Österreich stimmt über Zukunft seiner Armee ab
Wehrpflicht oder Berufsheer? / Sozialdemokraten zeigen sich vor dem Referendum am Sonntag gespalten
Von Hannes Hofbauer, Wien *
Am Sonntag sind 6,4 Millionen Wahlberechtigte
aufgerufen, über die Zukunft
der österreichischen Landesverteidigung
zu entscheiden. Bei einer
Volksabstimmung wird gefragt, ob
die seit Mitte der 1950er Jahre gültige
Wehrpflicht abgeschafft und durch
ein Berufsheer ersetzt werden soll.
Wer die vergangenen zwei Jahre
ohne jede Information zur österreichischen
Innenpolitik verbracht
hätte, würde ob der aktuellen politischen
Stellungnahmen zur
Wehrpflicht verwundert den Kopf
schütteln. Da hat sich die SPÖ im
Bund gegen die allgemeine Wehrpflicht
eingeschossen, die für ihren
Verteidigungsminister Norbert
Darabos eben noch »in Stein gemeißelt
« war. Derweil kämpft die
ÖVP für den Bestand der Wehrpflicht,
obwohl es keine zehn Jahre
her sind, dass ihr damaliger
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel
für die Aufstellung einer Berufstruppe
zur besseren Eingliederung
in die NATO eingetreten war.
Während die ÖVP zur Abstimmungsfrage
geschlossen erscheint,
sind die Sozialdemokraten gespalten.
Von ihrer angesehensten
Persönlichkeit, Bundespräsident
Heinz Fischer, weiß man, dass er
gegen das Berufsheer stimmen
wird, obwohl er seine Meinung –
aus Parteiräson ? – nur ein einziges
Mal kundtat. Ebenfalls gegen
die Aufstellung einer Berufsarmee
haben sich die sozialdemokratischen
Landeshauptleute von Salzburg
und der Steiermark ausgesprochen.
Auch die Sozialistische
Jugend tritt vehement gegen ein
»Söldnerheer« auf, während die
Grünen, die sich noch vor Kurzem
antimilitaristisch gaben, das Heer
»professionalisieren« wollen.
»Professionalisierung« lautet
ganz generell das Schlagwort der
Wehrpflichtgegner. Manche, wie
der frühere Finanzminister Hannes
Androsch, sprechen auch offen
aus, wohin die Reise mit einer
Berufsarmee gehen soll: zu Auslandseinsätzen,
die Rohstoffversorgung
und Investitionssicherheit
gewährleisten sollen. Die formal
noch bestehende Neutralität wäre
damit endgültig Geschichte, eine
»professionalisierte« österreichische
Armee würde sich flugs in der
NATO wiederfinden.
Wehrpflichtbefürworter nützen
vor allem den damit einhergehenden
Zivildienst als Argument, das
bewährte Modell beizubehalten.
Zwar hat das Sozialministerium
einen Plan vorgelegt, wie eine
ganze Reihe von sozialen Leistungen
auch ohne Zivildiener – gegen
Bezahlung – erbracht werden
könnten, aber das sogenannte
freiwillige Sozialjahr ist um vieles
teurer als der Wehrersatzdienst
und müsste zudem mit weniger
Personal auskommen. Der Dienst
an der Gemeinschaft von jährlich
13 000 Zivildienern, so Innenministerin
Johanna Mikl-Leitner, käme
nicht nur dieser, sondern auch
den Zivildienern selbst zugute und
untermauerte ihr Argument mit
einer Zahl: 60 Prozent der Zivildiener,
die beim Roten Kreuz eingesetzt
werden, blieben der Organisation
auch nach den neun Monaten
erhalten.
Dass die SPÖ auch mit schmutzigen
Kampagnen vertraut ist,
zeigte sich zuletzt in der Wortmeldung
eines ihr nahestehenden
Verfassungsjuristen, als dieser
meinte, die Beibehaltung der
Wehrpflicht könnte über kurz oder
lang dazu führen, dass wegen des
Gleichheitsgrundsatzes auch alle
Frauen einberufen würden.
* Aus: neues deutschland, Samstag, 19. Januar 2013
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