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Rechtsruck in der Steiermark

Österreich: FPÖ geht als klarer Sieger aus Gemeinderatswahlen hervor

Von Sara Noémie Plassnig, Graz *

Am vergangenen Wochenende haben 286 Gemeinden im österreichischen Bundesland Steiermark ihre Vertretungen gewählt. Die Sozialdemokraten mussten dabei große Verluste hinnehmen, Zugewinne gab es hingegen für die Kommunisten. Als klarer Sieger geht die rechtspopulistische Freiheitliche Partei (FPÖ) aus den Wahlen hervor.

Die traditionell rotgefärbte Obersteiermark hat die Farbe gewechselt. Die Sozialistische Partei (SPÖ) verlor in der industriell geprägten Region ihre absolute Mehrheit. In der Gemeinde Bruck an der Mur betrugen die Verluste der Sozialdemokraten 14 Prozent. Das ist das schlechteste Wahlergebnis seit 1945. Der amtierende Bürgermeister Hans Straßegger führte die Unzufriedenheit auf eine auch hier durchgeführte Gemeindefusion zurück. Der FPÖ wiederum gelang es, ihre Wählerstimmen in Bruck auf beinahe 14 Prozent zu verdoppeln. Ein ähnliches Szenario spielte sich in der Nachbargemeinde Mürzzuschlag, in der über 30 Prozent der Bürger die FPÖ wählten, ab. Ist das Gefühl von fehlender Mitbestimmung der Grund dafür, dass immer mehr Bürger ihre Stimme den Rechtspopulisten geben?

Dieser Schluss wäre zu einfach, stellten doch die Freiheitlichen genau jenes Problem in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes, auf das die Sozialdemokraten keine Antwort mehr hatten: die soziale Frage. Als Auslöser für Kürzungen im Sozialbereich nennt die FPÖ Rekordschulden, Massenzuwanderung und Zwangsfusionen, die von der SPÖ und der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) zu verantworten seien. Die Verbreitung dieser Botschaft gelang der FPÖ. Dass dieselbe Partei im steirischen Landtag gegen die Erhöhung der Wohnbeihilfe und die Senkung der Politikergehälter stimmte, wissen dagegen viele Menschen nicht.

Doch nicht nur die Freiheitliche Partei gewann, wo Sozialdemokraten und Konservative versagt haben: »Rebellen«, die aus ihren Parteien ausgetreten sind, um mit einer neuen Liste zu kandidieren, sorgten für Überraschungen. Der ehemalige ÖVP-Bürgermeister von Höf-Präbach, Florian Taucher, kehrte seiner Partei nach der Gemeindefusion den Rücken zu und erreichte mit seiner Liste über 30 Prozent. Ähnlich fulminant startete Hans Jobstmann, der Bürgermeister der Gemeinde Etmißl, durch: Aus Ärger über die Fusion mit der Nachbargemeinde trat er aus der SPÖ aus. Seine neugegründete Liste brachte dem Bürgermeister über 13 Prozent, beinahe jenen Prozentsatz an Stimmen, den die Sozialdemokraten dort verloren haben.

An dem Erfolg der beiden »Rebellen« zeigt sich die starke Personalisierung bei den Gemeinderatswahlen. Der unmittelbare Kontakt mit den Bürgern ist sicher auch einer der Gründe für das Plus von über sechs Prozent für den zweiten Vizebürgermeister Karl Fluch (KPÖ) in Eisenerz. Das bedeutet vier Mandate für die Kommunisten, die 20 Prozent der Bürger wählten. Der erste österreichische KPÖ-Stadtrat Fluch führt den Stimmenzuwachs darauf zurück, dass er als »Mahner der frühen Stunde« vor jenen Problemen, mit denen die aussterbende Gemeinde jetzt zu kämpfen hat, gewarnt hat. Die gesamte Obersteiermark, in der früher viele Arbeiter mit sozialdemokratischem Hintergrund lebten, ist von der Deindustrialisierung betroffen. Mit ihr gehen Verluste von Arbeitsplätzen und die Abwanderung einher. Für diese Entwicklung ist Eisenerz ein Paradebeispiel.

Auf das gesamte Bundesland hochgerechnet, ziehen die Kommunisten in sechs weitere Gemeinderäte ein und haben in fast allen Gemeinden Mandate dazugewonnen. In knapp zwei Monaten werden die Steirer wieder zu den Urnen gebeten. Am 31. Mai findet die Landtagswahl statt. Bei der wird sich zeigen, ob die landschaftlich grüne Steiermark politisch noch ein Stück blauer wird.

* Aus: junge Welt. Freitag, 27. März 2915


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