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Ex-Premierministerin Zia droht Entmachtung

Reform der Traditionspartei BNP in Bangladesch lässt keinen Platz mehr für die Vorsitzende

Von Hilmar König, Delhi *

In Bangladesch ist ein Prozess im Gange, politische Parteien zu reformieren und die traditionell dominierenden Vorsitzenden zu entmachten. Den Anfang machte dieser Tage die Bangladesh Nationalist Party (BNP).

Die langjährige Premierministerin Bangladeschs, Khaleda Zia, steht vor der völligen Entmachtung durch ihre Partei. Wenn die Reformen beschlossen seien, »dann gibt es keinen Platz mehr für Zia in der BNP«, sagte Abdul Mannan Bhu-iyan, ein ehemaliger Weggefährte der Ex-Regierungschefin, der als Favorit für den Parteivorsitz gilt.

Zunächst ist es nur ein Dutzend Vorschläge, die BNP-Generalsekretär Bhuiyan vor der Presse in Dhaka erläuterte. Der Entwurf für den Reformplan, sagte er, sei »zwingend erforderlich, um Politik und Demokratie zu retten, die durch Fehler und Mangel an Voraussicht von Parteien und Führern in die Krise gerieten.« Ashraf Hossein, ein reformwilliger Mitstreiter aus der Parteiführung, ergänzte: »Unsere Vorschläge zielen auf ein Ende von Autokratie und Dynastienherrschaft sowie auf Einführung demokratischer Normen.«

Die Stoßrichtung ist eindeutig: Die Parteivorsitzende Begum Khaleda Zia, seit 23 Jahren selbstherrlich im Amt und dreimal Ministerpräsidentin Bangladeschs, soll von der politischen Bühne abtreten. Ihr Tauziehen um die Macht mit der Kontrahentin Sheikh Hasina Wajed von der Awami- Liga führte dazu, dass im Januar eine vom Militaer gesponserte Interimsregierung unter »Chefberater« Fakhruddin Ahmed gebildet wurde.

Mit Vollmachten eines Premiers ausgestattet, will Ahmed die politischen Strukturen säubern und Bedingungen für faire und freie Parlamentswahlen Ende 2008 schaffen. Aus seinem Beraterkreis stammt auch die Idee von der »Reformierung« der Gesellschaft. Vorerst regiert er mit Hilfe des Ausnahmezustands, unter dem politische Aktivitäten, Ansammlungen vom mehr als drei Personen verboten sind und die Medien sich Restriktionen gefallen lassen müssen. Im Zuge seiner Kampagne gegen Korruption sitzen inzwischen rund 170 Politiker in Untersuchungshaft, darunter Frau Zias ältester Sohn Tarik Rahman. Auch gegen Frau Zia und Hasina Wajed wurden schwere Korruptionsvorwürfe erhoben. Anfangs glaubte das gegenwärtige Regime, die beiden Rivalinnen mit harten Auflagen kaltstellen zu können. Es wollte Khaleda Zia ins Exil nach Saudi-Arabien abschieben und verwehrte Hasina Wajed über eine Woche lang die Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt. Doch dann besannen sich die Minister, die sich alle »Berater« nennen, auf die feinere Art, nämlich »sanften« Druck auf die politischen Parteien auszuüben: Sie sollten sich in Richtung Demokratie reformieren.

Die BNP machte nun den Anfang. Die Vorschlage sehen vor, dass ein Nationales Exekutivkomitee den Parteivorsitz für drei Jahre wählt und insgesamt nur zwei Amtszeiten erlaubt sind. Sollte der/die Parteivorsitzende Premier werden, muss die Parteimitgliedschaft sofort ruhen. Zwei Parteiämter gleichzeitig werden nicht gestattet, auch Familienkult wird ein Riegel vorgeschoben. Die Finanzen, bislang das Privileg der Parteichefin, sollen von einem Gremium kontrolliert werden.

Khaleda Zia monierte, dass sie von dem Reformentwurf erst aus den Medien erfuhr, und äußerte, dieser könnte nicht von einer Handvoll Politiker durchgepeitscht werden. Mit ihrem energischen Widerstand ist jedenfalls zu rechnen. Wirksam werden kann der Reformplan ohnehin erst, wenn politische Aktivitäten wieder erlaubt sind. Insofern hat sich die Interimsregierung selbst in Zugzwang gebracht.

Die Vorsitzende der Awami-Liga, Hasina Wajed, erwies sich als cleverer. Sie kam innerparteilichen Reformern zuvor, indem sie ein Komitee ernannte, das das Statut und den organisatorischen Rahmen der Awami-Liga überprüfen und gegebenenfalls überarbeiten soll. Sie riet dem Gremium sogar, sich bei anderen politischen Parteien, beispielsweise in Indien und Großbritannien, zu informieren.

* Aus: Neues Deutschland, 30. Juni 2007


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