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Schatten auf Bhutans Weg zu ersten Wahlen

Trotz Sprengstoffanschlägen hält das Königreich im Himalaja am Termin 24. März fest

Von Hilmar König, Delhi *

Am Sonntag (20. Januar) explodierten im südasiatischen Königreich Bhutan vier Sprengsätze. Zwar fällt dadurch ein Schatten auf den Weg von der absoluten zur konstitutionellen Monarchie, auf dem sich das Land befindet, doch die ersten Parlamentswahlen am 24. März werden kaum beeinträchtigt.

Binnen drei Stunden detonierten Sprengkörper an vier verschiedenen Orten, einer davon in der Hauptstadt Thimbu. Eine Frau wurde verletzt, der Sachschaden blieb gering. Ein Polizeisprecher vermutete die Täter in Kreisen der Bhutan Tiger Force, der Maoistischen oder der Kommunistischen Partei Bhutans, die alle illegal sind und angeblich von nepalischem Gebiet aus agieren. Es handelte sich um die erste Attacke dieser Art in Bhutan. Den Hintergrund dafür bilden Vertreibung und Flucht von rund 100 000 Bhutanern nepalischer Abstammung.

Ende der 80er Jahre hatte König Jigme Singye Wangchuck eine »Assimilationskampagne« in Gang gesetzt, deren Folge der Massenexodus der nepalischen Minderheit war. Seit 1991 kampieren die Vertriebenen in Lagern im Osten Nepals. Verhandlungen zwischen Katmandu und Thimbu über eine Rücksiedlung blieben ohne Ergebnis. In diesem Jahr sollen 13 000 Lagerinsassen die Möglichkeit erhalten, in die USA, nach Kanada, Australien, Dänemark und Norwegen auszuwandern. Das Angebot hat zu Spannungen und Auseinandersetzungen unter den Flüchtlingen geführt. Eine Gruppierung kündigte an, die Rückkehr in die bhutanische Heimat mit Gewalt erzwingen zu wollen.

Die Sprengstoffanschläge werfen ohne Zweifel einen Schatten auf die 100 Jahre alte Wangchuck- Dynastie, die seit einigen Jahren an demokratischen Umgestaltungen arbeitet. Im November 2006 hatte Königssohn Jigme Khesar Namgyal Wangchuck von seinem Vater Jigme Singye Wangchuck das Zepter übernommen, Ende 2008 soll er offiziell gekrönt werden. Schon der Vater hatte 1981 die Bildung von Entwicklungsräten in den Distrikten erlaubt, 1991 wurden Gemeindekomitees gebildet. 1998 schuf der König einen Ministerrat und 2001 ordnete er die Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs an. An der ersten Runde der Wahlen zum Nationalrat (Oberhaus) am 31. Dezember letzten Jahres hatten 56 Prozent der Wahlberechtigten teilgenommen. 15 Kandidaten, elf davon im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, erhielten ein Mandat. Fünf weitere werden noch im Januar gewählt, ebenso viele vom König ernannt. Chefwahlkommissar Kunzang Wangdi zeigte sich mit dem Ablauf des Votums zufrieden und kommentierte: »Alles verlief nach Plan.«

Der eigentliche Test aber findet am 24. März statt, wenn die 47 Abgeordneten der Nationalversammlung gewählt werden. Zwei Parteien haben sich dafür qualifiziert: die Harmonie- Partei (Druk Phuensum Tshogpa) und die Demokratische Volkspartei. Über deren politische Ausrichtung ist noch wenig bekannt, gebildet wurden sie überwiegend von einstigen Beamten und Intellektuellen. Beide unterstützen den Kurs des Monarchen, nicht das Bruttoinlandsprodukt als Maß aller Dinge zu nehmen, sondern die »größtmögliche nationale Glückseligkeit« oder »Zufriedenheit für alle«.

400 000 der rund 700 000 Bhutaner sind wahlberechtigt, die Flüchtlinge allerdings nicht. Zweimal im vorigen Jahr durften sie bei »Trockenübungen« die aus Indien importierten elektronischen Wahlapparate ausprobieren, damit die echte Abstimmung im März problemlos verläuft

* Aus: Neues Deutschland, 22. Januar 2008


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