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Bollywood trifft auf "Curry bashing"

Der Rassismus gegen indische Studenten in Australien ist auf dem Vormarsch

Von Michael Lenz *

Es knirscht vernehmlich im Verhältnis zwischen Australien und Indien. Der Grund: Übergriffe in Down Under auf indische Studenten. Indiens Tourismusministerin Kumari Selja hat vergangenen Donnerstag deswegen gar ihren Besuch abgesagt.

»Mein Sohn ist durch eine rassistische Attacke ums Leben gekommen.« Diesen schweren Vorwurf erhob in der vorvergangenen Woche der Inder Jagjit Singh gegenüber australischen Medien. Der 26 Jahre alte Student Upkar Singh Babbal war am 7. Mai von einem Taxifahrer auf Straßenbahngleisen in Melbourne getötet worden. Die australische Polizei hatte den Tod des jungen Manns als Unfall bezeichnet. Upkar Singh Babbal ist der schwerste Fall in einer Serie von rassistischen Angriffen gegen Inder in Australien.

Der in Australien weit verbreitete Rassismus hat wieder sein schreckliches Haupt erhoben. Diesmal sind die etwa 90 000 indischen Studenten die Leitragenden. Im Dezember 2005 war es Cronulla, einem Vorort von Sydney, zu tagelangen gewaltsamen rassistischen Ausschreitungen gegen Einwanderer aus Libanon gekommen. In den letzten beiden Jahren sind alleine im australischen Bundesstaat Victoria mit seiner Hauptstadt Melbourne 1447 Angriffe auf Inder bekannt geworden. Und die Zahl ist in diesem Jahr weiter angestiegen. In der Nacht des 24. Mai wurden in den Straßen Melbournes zwei junge Inder mit Schraubenziehern niedergestochen, ein dritter mit einer Flasche niedergeschlagen und vierter durch eine Schlägerei schwer verletzt.

Australiens Politiker und Polizei reden die Gewalt gegen die Inder herunter. Der Polizeichef von Melbourne sagte gegenüber australischen Medien, den Tätern gehe es in erster Linie darum, von diesen Leuten »Gegenstände zu stehlen«. Die Medien geben sich alle Mühe, das Bild des toleranten, weltoffenen Australiens zu malen. Ihre Logik unter Berufung auf »Experten«: Da an den Ausschreitungen gegen die Inder nicht nur »weiße Australier«, sondern auch Jugendliche »anderer ethnischer Gruppen« wie Sudanesen oder Araber beteiligt seien, könne von Rassismus in Australien keine Rede sein. Sol Trujillo sieht das anders. Der konfliktfreudige Mexikaner war bis vor kurzem Chef des australischen Telekommunikationskonzerns »Telstra«. Nach seinem Ausscheiden aus dem Job Ende Mai sagte Trujillo, er sei in seinen vier Jahren in Down Under immer wieder Gegenstand rassistischer Bemerkungen geworden. »Rassismus ist in Australien existent ...«, sagte Trujillo gegenüber australischen Medien und fügte hinzu: »Wenn man hier glaubt, dass nur gewisse Menschen akzeptabel sind und andere nicht, dann ist das traurig.«

Ein Sprecher der Botschaft Chinas in Australien hat jüngst gegenüber Medien gesagt, auch viele der 133 000 chinesischen Studenten würden rassistische Erfahrungen in Australien machen. Er forderte die australische Regierung auf, mehr für die Sicherheit der ausländischen Studenten zu tun. Bildung ist Australiens drittwichtigstes Exportgut. Die Studiengebühren und die Lebenshaltungskosten der internationalen Studenten tragen jährlich fast neun Milliarden Euro zu Australiens Volkseinkommen bei.

In Indien sind bei antiaustralischen Demonstrationen Bilder von Australiens Ministerpräsident Kevin Rudd verbrannt worden. Die Regierung in Delhi hat förmlich gegen die in den australischen Medien als »Curry bashing« bezeichnete Gewalt gegen Inder protestiert. Premierminister Manmohan Singh hatte im Parlament die »sinnlose Gewalt« gegen seine Landsleute in Australien verurteilt. Die Tourismusministerin Kumari Selja begründete die Absage ihres geplanten Australienbesuches mit der dort »vorherrschenden Atmosphäre«.

Gewerkschaften der indischen Traumfabrik »Bollywood« haben angekündigt, ihre Mitglieder würden sich solange weigern, in Australien zu arbeiten, bis das »Curry bashing« aufhöre. In diesem Monat sollen zwei Bollywoodfilme in Australien gedreht werden.

Eine neofaschistische Organisation in Australien hat jetzt aber noch Öl ins Feuer geschüttet und auf ihrer Webseite zum »Rahowa« (Racial Holy War), dem »heiligen Rassenkrieg«, gegen die Studenten aus Indien aufgerufen. Nach einer Beruhigung der Lage klingt das nicht.

* Aus: Neues Deutschland, 16. Juni 2009


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