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Wien blockiert Pegida

Österreich: Tausende Gegendemonstranten verhindern Marsch der rassistischen Bewegung

Von Simon Loidl, Wien *

Am Montag haben etwa 350 Anhänger der islamfeindlichen Pegida-Bewegung erstmals eine Kundgebung in Wien durchgeführt. Ein geplanter Marsch durch das Zentrum der österreichischen Hauptstadt wurde allerdings von zahlreichen Gegendemonstranten verhindert. Bis zu 6.000 Menschen demonstrierten ebenfalls in der Wiener Innenstadt bereits am späten Nachmittag gegen Rassismus und Islamfeindlichkeit. Zu den Gegenprotesten hatten Dutzende Organisationen aufgerufen, darunter auch die Jugendorganisation des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Laut offiziellen Angaben waren 1.200 Polizisten im Einsatz, um Teilnehmer der beiden Kundgebungen voneinander fernzuhalten. In vielen Gassen im Stadtzentrum standen Sperrgitter, Passanten wurden kontrolliert. Dennoch gelang es einigen hundert antifaschistischen Aktivisten, in die unmittelbare Nähe der Pegida-Kundgebung vorzudringen und deren Marsch mit einer Blockade zu verhindern.

Etwa zwei Stunden nach Beginn der Pegida-Kundgebung wurde diese schließlich von den Organisatoren für aufgelöst erklärt. Die Polizei nahm die Personalien einiger Teilnehmer auf, die dennoch vor Ort blieben. Gleichzeitig wurden etwa 200 Gegendemonstranten eingekesselt und ebenfalls erkennungsdienstlich behandelt. Laut Polizei drohen den Teilnehmern der Blockade Anzeigen wegen »Verhinderung oder Störung einer Versammlung«. 13 Personen wurden im Verlauf der Demonstrationen vorübergehend festgenommen. Auch Journalisten mussten sich ausweisen, um den Ort der Kundgebung verlassen zu können. Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) kritisierte, dass Pressevertreter »eingekesselt, festgehalten, abgeführt und bei ihrer Arbeit behindert« wurden. Dies widerspreche österreichischem Recht und stelle einen Verstoß gegen die Pressefreiheit dar.

Dutzende Teilnehmer der Pegida-Kundgebung kamen aus dem rechtsextremen Hooligan-Milieu. Mehrmals wurde der Hitlergruß gezeigt, noch in der Nacht tauchten in den Onlineausgaben österreichischer Medien entsprechende Bilder auf. Die Polizei teilte mit, dass Videos und Fotomaterial wegen Hinweisen auf Verstößen gegen das NSDAP-»Verbotsgesetz« ausgewertet würden. Zudem könnten diese Vorfälle dazu führen, dass künftige Pegida-Demonstrationen behördlich untersagt werden. Nach Auflösung der Kundgebungen kam es zu mehreren Angriffen von Pegida-Anhängern auf Antifaschisten. Augenzeugen sprachen gegenüber jW von regelrechten Hetzjagden. Gruppen von jeweils ein bis zwei Dutzend Rechtsradikalen haben demnach Teilnehmern der Gegendemonstrationen auf dem Nachhauseweg aufgelauert und diese attackiert. Eine junge Frau wurde niedergeschlagen und am Boden liegend weiter getreten. Sie musste im Krankenhaus behandelt werden.

An der Pegida-Kundgebung nahmen auch Vertreter der rechten Freiheitlichen Partei (FPÖ) teil. Deren Chef Heinz-Christian Strache hatte sich in den vergangenen Wochen immer wieder wohlwollend über die Pegida-Märsche in Deutschland geäußert. Von anderen Parteien und Organisationen kam hingegen heftige Kritik an dem Versuch, die islamfeindliche Bewegung nach Österreich zu importieren. Der stellvertretende Klubobmann der Grünen, Albert Steinhauser, sagte, der Wiener Pegida-Protest sei »im eigenen rechten Sumpf untergegangen«. Bezogen auf das wiederholte Zeigen des Hitlergrußes durch Pegida-Anhänger sagte Steinhauser, es müsse nun geklärt werden, ob die Polizei tatsächlich nichts von diesen »massiven Ausfällen« mitbekommen habe.

Die Menschenrechtsorganisation »SOS Mitmensch« rief die Behörden auf, »keine weiteren Naziaufmärsche mehr in Wien zuzulassen« und forderte von der FPÖ, sich von der Pegida-Bewegung zu distanzieren. Das Bündnis »Offensive gegen Rechts«, das auch die Großdemonstration gegen den rechten »Akademikerball« am vergangenen Freitag organisiert hatte, sprach von einem Erfolg und kritisierte, dass die Polizei gegen Antifaschisten vorgegangen war, während »Hitlergrüße und antisemitische Ausfälle ungeahndet« blieben.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 4. Februar 2015


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