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Brot und Spiele in Bangladesch

Antikorruptionskampagne und Vorbereitung der verschobenen Parlamentswahlen gehen Hand in Hand

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Bangladeschs Interimsregierungschef Fakhruddin Ahmed hatte nach sorgenvollen Wochen am Sonntag erstmals allen Grund zu Freude. Das Kricketteam schlug in der Nacht zuvor beim Weltcup in der Karibik den Giganten Indien und löste mit dieser Sensation unter der Bevölkerung daheim einen Freudentaumel aus. Für ein paar Stunden verdrängten die Bangladeschi damit ihre sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme. Vor wenigen Tagen erst hatte die Regierung die Streitkräfte ersucht, die Verteilung von Lebensmitteln zu üerwachen, um Schwarzhändlern und Preistreibern das Handwerk zu legen. Wieder einmal scheint sich das alte römische Konzept »Brot und Spiele« zu bewähren.

Die Probleme lösen sich damit freilich nicht in Luft auf. Das Militär hatte angesichts einer seit Monaten andauernden politischen Krise, in deren Verlauf 45 Menschen ums Leben kamen, Anfang Januar die Notbremse ziehen lassen. Die für den 22. Januar angesetzten Parlamentswahlen wurden verschoben. Die Generäle wollten eigentlich den politisch unverdächtigen Friedensnobelpreisträger Mohammad Yunus, der mit seinem Projekt Mikrokredite als »Anwalt der Armen« gilt, zur Galionsfigur küren. Doch der lehnte ab, schlug den Technokraten Fakhruddin Ahmed, einen Ex-Weltbank-Mitarbeiter, für den Posten vor und überraschte kurz darauf die Öffentlichkeit mit der Gründung einer eigenen Partei namens »Bürgermacht«.

Regierungschef Ahmed hatte am Samstag ein Zeichen gesetzt, als er zum 88. Geburtstag des am 15. August 1975 ermordeten Sheikhs Mujibur Rahman, dem »Vater der Nation«, an dessen Grab einen Kranz niederlegte und eine militärische Ehrengarde aufmarschieren ließ. Eine solche offizielle Würdigung hatte es seit fünf Jahren nicht mehr gegeben. Die frühere Ministerpräsidentin Khaleda Zia von der Bangladesh Nationalist Party (BNP) hielt das während ihrer Amtzeit nicht für nötig. Ahmed hat zudem dafür gesorgt, daß einer der Mörder Rahmans vorige Woche in den USA dingfest gemacht wurde und mit seiner Auslieferung an Dhaka rechnen muß. Der 60 Jahre alte Ex-Major A.K.M. Mohiuddin Ahmed, in Bangladesch zum Tode verurteilt, hielt sich seit 1996 mit einem Touristenvisum in Kalifornien auf und hatte Asyl beantragt.

Ein neues Datum für die Parlamentswahlen wurde noch nicht verkündet. Bis Juli soll die Registrierung aller politischen Parteien, die an dem Votum teilnehmen wollen, komplettiert sein. Danach werden die Wählerlisten erstellt. Etwa 90 von 140 Millionen Bangladeschi sind wahlberechtigt. Simultan läuft seit Februar auch eine scharfe Antikorruptionskampagne, mit der Bangladeschs politisches System von einer tief wurzelnden Misere gesäubert werden soll. Die Regierung sieht das als eine Voraussetzung für transparente und faire Parlamentswahlen an. Rund 160 Politiker, vor allem aus der BNP und der Awami Liga, der anderen großen Partei, sitzen unter Korruptionsverdacht inzwischen in Untersuchungshaft.

* Aus: junge Welt, 19. März 2007


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