Wahlerfolg für die KPÖ in Graz
Kommunisten zweitstärkste Kraft
Von Hannes Hofbauer, Wien *
Am Sonntag hat die zweitgrößte Stadt
Österreichs gewählt. Die KPÖ belegte
mit 20,1 Prozent Stimmen hinter der
ÖVP (33,5 Prozent) den zweiten Platz.
SPÖ, FPÖ und Grüne mussten sich
geschlagen geben. In Medien und Politik
herrscht große Irritation.
Schon vor dem Wahlgang wurden
die unterschiedlichsten Signale
ausgesendet. Meinungsumfragen
sahen die KPÖ seit Wochen auf
Platz 2. Die grüne Spitzenkandidatin
meldete sich zu Wort und
meinte, sie könne sich vorstellen,
die kommunistische Spitzenkandidatin
Elke Kahr zur Bürgermeisterin
zu wählen. In der bürgerlichen
Presse wiederum hoffte
man darauf, dass sich das Wahlergebnis
von 2003, als die KPÖ
schon einmal über 20 Prozent lag,
nicht wiederholen möge. Damals
war der Erfolg der Kommunisten
auf die Person des Spitzenkandidaten
Ernest Kaltenegger zurückgeführt
worden. Dass nun, zwei
Wahlgänge später, die KPÖ mit
neuem Team den Höhenflug wiederholt,
hat viele überrascht. Auch
Elke Kahr selbst hat bis zuletzt
nicht an ein Plus von fast neun
Prozent geglaubt.
Die 51-Jährige ist seit 20 Jahren
in der Mieterarbeit der KPÖ
aktiv. Lange stand sie im Schatten
ihres Vorgängers Ernest Kaltenegger.
Als der sich 2009 aus Altersgründen
aus der aktiven Politik
zurückzog, trauten viele der
gelernten Bankkauffrau nicht zu,
in seine Fußstapfen treten zu können.
Am Sonntag hat sie eindrucksvoll
das Gegenteil bewiesen.
Das Geheimnis des Erfolgs liegt
vor allem in der unprätentiösen
Art, wie die seit Jahren als Stadträtin
tätige Kahr Wohn- und Mieterpolitik
betreibt. Ihr Büro ist Anlaufstelle
für alle, die Probleme
rund ums Wohnen haben. Selbst
hat Kahr auf einen Teil ihres Gehalts
als Stadträtin verzichtet, um
einen monatlichen Betrag von 400
Euro in einen Sozialfonds einzuzahlen.
Die Menschen in Graz, das
weder historisch noch politisch als
linke Hochburg gelten kann, nehmen
den KPÖ-Mandataren ihr ehrliches soziales Engagement ab.
Im innerstädtischen Bezirk Gries
hat die KPÖ die ÖVP mit 26 Prozent
der Stimmen so gar überholen können.
Verlierer der Grazer Gemeinderatswahlen
sind die SPÖ und die
Grünen, während die FPÖ auf 13,9
Prozent leicht zulegen konnte und
die Piraten es mit mageren 2,7
Prozent gerade noch in den Gemeinderat
schafften. Im künftigen
siebenköpfigen Stadtsenat wird es
keine linke Mehrheit aus KPÖ, SPÖ
und Grünen gegen die ÖVP geben.
Die noch am Wahlabend getätigte
Absage von Elke Kahr an ÖVP-Chef
Siegfried Nagl, eine Links-Rechts-
Koalition zu probieren, macht die
Regierungsbildung schwer.
Das sensationelle Ergebnis der
Kommunisten in Graz kann auf
Bundesebene nicht wiederholt
werden. Dazu müsste sich die KPÖ
in Wien nicht nur personell erneuern,
sondern auch inhaltlich
reformieren.
So gelten etwa die Grazer
Kommunisten als euroskeptisch,
was von einem Teil der Bevölkerung
honoriert wird. Die Bundes-
KPÖ wiederum schlingert in punkto
EU einen Kurs, der einmal die
sozialpolitischen Defizite Brüssels
anprangert, um kurz darauf den
EU-europäischen Zusammenschluss
als internationalistische
Chance zu begreifen. Auch fehlt es
in Wien an Regierungserfahrung.
Diese konnte die Grazer KPÖ seit
2003 sammeln. Ihre standfeste
Politik wurde nun von den Wählern
honoriert.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 27. November 2012
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