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Pläne für die Unerwünschten

Von Thomas Berger *

Vor einem Magistratsgericht in Sydney ist am Donnerstag der Prozeß gegen einen Mann mit iranischem und australischem Paß angelaufen, der für eine Katastrophe vor der Küste im vergangenen Jahr verantwortlich gemacht wird. Ali Khorram Heydarkhani wird zur Last gelegt, einen Menschenschmugglerring betrieben zu haben. Dazu gehörte demnach auch das Boot mit der Kennung SIEV 221, das am 15. Dezember bei einem heftigen Sturm vor der Küste des zu Australien gehörenden Christmas Island zerschellte. Mehrere Anwohner waren Augenzeugen, als etwa 50 Insassen dabei ums Leben kamen. Nur 42 Personen konnten gerettet werden, die übrigen ertranken in der aufgewühlten See. Heydarkhani war kurz vor dem Prozeß aus Indonesien eingeflogen worden und wurde nach der Eröffnung des Verfahrens in die westaustralische Regionalhauptstadt Perth überstellt.

Für die Polizei und die sozialdemokratische Minderheitsregierung ist das Verfahren ein Erfolg. Beide standen unter erheblichem Druck, die mutmaßlich Verantwortlichen des tragischen Ereignisses vor fünf Monaten vor Gericht zu bringen. Der 40jährige Australo-Iraner soll zusammen mit drei Mitangeklagten, deren Verfahren abgetrennt wurde, ein einträgliches Geschäft mit der Not betrieben und Flüchtlinge von Indonesien nach Australien gebracht haben. Die anderen Männer bildeten offenbar die Crew des Unglücksbootes. In dem Verfahren geht es um insgesamt vier Passagen mit unterschiedlichen Wasserfahrzeugen. Die meisten der Ertrunkenen waren Iraner und Iraker.

Christmas Island liegt 2600 Kilometer vor dem australischen Festland, aber nur 300 Kilometer von Indonesien entfernt. Auf der Insel befindet sich ein Internierungslager für Flüchtlinge, die in den Hoheitsgewässern aufgegriffen werden. Die Einrichtung ist oft hoffnungslos überfüllt, was in jüngerer Vergangenheit bereits zu gewaltsamen Unruhen der Insassen führte. Die private Betreibergesellschaft zeigte sich überfordert, leidet unter anderem unter Personalmangel. 134 Boote mit 6535 Passagieren wurden im Vorjahr von der Küstenwache aufgegriffen – ein neuer Rekordwert.

Vor diesem Hintergrund bemühen sich Premierministerin Julia Gillard von der Labor Party und ihre zuständigen Minister seit Oktober, die Nachbarstaaten für ein »regionales Bearbeitungszentrum« in Asylfragen zu gewinnen. Malaysias Regierung hat sich gerade zu einer Zusammenarbeit bereit gefunden und will in den nächsten vier Jahren bis zu 800 Flüchtlinge aufnehmen, solange deren Anträge bearbeitet werden. Im Gegenzug will Australien mehr Flüchtlinge akzeptieren, die von der UNO als solche anerkannt sind. Das betrifft unter anderem etliche in Malaysia lebende Angehörige ethnischer Minderheiten aus Myanmar.

Eine heftige Debatte ist in Down Under darüber entbrannt, nach der Einigung mit Malaysia auch die Einrichtung auf Manus Island wiederzueröffnen. Das Internierungslager in Papua-Neuguinea gehörte seinerzeit zur »pazifischen Lösung« des damaligen konservativen Premiers John Howard. Er wollte den Druck durch immer neue Flüchtlingsboote mildern, indem aufgegriffene Insassen nicht nach Australien, sondern in Nachbarländer gebracht wurden. Sowohl auf Manus Island, mehr aber noch in der Einrichtung auf Nauru waren die Zustände katastrophal, weshalb sie schließlich unter Gillards Vorgänger Kevin Rudd (heute Außenminister) nach dem sozialdemokratischen Wahlsieg 2007 stillgelegt wurden. Die Regierungen der Inselstaaten hatten im Austausch Millionenbeträge erhalten. Obwohl sich Papua-Neuguinea noch nicht abschließend zu Australiens Ansinnen geäußert hat, kommt von Menschenrechtsgruppen bereits heftige Kritik. Und selbst der konservative Oppositionsführer Tony Abbott wirft die Frage auf, wie Labor den Schritt rechtfertigen will, wenn die Partei damals mit anderen gegen die Lager unter Howard gewettert habe.

* Aus: junge Welt, 14. Mai 2011


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