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Mutig in die neuen Zeiten ...

Österreichs Heer soll für Teilnahme an Kriegseinsätzen fit gemacht werden

Von Werner Pirker, Wien *

An die 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung haben am vergangenen Sonntag in einer Volksabstimmung für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und gegen ein Berufsheer votiert. Der Vorstoß war von der SPÖ ausgegangen, nachdem der sozialdemokratische Verteidigungsminister Norbert Darabos noch kurz zuvor erklärt hatte, die Wehrpflicht sei »in Stein gemeißelt«. Die über Jahrzehnte vertretene Position der SPÖ ergab sich nicht zuletzt aus den Erfahrungen der Februarereignisse 1934, als ein Arbeiteraufstand gegen den Austrofaschismus von Berufsbundesheersoldaten niedergeschlagen wurde. Umso überraschender dann der Schwenk der SPÖ in Richtung Profiheer, den sie mit der veränderten sicherheitspolitischen Situation nach dem Ende der Blockkonfrontation zu begründen sucht.

Die aus den demokratiefeindlichen Kräften der Zwischenkriegszeit hervorgegangene Österreichische Volkspartei (ÖVP) vollzog einen umgekehrten Paradigmenwechsel. Sonst stets um eine engere Westbindung Österreichs bemüht und dessen staatsvertragliche Verpflichtung zur immerwährenden Neutralität nie so genau nehmend, sprach sie sich nun im Namen konservativer Werte für die Beibehaltung der Wehrpflichtigen-Armee als »Schule der Nation« aus. In beiden Lagern kam es zu Abweichungen von der Parteilinie – in der SPÖ traten die Landeshauptleute von Steiermark und Salzburg, Franz Voves und Gabi Burgstaller, sowie die Sozialistische Jugend für die Wehrpflicht ein, während in der ÖVP die Exponenten des Industriellenflügels schon seit eh und je für die Einführung eines Berufsheeres die Trommel rühren.

Die dezidiert antimilitaristischen Kräfte, in der Vergangenheit mehrheitlich für die Abschaffung des Bundesheeres im Zeichen einer aktiven Neutralitätspolitik, riefen diesmal dazu auf, für die Beibehaltung der Wehrpflicht zu votieren. Weil erstens die Abstimmung auf die Fragestellung Berufsheer oder Wehrpflicht verengt war und zweitens die Forderung nach einer Abschaffung des Bundesheeres, wie sie die KPÖ erhoben hat, den Kampf gegen die Einführung einer Berufsarmee mehr hintertreibt als fördert. Denn im Grunde geht es um die Verhinderung einer noch stärkeren Einbindung Österreichs in die interventionistische Strategie von EU und NATO. Beibehaltung von Restelementen der Neutralität, einschließlich eines auf die nationale Verteidigung vereidigten Bundesheeres, oder volle Eingliederung des Landes an Alpen und Donau in die imperialistische Kriegsallianz, lautet die Frage. Letzteres erfordert die Umrüstung des Bundesheeres zu einer zu »Out of area«-Einsätzen befähigten Berufsarmee. Der frühere SPD-Finanzminister und jetzige Großindustrielle Hannes Androsch bringt die neokolonialistischen Absichten der (noch) verhinderten Berufsheerstrategen klar auf den Punkt. Es gelte, schreibt er, »im europäischen Verbund in Zusammenarbeit mit der NATO einsatzbereit zu sein, die Rohstoff- und Energiequellen zu verteidigen, die Transportwege, Seewege und Pipelines«.

Die österreichische Heeresdebatte ergibt nur im Zusammenhang mit der allgemeinen Militarisierung der EU einen Sinn. Der Vertrag von Lissabon, in dem das Ziel einer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik festgehalten ist, verpflichtet die Mitgliedsländer, »ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern«. Das ist auf eine aggressive Weltordnungspolitik gerichtet, das heißt Militärinterventionen rund um den Globus – mit oder ohne UN-Mandat. Mit der Schaffung eines Berufsheeres wollen Österreichs Sozialdemokraten mutig in die neuen Zeiten schreiten. Nachdem der erste Ansturm mißlungen ist, wird man es durch die Hintertür versuchen. In der Frage einer umfassenden Heeresreform, die nun in Angriff genommen werden soll, sind sich SPÖ und ÖVP durchaus einig. Zwecks »schrittweiser Verbesserung der militärischen Fähigkeiten« Österreichs sollen die professionellen Elemente im Bundesheer – schrittweise – ausgebaut werden.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 23. Januar 2013


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