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Breiviks Inspiration aus Österreich

FPÖ-Politiker mühen sich um Distanz

Von Hannes Hofbauer, Wien *

Natürlich leugnet auch Österreichs Freiheitliche Partei (FPÖ) jede geistige Mitverantwortung für den Doppelanschlag von Norwegen. Dabei betreibt sie allzu gerne islam- und türkenfeindliche Politik.

Antiislamismus und Türkenhass sind zwei wesentliche Bestandteile der rechtsradikalen Gedankenwelt des norwegischen Attentäters Anders Behring Breivik. Für sein 1500-seitiges »Manifest« hat er sich dafür auch Anleihen aus Österreich genommen. Mehrere FPÖ-Politiker bemühen sich seit Bekanntwerden des Pamphlets um Distanz zum Massenmörder.

»2083« betitelte Breivik seine Bekennerschrift, die er als »Europäische Unabhängigkeitserklärung« an rechte Gesinnungsfreunde verschickt hatte. Bereits die Jahreszahl führt nach Wien. 1683 gilt als Jahr der erfolgreichen Abwehrschlacht des christlichen Abendlandes gegen die Osmanen. Nach monatelanger Belagerung durch Truppen des Sultans Mehmet IV. gelang es damals den Habsburgern mit Hilfe eines polnischen Entsatzheeres, die Türken zurückzuschlagen und bis Belgrad zu treiben.

Die FPÖ unter ihrem Obmann Heinz-Christian Strache hat dieses historische Datum immer wieder durch aktuelle Aussagen politisch instrumentalisiert. In einer Mischung aus Islamophobie und Türkenfeindlichkeit zielte sie dabei auf die Trennung von Migranten in »gute christliche« und »böse muslimische«. Letztere sind im österreichischen Kontext mehrheitlich türkisch. Um dieser perfiden Politik in Teilen der Gastarbeiter-Gemeinde eine gewisse Glaubwürdigkeit zu verleihen, scheute Strache nicht vor einer Anbiederung an rechte serbische Kreise zurück und stärkte mehrmals serbisch-nationalen Parolen von der Wiege des Serbentums und der serbischen Orthodoxie in Kosovo den Rücken. Hinter der türkenfeindlichen Politik der FPÖ steckt also System.

Zum Ausdruck kommt die Stoßrichtung der österreichischen Rechten regelmäßig in Wahlkampfparolen wie zuletzt im Slogan »Daham statt Islam«. Auch in einem für die vergangenen Wiener Wahlen publizierten Comic wurde die direkte Bezugnahme der FPÖ auf den historischen abendländischen Abwehrkampf deutlich. Strache tut sich darin als Retter Wiens vor den Türken hervor, lässt einen türkischen Feldherrn den Umbau des Stephansdoms in ein »Üx-large Münarett müt Hülbmünd« planen und fordert einen kleinen Jungen gegen Belohnung auf, »dem Mustafa eine raufzubrennen«. Aus derlei Geisteswelt schöpfte offensichtlich auch der norwegische Attentäter.

Mehrere Male verweist Breivik zudem auf eine Homepage »Gates of Vienna«, die sich ebenfalls explizit auf das Jahr 1683 bezieht. Die Österreich-Korrespondentin dieser mutmaßlich in den USA gemachten Internetseite, Elisabeth Sabaditsch-Wolff, ist erst kürzlich in erster Instanz – nicht rechtskräftig – wegen Herabwürdigung religiöser Lehren zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Wolff hatte in einem Seminar der FPÖ-Bildungseinrichtung den Propheten Mohammed implizit der Pädophilie beschuldigt.

Sowohl Sabaditsch-Wolff als auch Strache distanzieren sich freilich von jeder geistigen Mitverantwortung für die Untaten von Oslo und Utøya. »Primitiv und letztklassig« nennt der FPÖ-Chef die »Vereinnahmung« seiner Person und seiner Partei für ein Gewaltverbrechen, das er verabscheue. Weniger zimperlich war er, als es darum ging, historische Ereignisse in seinem Sinn für seine Politik zu vereinnahmen.

Recht hat Strache allerdings, wenn er nicht als alleiniger Sündenbock für die verbrecherischen Ausprägungen antitürkischer Geisteshaltung zur Verantwortung gezogen werden will. Die islamophoben Kreise sind durchaus weiter zu ziehen. Und Wien mit seiner historischen Bollwerkfunktion bietet dazu den idealen Nährboden.

Zum 300. Jahrestag der Türkenbelagerung am 10. September 1983 sprach niemand geringerer als Papst Johannes Paul II. auf dem Wiener Heldenplatz. »Im Kreuz ist die Hoffnung für eine christliche Erneuerung Europas«, donnerte er über die Köpfe von 130 000 Gläubigen hinweg. Zehn Jahre später war es der Attentäter Franz Fuchs, der mit einer Serie von Brief- und Rohrbombenanschlägen, die vier Tote und viele Verletzte forderte, das Land in Atem hielt. Seine Verbrechensserie widmete er »Ernst Rüdiger Graf von Starhemberg«, dem Stadtkommandanten von Wien 1683. Breivik sieht sich offenbar in dieser Tradition.

* Aus: Neues Deutschland, 8. August 2011


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