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Annäherung im Pekinger "Raumschiff"

Trotz weiter bestehender Differenzen bemüht sich asiatisch-pazifische Gipfel um mehr Zusammenarbeit

Von Olaf Standke *

Die Staaten des Asien-Pazifik-Raumes wollen auf dem APEC-Gipfel in Peking enger zusammenrücken, um vor allem ihre wirtschaftliche Kooperation voranzutreiben.

Die schimmernde metallische Kugel, die da am Ufer des Yanqi, des »Sees der Wildgänse« eine Stunde nördlich von Peking im Grünen wie ein Raumschiff aus fernen Welten anmutet, ist Teil des neu errichteten Tagungsorts für die Staats- und Regierungschefs des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsraums. Der Hotelkomplex in Huairou hat über eine Milliarde US-Dollar verschlungen, ein Summe die so passend für den APEC-Gipfel ist wie sein chinesischer Name: »Richu Dongfang«, Sonnenaufgang im Osten. Kurz vor Beginn der Tagung hatte Chinas Präsident Xi Jinping noch einmal seine Vision verkündet: »Wir haben die Verantwortung, einen asiatisch-pazifischen Traum für die Menschen der Region zu realisieren«, sagte er bei einem Treffen von Führern aus Wirtschaft und Politik, das dem jährlichen Gipfel vorausgeht. Die 1989 gegründete APEC, der 21 Länder und Regionen angehören, repräsentiert heute 40 Prozent der Weltbevölkerung und 57 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung; sie wickelt 48 Prozent des Welthandels ab. »Für die Asien-Pazifik-Region und die Welt im Ganzen« werde Chinas Entwicklung »enorme Möglichkeiten und Vorteile generieren«, betonte Xi. Aber natürlich basiere der beschworene Traum auf einem »gemeinsamen Schicksal« von Frieden, Entwicklung und Vorteilen für die Region.

So begann dann auch der offizielle Gipfel am Montag mit versöhnlichen Gesten und Appellen zu engerer Kooperation. Trotz aller Differenzen versicherte etwa USA-Präsident Barack Obama, dass die Vereinigten Staaten »den Aufstieg eines wohlhabenden, friedlichen Chinas willkommen heißen« würden. Man verständigte sich in Peking auf umfassende Visumvereinbarungen: Befristete Einreisegenehmigungen für Touristen und Geschäftsleute beider Länder sollen künftig bis zu zehn Jahre statt nur ein Jahr gültig sein, Visa für Studenten fünf Jahre gelten. In Washington sieht man das als einen wichtigen Erfolg, der die für Dienstag angesetzten bilateralen Gespräche der beiden Staatschefs beflügeln könnte.

Besserung scheint es auch in den schwierigen Beziehungen zwischen China und Japan zu geben. Erstmals seit zwei Jahren empfing Staats- und Parteichef Xi Jinping den Tokioter Regierungschef Shinzo Abe. Wegen des Streits um eine chinesisch Diaoyu und japanisch Senkaku genannte Inselgruppe im Ostchinesischen Meer sowie der Pekinger Vorwürfe angesichts der mangelnden Aufarbeitung japanischer Kriegsgräuel durch Tokio herrschte zuletzt politisch-diplomatische Eiszeit zwischen den asiatischen Nachbarn und Rivalen.

Mit Südkorea einigte sich der Gastgeber auf einen bilateralen Freihandelspakt. Fortschritte soll es auch bei den Verhandlungen mit den USA um das Freihandelsabkommen TPP (Transpazifische Partnerschaft) von zwölf Staaten der Region gegeben haben. Hier allerdings sitzt China nicht am Tisch. Die gemessen am Bruttoinlandsprodukt zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt verfolgt ein eigenes Projekt, die Freihandelszone Asien-Pazifik (FTAAP). Auch für diese haben die APEC-Staaten trotz Washingtoner Bedenken zumindest einen »Fahrplan« verabschiedet. Offen blieb dagegen, ob es am Rande des Gipfels auch noch zu einem Treffen zwischen USA-Präsident Obama und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin kommen werde.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. November 2014


Tauwetter

Olaf Standke über die Beziehungen zwischen China und Japan **

Den Smog über der 20-Millionen-Metropole Peking konnten die Gastgeber des APEC-Gipfels trotz Fabrikschließungen und Fahrverboten nicht verhindern. Doch bemühen sie sich augenscheinlich um ein politisches Klima, das dem Namen des Tagungskomplexes »Sunrise« gerecht wird. Dazu gehörte am ersten Gipfeltag fraglos der symbolische Händedruck von Staatschef Xi Jinping und Japans Ministerpräsident Shinzo Abe nach zweijähriger Eiszeit in den Beziehungen beider Länder.

