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Dokumente widerlegen Walmart Bericht über das tödliche Feuer in Bangladesch

Von Josh Eidelson (Ein Beitrag aus The Nation)

Zwei Berichte in den Nachrichten von gestern (5. Dez.) warfen ein neues Licht auf die Beziehungen von Walmart mit der Fabrik in Bangladesch, in der mindestens 112 Beschäftigte bei einem Feuer am 24. November ums Leben kamen. Einer davon zeigte die Rolle von Walmart beim Blockieren eines Vorschlags, der Einzelhandelsketten dazu verpflichten sollte, für Verbesserungen bei Sicherheitseinrichtungen in den Fabriken zu zahlen; der andere zeigte auf, dass viele Lieferanten für Walmart während dieses Jahres in dieser Fabrik produzieren ließen.

„Walmarts Anstrengungen sich der Verantwortung zu entziehen sprechen seinen Behauptungen Hohn, den Rechten der Beschäftigten in seiner Lieferantenkette verpflichtet zu sein“, so der Direktor des Workers Rights Consortium, (WRC) Scott Nova in einer email an The Nation . Walmart hatte bis gestern Abend auf die Forderung nach einem Kommentar nicht reagiert.

In einem Artikel von Mittwochmorgen berichtete Bloomsberg News über ein Treffen in Dhaka, Bangladesch, vom April 2011, bei dem große Einzelhandelsketten eine vorgelegte Vereinbarung berieten, die sie dazu verpflichten sollte höhere Preise zu zahlen, damit ihre Lieferanten eine Verbesserung bei den Sicherheitsvorrichtungen vornehmen könnten. Ineke Zeldenrust von der NGO Clean Clothes Campaign in Amsterdam berichtete Bloomberg gegenüber, dass der für humanitäre Angelegenheiten zuständige Direktor bei Walmart, Sridevi Kalavakolanu, bei dem Treffen gesagt habe, dass Walmart der Zahlung solcher höheren Kosten nicht zustimmen würde.

Die Bloomberg Reporter Renee Dudley und Arun Devnath legten ferner ein Dokument vor, das von Kalavakolanu und einem Gap-Angestellten verfasst war, und das Bestandteil der Protokoll-Aufzeichnungen des Treffens war, in dem es hieß, „ Insbesondere bezüglich des Problems von Verbesserungen bei den elektrischen Anlagen und dem Feuerschutz sprechen wir über ungefähr 4500 Fabriken, und in den meisten Fällen müssten ausgedehnte und kostenintensive Veränderungen bei einigen Fabriken vorgenommen werden. Es ist für die Marken-Firmen finanziell nicht machbar derartige Investitionen vorzunehmen.“

Die internationale Koordinatorin der Clean Clothes Campaign, Zeldenrust , berichtete Steven Greenhouse von der New York Times, dass Walmart das Unternehmen gewesen sei, das „diese Position am nachdrücklichsten vertreten habe.“ In der Folge des Treffens von 2011 ereigneten sich dutzende von Todesfällen in Bangladesch bei Bränden in Fabriken. Die Tazreen Fabrik, der Ort des tödlichen Feuers vom letzten Monat, verfügte nur über eine begrenzte Zahl von Notausgänge und keinerlei Feuertreppen.

„Kein Unternehmen“, so Nova gegenüber The Nation, „ das sich weigert den Fabriken genug zu zahlen, um es ihnen zu ermöglichen sicher zu arbeiten, kann für sich behaupten, an den Rechten oder der Sicherheit der dort Arbeitenden interessiert zu sein.“

Der ebenfalls am Mittwoch erschienene Artikel in der N.Y. Times enthüllte, dass wenigstens drei Lieferanten von Kleidungsstücken für Walmart und sein Tochterunternehmen Sam’s Club die Tazreen Fabrik während des vergangenen Jahres benutzten. Laut Greenhouse enthalten die Dokumente „ einen internen Produktionsbericht von Mitte September, der aufzeigte, dass fünf der vierzehn Fertigungsstraßen Kleidung für Walmart produzierten.“ Ein weiterer Bloomberg Artikel Dudleys von gestern berichtete, dass wenigstens fünf Walmart Lieferanten die Tazreen Fabrik benutzten.

Diese Veröffentlichungen könnten ein erneutes Interesse an Untersuchungen von Walmarts Rechenschaftsberichten über seine Rolle in den Fabriken und der Bekleidungsindustrie von Bangladesch hervorrufen. Wie The Nation berichtete, erklärte Walmart in der Folge des Feuers vom 24. November anfänglich, man könne nicht bestätigen, dass man jemals Kleidung in der Tazreen Fabrik herstellen ließ, und man könne auch nicht die Authentizität eines Dokuments auf der Website von Tazreens Muttergesellschaft, der Tuba Gruppe, bestätigen, das zeigte, dass eine Walmart Überprüfung im Mai 2011 „hoch-riskante Verletzungen“ der Bestimmungen in der Fabrik aufgedeckt hatte. Fotos, aufgenommen von Gewerkschaftern in Bangladesch, die zuerst in The Nation am 26. November veröffentlicht wurden, zeigen in der Fabrik nach dem Feuer vorgefundene Kleidung mit dem Walmart-Label.

