Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Diskriminierung kostet / Gender discrimination estimated to cost region almost $80 billion per year

UN-Bericht für asiatisch-pazifischen Raum listet volkswirtschaftliche Chancen von mehr Gleichberechtigung auf / UNESCAP Survey "Surging Ahead in Uncertain Times"

Von Thomas Berger *

Bis zu 80 Milliarden Dollar volkswirtschaftliche Kosten verursacht die Diskriminierung von Frauen jedes Jahr in den Ländern des asiatisch-pazifischen Raumes. Zu diesem Ergebnis sind Experten der Vereinten Nationen in ihrem jüngsten Jahresbericht zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Weltregion gekommen, der am 18. April veröffentlicht wurde. Am Hauptsitz der UN-Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik (UNESCAP) in Bangkok ebenso wie in anderen Metropolen machten die Verfasser deutlich, welch schädliche Auswirkungen der schlechte Zugang von Frauen zum Bildungswesen, zur Gesundheitsfürsorge und zu beruflicher Gleichberechtigung wie auch ihre geringe Präsenz im politischen Leben hat. Bis zu 47 Milliarden Dollar verliert die Region nach Schätzungen der Wissenschaftler allein durch den schlechten Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Ungleichbehandlung bei der Bildung verursacht einen volkswirtschaftlichen Schaden von 16 bis 30 Milliarden.

Ökonomische Unvernunft

Die UNESCAP hat damit erstmals die Diskriminierung von Frauen nicht nur unter Menschenrechts-, sondern auch unter knallharten ökonomischen Aspekten untersucht und sogar beziffert. So würde allein in Indien ein annähernd gleichberechtigter Zugang der Frauen zum Arbeitsmarkt einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um mehr als ein Prozent bewirken. Das wären stolze 19 Milliarden Dollar. In Malaysia und Indonesien gebe es ebenfalls große Potentiale, meinen die UN-Experten.

Lediglich in China stellen Frauen schon heute einen angemessenen Teil der Arbeitskräfte, wie Kim Hak-Su, UN-Untergeneralsekretär und Exekutivchef von UNESCAP, in einem Beitrag für die nepalesische Tageszeitung Kathmandu Post ausführt. Im UN-Bericht werden die Regierungen der Staaten aufgefordert, beim gleichberechtigtem Zugang zum Arbeitsmarkt selbst Vorreiter zu sein. Was gleichen Lohn für gleiche Arbeit, die Frauenbeschäftigung insgesamt und den Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz angehe, könnten die öffentlichen Arbeitgeber Vorbild für den privaten Sektor sein. In den meisten untersuchten Ländern gebe es noch einen Mangel an gesetzlichen Regelungen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung. Und dort, wo es sie gebe, fehle vielfach die Kontrolle der Einhaltung von Schutzvorschriften.

Nach dem UNESCAP-Bericht liegt die Einschulungsrate bei Mädchen in der Asien-Pazifik-Region um 26 Prozent unter der von Jungen. Hinzu kommt, daß viele Familien ihre Töchter vorfristig, spätestens nach Abschluß der Primarstufe, aus der Schule nehmen – sei es aufgrund angeblich religiös geprägter Traditionen oder wegen fehlender finanzieller Mittel. Daß zumindest der älteste Sohn eine ordentliche Bildung haben soll und alle Geschwister, besonders die weiblichen, zurückzustehen haben, sei in den südasiatischen Ländern mit Indien an der Spitze besonders augenfällig.

Dabei sei die Investition in Bildung bei Frauen sehr viel besser angelegt, meinen die Verfasser des Berichts. Kim Hak-Su zitiert in seinem Beitrag die Redensart, wonach man mit einem Mann nur eine Person, mit einer Frau eine ganze Familie unterrichte. Die Diskriminierung setze sich im Gesundheitsbereich fort: In einigen der untersuchten Staaten stirbt jedes zehnte Mädchen vor Vollendung seines ersten Lebensjahres und jede 50. Frau während einer Schwangerschaft oder Geburt. Daß sich die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen in den letzten 50 Jahren von 44 auf 70 Jahre gesteigert habe, könne diesen Umstand nicht wettmachen. Zudem klafft die Schere zwischen entwickelteren Staaten wie Malaysia, Südkorea und Thailand und den armen Nationen weit auseinander. Der Rückgang bei der Säuglingssterblichkeit von 171 auf 52 pro 1000 Geburten im letzten halben Jahrhundert sei zwar ein großer Erfolg, reiche aber längst nicht aus.

Neue Konzepte gefragt

Die Regierungen müßten mit neuen Konzepten die bestehenden Ungleichgewichte zu beheben versuchen. Mehr Frauen in Bildungsberufe zu bringen, wäre ein wichtiger Schritt hin zu mehr Chancengleichheit für Mädchen beim Schulbesuch, schreibt Kim Hak-Su. Die wohnortnahe Einrichtung von Schulen, um die Wege gerade für Mädchen aus traditionsgeprägten Gesellschaften zu begrenzen, sei ein weiterer Anreiz. Im Bericht wird auch die Einführung einer kostenlosen Grundschulbildung und die Bereitstellung von Stipendien für Mädchen gefordert.

Gewürdigt werden die Erfolge in einigen Ländern hinsichtlich des Engagements für mehr politische Gleichberechtigung. Die 33-Prozent-Quote für Frauen in Indiens lokalen und regionalen Parlamenten sei wegweisend. Insgesamt habe sich im asiatisch-pazifischen Raum die Zahl der weiblichen Abgeordneten seit 1997 um beachtliche 50 Prozent erhöht.

Surging Ahead in Uncertain Times

Economic and Social Survey of Asia and the Pacific 2007
ed. by UNESCAP (United Nations Economic and Social Commission for Asia and the Pacific)
United Nations publication, 2007, ISBN: 978-92-1-120494-0; ISSN: 0252-5704
Der Report im Internet: www.unescap.org (pdf-Datei)

Special study: Gender inequality continues – at great cost

UNESCAP estimates the region is losing US$42-47 billion a year because of restrictions on women's access to employment – and another US$16-30 billion a year because of gender gaps in education.

If its female work force participation was placed on a par with United States, according to the 2007 Survey, India's gross domestic product (GDP) would be lifted by 1.08 percentage points – a gain to the economy of US$19 billion. Significant gains could also be achieved in Malaysia and Indonesia, but less for China, where female labour force participation is already considerably higher.

Failure to allow women to realize their economic potential in the work place has led to gaps of between 30 and 40% in male-female labour force participation rates across the region.

Disparities exist over a wide range of areas – from low access to education and health services, to economic opportunities and through to political participation.

According to the Survey, gender balance can be achieved at minimum of effort and cost provided there is political commitment at the highest level.

The 2007 Survey also contains a review of the region's economic performance in 2006; an evaluation of subregional performance, challenges and policies; and a discussion of five key policy issues on its watch list: monitoring vulnerability to currency crisis; boosting domestic demand through private investment, especially in East Asia; reaping the one-off demographic dividend; managing urban growth; and promoting green growth to sustain development.

** www.unescap.org


Zurück zur Asien-Seite

Zurück zur Homepage