Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Das Land den Landlosen

Bolivien: Ergebnisse der Agrarreform nach sieben Jahren Morales-Regierung

Von Benjamin Beutler *

Das kleine bolivianische Dorf Pasaropa im Departamento Cochabamba liegt weit ab vom Schuß, knapp 280 Kilometer sind es bis zur Regionalhauptstadt. »489 Landtitel wurden dort am Montag an Landwirtschaftsgenossenschaften, Gemeinschaften und Gebietsorganisationen übergeben«, informierte Víctor Hugo Claure. Er ist der Chef der Filiale des Nationalen Agrarinstituts (INRA), der Behörde zur Neuverteilung von Ackerland, in Cochabamba. Insgesamt 34695 Hektar Staatsland wurden hier übereignet. Nutznießer der von Präsident Evo Morales 2009 ausgerufenen »Agrarrevolution« sind an diesem Tag »501 Frauen, 532 Männer und 19 juristische Personen«, legen INRA-Daten offen.

Boliviens ungleiche Landverteilung ist einer der wichtigsten Gründe für die große Armut auf dem Land. Nach der »Revolution von 1952«, als sich die Indigenen erstmals in der Geschichte der Republik das Wahlrecht erkämpften, stand die Landfrage schon einmal auf der Agenda. Bewaffneten Hacienda-Besetzungen im Hochland folgte die Agrarreform von 1953. Die Zwangsarbeit auf den Feldern der Landlords war damit zu Ende. Im großen Stil wurde Grund und Boden an die mittellosen Landarbeiter verteilt. Die Armut aber blieb bestehen. Denn das Latifundium der wenigen wurde vom Minifundium der vielen abgelöst. Breiten Wohlstand brachte beides nicht. Zudem keine Regierung in La Paz bereit war, Geld in die am Boden liegende Landwirtschaft im Hochland zu stecken. Alles »ein Problem der Indios«, so die arrogante Lesart der städtischen, hellhäutigen »Elite«. Als sich die brutale Junta von General Hugo Banzer an die Macht putschte, wurden in den 1970er Jahren gigantische Landmassen im Amazonastiefland an Günstlinge der Diktatur verschenkt, Milliarden an Entwicklungshilfe, Krediten und Subventionen gingen dorthin.

Fast geräuschlos arbeitet die regierende »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) an einer Kehrtwende im Agrarbereich. »Die Unternehmer sind nicht mehr die großen Landeigner«, stellte Vizepräsident Álvaro García Linera im März neue INRA-Zahlen vor. »Von 1950 bis 2005 gehörten 39 Millionen Hektar den Privaten, nur 17 Millionen Hektar waren in der Hand der Bauern und Indigenen«, blickte der MAS-Chefideologe zurück. Nach sieben Jahren MAS-Regierung und einer verstärkten Kampagne auf Grundlage des INRA-Gesetzes von 1996 würden nur noch vier Millionen Hektar den großen Latifundisten gehören. 14 Millionen Hektar seien heute in Bauernhand. 21 Millionen werden von indigenen Völkern in Selbstverwaltung bewirtschaftet, über 11000 Familien und 271 Gemeinschaften haben jetzt Land. Der Staat kontrolliert 23 Millionen Hektar.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 17. April 2013


Zurück zur Bolivien-Seite

Zurück zur Homepage