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Aborigines wehren sich

Protestaktionen gegen Intervention der Regierung in indigenen Gemeinden Australiens und wachsende internationale Kritik

Von Maria Röckmann, Brisbane *

In Sydney, Melbourne und Alice Springs sind am Freitag zahlreiche Menschen für die Rechte der Aborigines, der Ureinwohner Australiens, auf die Straße gegangen. Es waren die bislang größten Solidaritätsaktionen für die Menschen im Nordosten des fünften Kontinents, deren einst autonome Gemeinden seit drei Jahren strengen diskriminierenden Kontrollen durch die Behörden unterworfen sind. So herrschen zum Beispiel strikte Alkoholverbote, Ländereien wurden zwangsweise an die Regierung verpachtet, Sozialhilfegelder werden zum Teil nur noch in Form von Sachgutscheinen ausgegeben.

Die australische Regierung behauptet, daß solche Maßnahmen dem Kampf gegen soziale Mißstände in den Aborigine-Gemeinden im Northern Territory dienen sollen. Das Gegenteil sei der Fall, sagen jedoch Kritiker wie die Gruppe »Stop the Intervention« aus Sydney. Die Intervention habe »Chaos, vermehrte Armut und Rassismus« verursacht, heißt es in einer Erklärung der Initiative. Eine weitere Gruppe, »Roll back the Intervention«, kritisiert außerdem, daß gleichzeitig Tausende öffentlicher Arbeitsplätze in den betroffenen Gemeinden abgebaut worden seien. Diese Aktivisten aus Alice Springs informierten während der Proteste deshalb darüber, daß viele arbeitsuchende Aborigines nur noch in Teilzeitjobs arbeiten können, für die sie zudem nur zur Hälfte bezahlt werden. Das übrige Gehalt wird ihnen auf einer sogenannten Grundlagenkarte gutgeschrieben, mit der sie nur bestimmte Güter in von der Regierung anerkannten Geschäften einkaufen können.

Auch international wächst die Kritik an diesen Maßnahmen. Die Vereinten Nationen zeigen sich besorgt über den Maßnahmenkatalog und legten der australischen Regierung nahe, Menschenrechtsverpflichtungen zu respektieren und einen tatsächlichen Dialog mit der indigenen Bevölkerung zu suchen. Daran aber habe die Regierung kein Interesse, erklärt Paddy Gibson, der an der Technischen Universität in Sydney unterrichtet. Sie wolle die Nachfahren der Ureinwohner sozial kontrollieren und assimilieren, »alle sollen wie die weißen Menschen leben und die eigene Kultur aufgeben«. Dem Konzept einer Selbstverwaltung der Aborigine-Gemeinden stünden viele Politiker feindlich gegenüber. Auch der britisch-australische Journalist John Pilger geht davon aus, daß es nicht um eine Verbesserung der Lebensqualität in den betroffenen Gemeinden geht. Vielmehr wolle die Regierung Kontrolle über das wertvolle Land der Aborigines gewinnen. Das Northern Territory ist reich an Uran. Außerdem haben ausländische Regierungen Interesse angemeldet, hier ein Endlager für Atommüll zu errichten.

»Uns bringt die Intervention absolut nichts, außer dem Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein«, schreibt jedenfalls ein Betroffener aus einer kleinen Gemeinde nordöstlich von Alice Springs in dem kürzlich erschienenen Buch »This is what we said«, einer Sammlung von Stellungnahmen der Aborigines.

* Aus: junge Welt, 30. Oktober 2010


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