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Prinzip kalte Schulter

Wenig Bewegung beim Südasien-Gipfeltreffen in Nepal. Gegensätze der Führungsmächte des Kooperationsbundes behindern Fortschritte

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die Staats- und Regierungschefs Südasiens haben am Mittwoch ihre Gipfelkonferenz in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu begonnen. Die Hoffnung auf eine mehr als symbolische Begegnung zwischen Indiens Premier Narendra Modi und seinem pakistanischen Amtskollegen Nawaz Sharif erfüllte sich nicht.

Das Verhältnis dieser beiden nuklear bewaffneten Staaten zueinander gilt als Schlüsselproblem für sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt sowie für die Sicherheit auf dem ganzen Subkontinent. Die Regierungschefs warten indes auf den jeweils anderen, von dem sie erste Schritte erwarten. Sharif setzt auf eine Einladung des »großen Bruders« zum Gespräch. Modi ließ zuletzt mitteilen, er sei nur zu einer substantiellen Begegnung bereit. Diese Positionen ließen erkennen, dass außer einem Händedruck und ein paar belangloser Bemerkungen von den beiden Premiers nichts zu erwarten war, was der Südasiatischen Assoziation für Regionalkooperation (SAARC) einen kräftigen Impuls verliehen hätte. Seit Indien im August einseitig Beratungen zwischen den Außenamtssekretären beider Länder abgesagt hatte, warten die Verantwortlichen in Islamabad auf ein Zeichen zur Wiederaufnahme der Kontakte. Der Ball sei nun in der indischen Spielhälfte, meinte Sharif. Neu-Delhi hingegen verlangt von Pakistan als Vorbedingung den Abbau von »terroristischen Strukturen« auf dessen Territorium und ein Ende der Unterstützung separatistischer Rebellen in Kaschmir.

Mehrere der acht Staats- und Regierungschefs aus den SAARC-Mitgliedsstaaten Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, Indien, Malediven, Nepal, Pakistan und Sri Lanka gingen in ihren Reden auf die Gefahren ein, die vom »Terrorismus« drohten. Sri Lankas Präsident Mahenda Rajapaksa bezeichnete ihn als »fundamentale regionale und internationale Herausforderung«. Der afghanische Präsident Ashraf Ghani unterstrich die Notwendigkeit, das Problem gemeinsam zu bekämpfen. Und Modi erinnerte an die Verpflichtung der SAARC-Mitglieder, entschlossen gegen die daraus entstehende Bedrohung und gegen transnationale Verbrechen vorzugehen. Der Premier erwähnte in diesem Zusammenhang das Massaker vom 26. November 2008 in Mumbai. Dieses war von aus Pakistan gekommenen Killern verübt worden, 166 Menschen starben und 304 wurden verletzt. Der Horror dieser Greultat und das erlittene Leid, so Modi, bereiteten der Nation auch sechs Jahre danach noch endlosen Schmerz.

Selbstkritisch stellten sich die SAARC-Repräsentanten zu ihren Versäumnissen. In den fast 30 Jahren des Bestehens der Organisation wurde wenig von dem erreicht, was die Bevölkerung erwartet hatte, obwohl gerade in dieser Region riesiger Nachholbedarf besteht. Pakistans Premier Sharif umriss die Vision von einem Südasien, »das frei von Disputen ist und wo anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen, die Länder miteinander Armut, Analphabetismus, Krankheiten, Unterernährung und Arbeitslosigkeit« als Herausforderung betrachten. Modi beschrieb seine Sicht des Kooperationsbundes so: Handel, Investment, Entwicklungshilfe, Kooperation auf jedem Gebiet und Kontakte der Bürger zueinander. Er kündigte die Vergabe von speziellen Visa über für eine Dauer von drei bis fünf Jahren an, die SAARC-Geschäftsleuten die Arbeit erleichtern sollen. Im Gegensatz dazu blockierte Pakistan die Unterzeichnung von Abkommen über grenzüberschreitende Energieversorgungssysteme sowie Verbesserungen der Straßen- und Schienenwege.

In der SAARC-Region lebt rund ein Viertel der Weltbevölkerung. Doch hier wohnen gleichzeitig mehr arme Menschen als im Rest der Welt. Nach dem Subsahara-Raum gilt Südasien als jene Region, die im Weltmaßstab gesehen am geringsten entwickelt und wirtschaftlich integriert ist. Die südasiatischen Staaten sind mit anderen Ländern besser verbunden als untereinander. Trotz einer seit 2006 existierenden Freihandelszone entfallen lediglich fünf Prozent ihres gesamten Warenaustausches auf regionalen Handel.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 27. November 2014


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