In einer Erklärung vom Abend des 26. November sagte Walmart , dass man die Kontakte mit der Tazreen Fabrik bereits vor dem Feuer ausgesetzt habe, dass aber ein Lieferant weiterhin für Walmart bestimmte Aufträge dort geordert habe, allerdings in Verletzung der Weisung von Wamart. Walmart bezeichnete den Vorfall als „äußerst besorgniserregend“, sagte, dass man den Kontakt mit dem Schurken-Lieferanten beendet habe, und pries erneut sein fortgesetztes „Bemühen quer durch die gesamte Bekleidungsindustrie um die Verbesserung der Brandschutz-Ausbildung und -Übungen in Bangladesch.“ Im Anschluss in dieses Statement lehnte Walmart die Aufforderung von The Nation ab, die Identität des Lieferanten und den Zeitpunkt der Kappung der Verbindungen mit der Fabrik bekannt zu geben.

Nova vom WRC, der der N.Y. Times die Dokumente beschafft hatte, berichtete The Nation, dass diese eindeutig belegten, dass es mehrere Walmart-Lieferanten, die die Tazreen Fabrik nutzten, noch bis zum April dieses Jahres gegeben habe, und noch mindestens einen, als das Feuer ausbrach. Er fügte hinzu, dass es „deutliche Hinweise – allerdings keine eindeutigen Beweise – in dem Dokument dafür gäbe, dass es auch zum Zeitpunkt des Feuers mehrere Lieferanten gab“, und nicht nur den einzelnen Schurken-Lieferanen, auf den das Walmart-Statement hindeutete. Das WRC ist eine Arbeitsbedingungen überwachende Gruppe, die sich aus Studenten, Universitätsangehörigen und Gewerkschaftsorganisationen zusammensetzt.

Nova bezeichnete ferner Walmarts Rolle bei dem Treffen in Dhaka 2011 als „äußerst aufschlussreich“. Er beschrieb Walmarts Position knapp als: 1. Wir wissen, dass diese Fabriken nicht sicher sind; 2. Wir wissen, dass es beträchtliche Summen kosten würde, sie sicher zu machen; 3. Wir werden keinesfalls das Geld dafür aufbringen; 4. Wir werden die Fabriken dennoch weiterhin benutzen.“

Walmarts für internationale Angelegenheiten des Konzerns zuständiger Direktor, Kevin Garner, berichtete der N.Y. Times, dass die Kommentare des für humanitäre Angelegenheiten zuständigen Direktors aus dem Jahr 2011 „aus dem Zusammenhang“ gerissen worden seien, und dass “Walmart sich für verbesserten Brandschutz bei der Regierung von Bangladesch, bei Industriellen und den Lieferanten stark gemacht habe.“ Bezüglich der Dokumente, die mehrere im Verlauf dieses Jahres die Fabrik nutzende Lieferanten belegten, äußerte Gardner gegenüber Greenhouse : „Wie wir bereits gesagt haben, wir haben die Verbindung mit der Tazreen Fabrik vor Monaten beendet. Wir äußern uns nicht über die Geschäftsbeziehungen einzelner Lieferanten.“

Das Corporate Action Network , das bei der Organisation der Schwarzer-Freitag-Proteste zur Unterstützung der Kaufhausbeschäftigten Walmarts behilflich war, hat Material auf seiner Website platziert, das Aktivisten dazu ermutigt „die Todesfallen für Walmart-Beschäftigte ( in Bangladesch ) zu schließen“ durch Unterschreiben einer Petition, Verfassen eines Leserbriefes und Errichten eines „Erinnerungsschreines für die Opfer des Brandes in der Tazreen Fabrik bei der nächstgelegenen Walmart-Filiale.“ Einige amerikanische Einzelhandelsbeschäftigte der gewerkschaftsunterstützten OUR Walmart sammeln Geld und halten Gottesdienste für die von dem Brand betroffenen Familien in Bangladesch ab.

„Walmarts Gier und Arroganz scheinen grenzenlos zu sein“, sagte Nova. Hier handelt es sich um ein Unternehmen, das Milliarden an Subventionen von US-Steuerzahlern abschöpft, das Milliarden an Gewinnen auf den Rücken der in den Fabriken in Bangladesch Beschäftigten erzielt und sich dann aber über die Vorstellung lustig macht, dass es – bitte schön – doch ein paar Groschen zahlen sollte zu deren Schutz vor Bränden in den Fabriken, während sie Kleidungsstücke für Walmart herstellen.“

Update von Donnerstag, 6., Dezember, 13.30 Uhr

In einer email an The Nation wiederholte Direktor Kevin Garner, die Position des Unternehmens, dass „die Tazreen Fabrik schon Monate vor dem Brand nicht mehr befugt war Waren für Walmart herzustellen“ und dass „bezüglich des Bloomberg Berichts, diese Bemerkungen aus dem Zusammenhang gerissen seien.“

Garner fügte hinzu :“ Walmart hat sich für verbesserten Brandschutz bei der Regierung von Bangladesch, bei Industriellen und Lieferanten eingesetzt. Wir sind aktiv beim Entwickeln und Umsetzen von Initiativprogrammen für ein Bewusstsein in die Notwendigkeit von Brandschutz und gesteigerter Brandvermeidung. Wir haben die feste Überzeugung, dass Fabrikbesitzer unsere „Standards für Lieferanten“ erfüllen und wir erkennen an, dass das Erfüllen dieser Standards Teil der Kosten ausmacht, zu denen wir einkaufen.“

[Übersetzung aus dem Englischen: Eckart Fooken]

* Originalartikel: Documents Undermine Walmart Account on Deadly Bangladesh Fire. In: www.thenationcom/blog


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