Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Schauprozess gegen Mediziner in Bahrein

Dies ist nicht Syrien, daher gibt es auch keinen Aufschrei des Westens

Von Finian Cunningham *

Bahreins skandalöser Schauprozess gegen medizinisches Personal wird fortgesetzt, laut Nachrichten aus dieser Woche von einer Wiederaufnahme des Verfahrens gegen 20 Ärzte und Krankenschwestern vor einem Zivilgericht mit fabrizierten Anklagen wegen Subversion des US-unterstützten Regimes.

Die Mediziner wurden bereits verurteilt von einem Militärtribunal (in der Tat, von einem Militärtribunal!) zu bis zu 15 Jahren Haft, nach Monaten illegaler Inhaftierung, bei verweigertem Rechtsbeistand und dem Unterziehen von Folter.

Das Überweisen ihres Falles an ein Zivilgericht soll vermutlich ein Signal von Konzessionsbereitschaft des Regimes senden. Was es aber illustriert ist, dass die königlichen Al Khalifa Herrscher von Bahrein unbelehrbare Despoten sind, mit ihrer unerbittlichen Einstellung gegen ein Akzeptieren jeglicher Art von demokratischer Reform.

Die Unterdrückung der mehrheitlich schiitischen Bevölkerung – 70 Prozent des Landes – durch eine nicht-gewählte Sunni-Elite ist Alltag, beispielhaft vorgeführt durch das rachsüchtige Verfolgen der Mediziner, deren einziges „Verbrechen“ darin bestand, hunderte von Verletzten des brutalen Vorgehens des Staates gegen die Pro-Demokratie Bewegung zu behandeln.

Kürzlich vollbrachte Washington eine Meisterleistung in PR, um die Monarchie im Persischen Golf als sich nachträglich für Reformen öffnend zu präsentieren – und dies nach einem Jahr unnachgiebiger Unterdrückung des größtenteils friedlichen Pro-Demokratie Aufbegehrens.

Graswurzel-Aktivisten in Bahrein sind besorgt, dass Teile der offiziellen Opposition , die zur schiitischen Al Wefaq Politischen Gesellschaft gehören, vom US-Außenministerium bearbeitet werden, um einen Kompromiss mit den königlichen Herrschern zu akzeptieren, der im Endeffekt die Monarchie an der Macht ließe und dem Status quo nur eine Schönheitsoperation verpassen würde.

König Hamad bin Isa Al Khalifa ist von den großen US-Medien gelobt worden für sein Beaufsichtigen von „mutigen“ Bestrebungen in Richtung einer Machtteilung und eines Dialogs mit der hauptsächlich Schia-geführten Opposition.

Washingtons Gesandter in Menschenrechts-Angelegenheiten Michael Posner und der frühere Sicherheitsberater Elliot Abrams werben um „wichtige Schritte“ zu Reformen beim Regime in Bahrein.

Allerdings können noch so viele Erklärungen Washingtons nicht die Tatsache verbergen, dass das von ihm unterstützte Regime in Bahrein auch in Zukunft die Menschenrechte und internationales Recht verletzen wird, um seine politische und ökonomische Vormachtstellung zu Lasten der schiitischen Mehrheit aufrechtzuerhalten.

Seit nunmehr 280 Jahren unterdrücken die sunnitischen Herrscher – Invasoren vom benachbarten Katar – die alteingesessenen Schiiten, und sie werden ihre privilegierte Position nicht aufgeben. Die Al Khalifa-Dynastie hat sich durch Mauscheleien und Korruption bereichert, während die Bahreiner in ihrer Mehrheit sich mit Arbeitslosigkeit und Armut herumschlagen.

Der Ölreichtum der kleinen Insel hat die Taschen der Al Khalifas gefüllt, aber für die einfachen Schiiten brachte er Armut, Umweltverschmutzung und Krankheiten. Um den Ganzen die Krone aufzusetzen wurde, als das mehrheitlich schiitisch-geführte Aufbegehren friedlich eine gewählte Regierung verlangte, um die nicht-gewählte bestechliche Familiendynastie zu ersetzen, wurde ihm mit Schlagstöcken, Kugeln und Brutalität begegnet, mit tausenden Eingesperrten oder aus ihrer Jobs Gefeuerten und mehreren im Gefängnis zu Tode Gefolterten.

