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Terrorurteil der Diktatur

Bahrain: Statt angekündigter Reformen hohe Haftstrafen für Oppositionelle

Von Karin Leukefeld *

Drakonische Freiheitsstrafen müssen 13 Oppositionelle in Bahrain verbüßen. Am Dienstag lehnte das höchste Berufungsgericht einen Antrag der Verteidigung ab und bestätigte für sieben der Gefangenen eine lebenslange Haftstrafe. Verurteilt wurden unter anderen der bekannte Menschenrechtler Abdulhadi Al-Khawaja sowie führende Politiker der Islamischen Bewegung Al-Wafaq und der Bewegung für Freiheit und Demokratie Al-Haq. Vier weitere Männer müssen für je 15 Jahre ins Gefängnis, zwei für je zwei Jahre. Sieben Personen waren in Abwesenheit ebenfalls zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Einige von ihnen leben im Ausland, andere sind untergetaucht. Internationale Beobachter hatten die Verhandlung verfolgt, darunter auch Vertreter der deutschen Botschaft in Manama. Nach Bekanntwerden der Entscheidung kam es zu Protesten in den umliegenden Ortschaften. Dort hat die Protestbewegung ihre stärkste Basis. Berichten zufolge wurden Reifen angezündet und Straßen blockiert.

In einer Stellungnahme warf die größte Oppositionspartei in Bahrain, Al-Wafaq, dem Gericht vor, »vom Regime kontrolliert und benutzt zu werden, um Andersdenkende zu bestrafen«. Die Urteile basierten auf Aussagen der Gefangenen, die unter Folter zustande gekommen seien, hieß es weiter. Die Partei forderte »tiefgreifende Reformen« für den Justizapparat. Scheich Ali Salman, der Vorsitzende der Al-Wafaq-Partei, sprach von »politischer Verfolgung«. Menschenrechtsgruppen erklärten, daß in keinem Fall nachgewiesen werden konnte, daß die Männer Gewalt propagiert oder angewandt hätten. Kritik an der Entscheidung des Berufungsgerichts kam auch vom Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning. Er bedauerte das Urteil und forderte ein »glaubwürdiges politisches Zeichen durch den König, um eine politische Lösung für den anhaltenden Konflikt zu finden«.

Die Situation in Bahrain, die meist als Konflikt zwischen dem »sunnitischen Königshaus« und einer »schiitischen Opposition« beschrieben wird, wird durch wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeiten in dem Golfstaat charakterisiert. Die Protestbewegung, die sich im Februar 2011 auf dem markanten Perlenplatz im Zentrum von Manama versammelt und dort – nach dem Vorbild des Tahrir-Platzes in Kairo – ein Zeltlager aufgeschlagen hatte, bezeichnete sich selber nie als »schiitische Opposition«. Sprecher forderten vielmehr politische und persönliche Freiheiten sowie wirtschaftliche Gerechtigkeit ein anstelle von Vetternwirtschaft und Korruption. Die Erbmonarchie der Al-Khalifas sollte zugunsten einer konstitutionellen Monarchie verändert werden. Mindestens 80 Menschen waren bei den Protesten ums Leben gekommen.

Zu seinem und zum Schutz der 5. US-Flotte, die in Bahrain stationiert ist, hatte König Hamad im März 2011 die benachbarten Golfstaaten um Hilfe gebeten. Saudi-Arabien und Katar marschierten in das Emirat ein und halfen, die Protestbewegung niederzuschlagen. Unter internationalem Druck hatte sich der König später der Einberufung einer Untersuchungskommission gebeugt, die den Regierungskräften Folter, Mord und den Einsatz »exzessiver Gewalt« vorwarf. Bei einer Anhörung vor dem UN-Menschenrechtsrat im Oktober 2012 verpflichtete sich Bahrain zu politischen Reformen. Im November allerdings wurden in dem Inselstaat im Persischen Golf alle öffentlichen Versammlungen verboten.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 09. Januar 2013


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