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Verschwörung in Dhaka

Bangladesch: Neue Erkenntnisse zu tödlichem Anschlag von 2004

Von Thomas Berger *

Es war eines jener Ereignisse, die nicht aus der Erinnerung schwinden. Am 21. August 2004 explodierten mindestens 13 Sprengsätze während einer Kundgebung der damals oppositionellen Awami Liga (AL) im Herzen von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Unter den 24 Todesopfern des Anschlags waren Ivy Rahman, die Frau des heutigen Präsidenten Zillur Rahman, und weitere namhafte Parteimitglieder, Hunderte weitere Personen wurden verletzt. AL-Vorsitzende Sheikh Hasina Wajed, heute Regierungschefin, ist seit dem Terrorakt ihr Gehör auf einem Ohr taub.

Zum siebten Jahrestag des Anschlags erhärten sich die Erkenntnisse, daß es damals ein breit angelegtes Komplott mit dem Ziel gab, die komplette Führungsspitze der AL zu eliminieren. Seinerzeit war die Tat Joj Miah, einem Straßenhändler und Kleinkriminellen, angelastet worden. Für Hasina und andere Mitglieder der heutigen Administration steht allerdings inzwischen fest, daß er zu einem Geständnis gezwungen wurde und die Ermittlungsbehörden die wahren Schuldigen der Bluttat deckten. Nach Presseberichten wird der damaligen Regierungschefin Khaleda Zia, ihrem Sohn Tarique Rahman sowie mehreren Exministern und ranghohen Behördenvertretern eine Beteiligung an der Verschwörung vorgeworfen.

Geht es nach den Rekonstruktionen, wie sie zum Beispiel in der Tageszeitung The Daily Star nachzulesen sind, fanden unter Tariques Schirmherrschaft mehrere Treffen statt. Ausführende des Anschlags waren Mitglieder der verbotenen radikalislamischen Gruppe Huji, heißt es. Eine erste Beratung soll Anfang 2004 stattgefunden haben, als Huji-Mitglieder ihren Plan darlegten, Hasina und andere zu ermorden. Beim zweiten Treffen im frühen August habe Tarique den Akteuren und Huji-Chef Mufti Hannan weitreichende Unterstützung zugesichert.

Im Minibus einer religiösen Nichtregierungsorganisation als Tarnung seien Hannan und drei weitere Huji-Führer zu dem Treffen in Hawa Bhaban, dem inoffiziellen Hauptquartier der rechten Regierungskoalition aus BNP und islamistischer Jamaat-e-Islami (JI), angereist. Abdus Salam Pintu, ein Exvizeminister der BNP, der damalige Staatsminister im Innenministerium Lutfozzaman Babar und Jamaat-Generalsekretär Mohammed Mojaheed sollen ebenso anwesend gewesen sein wie die Chefs des Nationalen Geheimdienstes NSI und der Geheimdienst-Koordinierung DGFI.

Bei so viel Prominenz wäre alles weitere in der Tat nicht schwierig gewesen. Die Abwesenheit des Polizeichefs von Dhaka am Anschlagstag war demzufolge auch kein Zufall: Bewußt hatte er seinen Posten verlassen, ohne adäquate Anweisungen für die Absicherung der AL-Kundgebung zu hinterlassen. Später soll er die Ermittlungen in andere Richtungen gelenkt haben. Der nationale Polizeichef zeigte sich nicht einmal am Ort des Geschehens, obwohl dieser keinen halben Kilometer von seinem Büro entfernt liegt. Geheimdienstvertreter und Khaledas Neffe halfen wiederum dem Bruder von Exvizeminister Pintu, sich nach Pakistan abzusetzen, von wo er zuvor den Sprengstoff besorgt und an Huji-Boß Hannan übergeben haben soll. Khaleda Zia, obwohl in die Vorbereitungen nicht direkt involviert, soll aber immerhin informiert gewesen sein.

Aus BNP-Kreisen werden die Vorwürfe scharf zurückgewiesen, als Propagandafeldzug der heutigen Regierung und üble Verleumdung gebrandmarkt. Allerdings ist im Juli die bisher 22 Personen umfassende Anklage auf 30 weitere ausgedehnt worden, darunter Tarique, Babar und Mojaheed.

* Aus: junge Welt, 23. August 2011


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