In der Geschichte haben die Herrscher Bahreins zur Bewahrung dieses quälenden Zustands an Ungleichheit ein System des Regierens und einen Staatssicherheitsapparat entwickelt, das wie eine “schusssichere Weste“ gegen Reformen wirkt. Unter amerikanischer und britischer Anleitung wurden die Herrscher Bahreins immer geschickter beim Präsentieren ihres Königreichs als relativ milder Monarchie. So haben sie wohl den modernen Sprachduktus und den Anschein von politischer Fortschrittlichkeit erworben, wie z.B. das Königreich als konstitutionelle Monarchie zu bezeichnen, mit einem ( allerdings manipulativ zusammengesetzten ) Parlament, an Stelle einer absolutistischen Monarchie, wie im benachbarten Saudi-Arabien und den anderen Golf-Scheichtümern. Aber nicht weit unter der Oberfläche ist der institutionelle Despotismus Bahreins in der Realität immer dominant gewesen.

Nehmen wir als Beispiel den Premierminister des Königreichs, den 78-jährigen Prinzen Khalifa Al Khalifa, der Onkel des amtierenden Königs. Er ist der am längsten amtierende Premier-Minister der Welt, mit dem Amtsantritt im Jahre 1971, als Bahrein die nominelle Unabhängigkeit von Groß-Britannien erlangte. Premier-Minister Khalifa – vor Ort auch als Mr. Fifty-Fifty bekannt – hat sich nie einer Wahl stellen müssen und ist bekannt für sein Abzweigen von Bahreins Ölreichtum, was ihn zu einem der reichsten Männer der Welt werden ließ.

Seit Jahrzehnten schon, trotz glamouröser Bilder von glänzenden Wolkenkratzern. und dem Formel-I Grand Prix, wird Bahrein von einer eisenharten Staatsicherheits-Organisation (NSA) geführt. Diese war, und ist, ein wahrer Folterapparat, geleitet von Mitgliedern der königlichen Familie und unterstützt in seinem schändlichen Vorgehen von der früheren Kolonialmacht Britannien.

Zwischen 1968 und 1998 war der britische Oberst Sir Ian Henderson der Hauptarchitekt des NSA und seiner religiös motivierten Repressionsmethoden gegen die Schiiten. Henderson, der zuvor Auszeichnungen der britischen Regierung für seine Rolle beim effizienten – also brutalen – Unterdrücken der Mau-Mau Revolte in Kenia in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts erhalten hatte, überwachte das Einsperren und Foltern von tausenden Bahreinern, die jahrelang ohne Prozess in den Verliesen Bahreins schmachteten.

Ehemalige Häftlinge berichteten Global Research, dass eine von Hendersons sadistischen Verhörmethoden darin bestand, dass sie sich nackt auf die zuvor abgeschlagenen scharfkantigen Hälse von stehenden Flaschen setzen mussten. Die Häftlinge berichteten, dass Henderson persönlich die Folterung der Insassen überwachte.

Dieser britische Einfluss auf Bahreins NSA findet heute seine Fortsetzung. Einer der führenden Polizeichefs in Bahrein ist der Brite John Yates, ehemals im Dienst von Scotland Yard; ein weitere führender Beamter ist der US-Amerikaner John Timoney, früherer Polizei-Chef in Miami, Florida. Beide Männer begleitet der Ruf von Bestechlichkeit und Brutalität in ihrer früheren Stellung.

Bahreins institutionalisierter Despotismus unter einer Familiendynastie wird abgesichert durch Polizei- und Militärkräfte, deren Ränge angefüllt sind mit ausländischen Sunniten, rekrutiert aus Saudi-Arabien, Jemen, Pakistan und Jordanien. Diese Kräfte dienen ihren sunnitischen Herren mit einem grausamen Hass auf die schiitische Bevölkerung.

Dieser Sachverhalt zeigt sich in den täglichen wie auch nächtlichen Angriffen auf schiitische Dörfer durch saudisch-unterstützte Regimekräfte, wobei massive Mengen von Tränengas in die Straßen und Häuser gefeuert werden. Im Verlauf des letzten Jahres, nach dem Einmarsch saudisch-geführter Truppen zur Zerschlagung des Aufstands in Bahrein starben mindestens 25 Menschen an Erstickung durch Tränengas. Unter den Opfern befinden sich ein fünf Tage alter Säugling wie auch alte Männer und Frauen, die zu schwach oder gebrechlich waren, um aus ihren rauchgefüllten Häusern zu entkommen.

