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Rennen für den König

Bahrain: Trotz Protesten und Gewalt sollen die Autos am Sonntag ihre Runden drehen. Opposition kritisiert Formel-Eins-Spektakel

Von Karin Leukefeld *

Trotz zunehmender Proteste soll am Sonntag in Bahrain das Weltmeisterschaftsrennen der Formel Eins stattfinden. Im Vorfeld waren in dem Königreich am Persischen Golf die Unterdrückung der Opposition und die Sicherheitsmaßnahmen deutlich verstärkt worden. Mit Festnahmen, Hausdurchsuchungen und Gewalt geht die Polizei gegen die Protestbewegung vor. Auf dem Weg zu der 30 Kilometer von der Hauptstadt Manama entfernt liegenden Trainingsstrecke wurden Straßensperren errichtet, das Polizeiaufgebot wurde erhöht.

Trotzdem wollen oppositionelle Gruppen erneut mit »drei Tagen des Zorns« gegen das Spektakel auf dem Bahrain International Circuit demonstrieren. Sie werfen den Motorsportlern und dem Automobilweltverband FIA vor, sich vom Herrscherhaus Bahrains instrumentalisieren zu lassen. 2011 war das Rennen zweimal abgesagt worden, nachdem die politische Führung Proteste blutig niedergeschlagen hatte. Militär und Polizei aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten waren schließlich dem bedrängten König Hamad Bin-Issa Al-Khalifa zu Hilfe geeilt. Als Stützpunkt der 5. US-Flotte, die den Nahen und Mittleren Osten sowie den Persisch-Arabischen Golf kontrolliert, ist das kleine Bahrain für den Westen von großem geostrategischen Interesse.

Die Lage ist nach wie vor angespannt. Nachdem Mitglieder des indischen Rennteams Force India in eine Auseinandersetzung zwischen Oppositionellen und Sicherheitskräften geraten waren, entschieden sich zwei Techniker zur Abreise. Das Training am Freitag wurde verkürzt, damit alle Teammitglieder noch bei Tageslicht wieder ins Hotel zurückgebracht werden konnten.

Die Protestbewegung nutzt derweil neben Demonstrationen vor allem Straßenkunst und Wandbilder, um ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen. »Kein Rennen mit unserem Blut«, lautet eine wiederkehrende Parole, die auf Plakaten und Transparenten, auf Mauern und Straßen zu lesen ist. Die Opposition erhebt bislang eher moderate Forderungen. Es geht ihr vor allem um politische Freiheiten und wirtschaftliche Teilhabe. Trotzdem wurden im Zuge der Unterdrückung durch das Regime im vergangenen Jahr mindesten 45 Menschen getötet.

Die Beauftragte der Menschenrechtsorganisation Amnesty International für den Mittleren Osten und Nordafrika, Hassiba Hadi Sahraoui, warnte davor, sich Illusionen über die Menschenrechtslage in Bahrain zu machen. In einem Bericht unter dem Titel »Mangelhafte Reformen« bemängelt die Organisation, daß die politische Führung des Königreichs »Gerechtigkeit für die Demonstranten« verschleppe. Das Formel-Eins-Rennen am Wochenende könne für die Regierung eine »Rückkehr zur Normalität« symbolisieren.

Auch fünf britische Abgeordnete äußerten sich in einem Schreiben kritisch über den Austragungsort des Autorennens. Das Parlament sei »erstaunt, daß das Formel-Eins-Rennen in Bahrain stattfindet, obwohl Amnesty International und andere erhebliche Bedenken über die Mißachtung von Menschenrechten vorgebracht haben«. Aus dem Außenministerium in London hieß es jedoch, es sei »nicht Aufgabe Großbritanniens« zu sagen, ob ein Rennen stattfinden solle oder nicht. Man sehe »Fortschritte« in Bahrain, doch es gebe »noch mehr zu tun«, sagte Staatssekretär Alistair Burt.

Scharfe Kritik an dem Rennen kam derweil aus der irakischen Stadt Nadschaf. Dort rief der schiitische Prediger Muqtada Al-Sadr dazu auf, das Rennen zu boykottieren. In einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung rief Al-Sadr »alle ehrlichen Sportler auf, sich nicht an dem Rennen zu beteiligen«. Eine Absage der Sportler würde die Menschen in Bah­rain unterstützen. Am Donnerstag war es dort erneut zu Auseinandersetzungen gekommen, als Demonstranten und Polizei in den Vororten aufeinanderstießen und die Polizei Tränengas und Luftgewehre einsetzte.

* Aus: junge Welt, Samstag, 21. April 2012


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