtlich, dass die USA in Asien nicht gar zu viel Terrain an China verlieren. Der »erwachende Riese« schüre auch gewisse Ängste, so dass niemand auf China als alleinigen Stabilitätsgaranten in der Region setzen wolle, heißt es in Kommentaren. Indonesiens Vizepräsident Jusuf Kalla bestätigte das, als er kürzlich sagte, sein Land habe zwar andere Ansichten (als Bush) zu Nahost, Palästina, Irak, Iran, »das hindert uns aber nicht, gute Beziehungen zu den USA zu pflegen«. Dieselben Worte könnten aus dem Mund eines der vietnamesischen Gastgeber des APEC-Gipfels kommen.

* Aus: Neues Deutschland, 17. November 2006


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