Abe sieht darin einen ersten Schritt zur Verbesserung des bilateralen Verhältnisses – und mehr ist das in der Tat nicht. Aber es wäre schon ein nächster, wenn es endlich einen direkte Draht geben würde, um militärische Eskalationen auf hoher See zu vermeiden. Denn neben den geschichtsvergessenen Provokationen durch den Besuch japanischer Spitzenpolitiker – auch von Abe – am Yasukuni-Schrein ist es der Streit um ein unbewohntes Archipel im Ostchinesischen Meer, der für frostiges Klima gesorgt hat. Noch war die von Tokio kontrollierte und von Peking beanspruchte Inselgruppe, die große Rohstoffvorkommen bergen soll, aber kein Thema beim Gespräch am Rande des Gipfels. Doch haben sich beide Seiten zumindest darauf verständigt, ihren politischen, diplomatischen und sicherheitsrelevanten Dialog schrittweise wieder aufzunehmen.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. November 2014 (Kommentar)


Kreml bietet Fernost mehr als Gas

Russland wirbt auf APEC-Gipfel Kunden und China löst Deutschland ab

Von Irina Wolkowa, Moskau **


Für die westlichen Widerstände gegen das Southstream-Projekt – jene Pipeline, die Südeuropa unter Umgehung der Ukraine mit russischem Gas versorgen soll – hatte GaspromChef Alexei Miller in Peking nur ein Achselzucken und einen einzigen Satz. Southstream habe keinen Vorrang mehr. Grund sind die großen Verhandlungsfortschritte mit China und andere Interessenten in Fernost. Das Thema Energie dominierte sowohl die Verhandlungen, die Russlands Präsident Wladimir Putin in China mit Staatschef Xi Jinping führte, als auch die zweitägigen Konsultationen der APEC. Dort unterbreitete der Kremlchef den Staaten der Region verlockende Angebote für eine gemeinsame Infrastruktur in den Bereichen Energie und Telekommunikation. Diese Richtungen seien für den gesamten asiatisch-pazifischen Raum vorrangig, sagte er bei einem Treffen mit Wirtschaftsführern.

Die Weichen hatten Putin und Xi schon bei ihren Konsultationen am Sonntag gestellt. Beide Staaten wollen im Rahmen ihrer strategischen Partnerschaft ein Gemeinschaftsunternehmen für die Produktion von verflüssigtem Erdgas (LNG) gründen. Vor allem aber wird das Reich der Mitte zum besten Auslandskunden von Gasprom aufsteigen. Diesen Status hat noch Deutschland inne. »Unsere verehrten chinesischen Partner«, so Gasprom-Chef Miller, kauften künftig die gleiche Tagesmenge wie die Bundesrepublik. Mit künftig ist 2019 gemeint. Dann soll Sila Sibirii – die Stärke Sibiriens – in Betrieb genommen werden: Eine 3000 km lange Gasleitung, die von der nordostrussischen Teilrepublik Jakutien nach China führt und derzeit das weltweit größte Investitionsprojekt ist. Baubeginn war im September. Allein der sibirische Abschnitt schlägt mit 55 Milliarden Dollar zu Buche.

Dazu will Gasprom Darlehen bei chinesischen Banken aufnehmen. Laut russischen Wirtschaftsexperten würden diese angesichts westlicher Sanktionen wegen Moskaus Ukraine-Politik den goldenen Schnitt machen. Seit der westliche Kapitalmarkt für russische Geldhäuser faktisch geschlossen ist, würden sie sich vor allem in China mit Frischgeld versorgen. Auch darüber redeten Putin und Xi. Die »Rossijskaja Gaseta«, das Amtsblatt der russischen Regierung, sprach vom »Beginn eines Durchbruchs«, auf den beide gewartet hätten. Endlich würde Peking »deutlich aktiver in die russische Wirtschaft investieren«. Aber auch außenpolitisch wollen beide ihre Zusammenarbeit intensivieren. Das, so Xi, entspräche den Belangen des chinesischen und des russischen Volkes. Freundschaft mit China, stimmte Putin bei, werde die Welt stabiler machen. Experten, darunter auch westliche, hatten beizeiten gewarnt: Druck des Westens werde Russland, das aufgrund seiner geografischen Gegebenheiten ohnehin mit einem Bein in Asien steht, dazu veranlassen, auch das zweite Richtung Osten zu verlagern.

Dort liegen China und die Pazifikregion, ist die Mehrheit der G20-Staaten angesiedelt. Deren Gipfel findet am Wochenende in Australien statt. Die Stärkung der G20-Gruppe – ihr gehören die weltweit größten Volkswirtschaften an – lag Putin schon am Herzen, bevor die G8-Gruppe – das Kartell der alten Industrienationen – den Gipfel in Sotschi im Juni platzen ließ. Konsultationen mit deren Staatschefs in Brisbane stünden nicht auf Putins Agenda, ließ sein Pressechef wissen. Wohl aber ein Treffen mit den Amtskollegen aus den BRICS-Staaten, den am schnellsten wachsenden Schwellenländern. Darunter ist auch Freund Xi, den Putin bereits zum sechsten Mail in diesem Jahr trifft.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. November 2014


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