Letzte Woche wurden dann selbst Teilnehmer an der Beerdigung von zwei Opfern des Tränengasangriffs von der Bereitschaftspolizei erneut mit Tränengas angegriffen.

So sehen wir einerseits die Herrscher Bahreins, versehen mit Samthandschuhen, einen „Dialog“ und „Reformen“ anbieten, wobei Washington und London das wohlklingende Drehbuch bereitstellen; während andererseits von der Bevölkerung eisenhartes Vorgehen mit Einschlagen von Haustüren, das Abfeuern von Tränengas in Räume, das Abschleppen von Verdächtigen mitten in der Nacht und das Einsperren ohne Gerichtsverhandlung und Folter mit Todesfolge erlebt werden. Und all dies passiert in der angeblich neuen Ära der Reformen und des Dialogs in Bahrein, von der Washington behauptet, sie sei auf gutem Wege.

Die fortgesetzte strafrechtliche Verfolgung der Mediziner in Bahrein ist ein weiterer manifester Sachverhalt, der den despotischen Charakter von Washingtons und Londons „wichtigem Verbündeten“ im Persischen Golf vor Augen führt.

Die Mediziner wurden durch das Militärgericht letzten September zu bis zu 15 Jahren Haft verurteilt, nach einer Serie von abstrusen Anklagen, inklusive dem „Versuch, die Regierung zu stürzen“ und über die königlichen Herrscher „diffamierende Informationen zu verbreiten“. Dies Urteil rief internationale Proteste von Menschenrechtsgruppen hervor, die es als Travestie eines Gerichtsverfahrens verurteilten, nicht zuletzt weil die alleinige Basis für die Strafverfolgung aus den unter Folter erzwungenen Geständnissen der Angeklagten bestand. Damals wie auch jetzt blieb die Reaktion aus Washington oder anderer westlicher Regierungen stumm.

Unter den Medizinern befinden sich die weltbekannten Chirurgen Ali Al Ekri und Ghassan Dhaif mit seiner Frau, Zahra, sowie Bruder und Schwester Bassim und Nada. Ebenfalls verurteilt wurde Rula Al Suffar, die frühere Leiterin von Bahreins Krankenpflege-Gesellschaft. Dies sind Personen mit makelloser medizinischer Berufsqualifikation und Moral, die sich weigerten, die Türen zu Bahreins größtem öffentlichen Krankenhaus verschlossen zu halten, als das Regime letzten Februar begann die Protestierenden abzuschlachten. Global Research kann das Engagement dieser Mediziner wie auch zahlloser anderer bezeugen, die auf den Stationen und den Fluren des Krankenhauses sich bemühten, Menschen mit den schrecklichsten Verletzungen zu behandeln, die in einer Welle nach der anderen eingeliefert wurden.

Dr. Al Ekri wurde bei der Durchführung einer Operation angegriffen und verhaftet von Saudi-unterstützten Kräften, die sich gewaltsam Zutritt zum Salmaniya Hospital verschafft hatten – ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, aber nur eins von vielen in der Folge der saudischen Invasion von Bahrein, der von Washington und London zuvor grünes Licht gegeben worden war.

Es gab ein schwaches Signal das Washingtons kürzliches Gerede von Fortschritt und Reform in Bahrein vielleicht seinen bevorzugten Despoten einen Andeutung zukommen ließ, den peinlichen Schauprozess gegen die Mediziner still und leise einzustellen. Aber mit der Fortsetzung der Strafverfolgung – wenn auch vor einem zivilen und nicht einem militärischen Gericht – scheint es doch so, dass die institutionalisierte Barbarei es nicht vermag ihren tyrannischen Machtinstinkt zu überwinden, selbst nicht auf Geheiß ihres PR-erfahreneren Schirmherrn in Washington.

Man kann sich unschwer die heuchlerische, wutschäumende Reaktion in Washington, London und der großen Medien vorstellen, wenn eine derartige Travestie gegen Mediziner in Syrien aufgeführt würde. Aber Bahrein ist eben nicht Syrien, es ist ein Verbündeter, und daher entwickeln westliche Regierungen und Medien plötzlich ein Blindheit und Sprachstörungen im Angesicht von eklatanten Verbrechen gegen die Menschheit.

* Original: Bahrain Medics Show Trial: This Is Not Syria, Therefore No Western Outcry. in: Global Research, March 22, 2012; http://globalresearch.ca

[Übersetzung: Eckart Fooken]



Zurück zur Bahrain-Seite

Zurück zur Homepage