Bolivien kehrt an den Finanzmarkt zurück
Linksregierung möchte mit der Ausgabe von Staatsanleihen Industrieprojekte finanzieren
Von Benjamin Beutler *
Erstmals seit dem Jahr 1920 will Bolivien
wieder Staatsanleihen platzieren.
Angelockt werden könnten gerade
Anleger, denen der Euroraum derzeit
zu unsicher ist.
Ausgerechnet eine Linksregierung
beschert Bolivien ein Comeback
auf den internationalen Finanzmärkten.
Die Entscheidung gab
Wirtschaftsminister Luis Arce am
Rande des diesjährigen Minister-
Treffens der Interamerikanischen
Entwicklungsbank kürzlich in
Uruguay bekannt. »Bolivien hat
heute die große Gelegenheit, an
jenes Kapital zu kommen, das
weltweit auf der Suche nach aussichtsreichen
Landemöglichkeiten
ist«, erklärte der Politiker der regierenden
»Bewegung zum Sozialismus
« (MAS) auf einer Pressekonferenz.
Die Staatsanleihen sollen
»das Wachstum der bolivianischen
Wirtschaft beschleunigen«.
Medienberichten zufolge plant
die Zentralbank des Andenstaates
Anleihen im Wert von 500 Millionen
US-Dollar mit einer Laufzeit
bis 2050 zu platzieren. Der Zinssatz
ist bisher nicht bekannt. Angeblich
wurden die US-Großbanken
Bank of America, Merrill
Lynch und Goldman Sachs als
Partner gewonnen. Die Entwicklungsbank
des Andenpakts (CAF)
steht beratend zur Seite. Als Rückversicherung
hat Bolivien seine
Goldreserven auf über 42 Tonnen
erhöht und verfügt damit über die
viergrößten Bestände in Lateinamerika.
Laut dem Minister soll mit dem
aufgenommenen Geld die »Industrialisierung
der natürlichen
Bodenschätze« finanziert werden,
was Dreh- und Angelpunkt des
bolivianischen Wirtschaftsmodells
sei. Konkret geplant sind Wasserkraftwerke,
ein Hochofen und
Produktionsanlagen für Lithium-
Batterien. Schwellenländer würden
zunehmend vom »Risikoappetit
« ausländischer Investoren
profitieren, gibt sich Arce optimistisch.
Für Anleger bestünde in Bolivien
keine Gefahr. Zwar beobachte
man mit Sorge, wie die
Nachbarn von der internationalen
Krise betroffen seien. So steht Argentinien
mit über 100 Millionen
US-Dollar unbezahlter Gas-Rechnungen
bei Bolivien in der Kreide.
Doch die eigenen Aussichten für
2012 seien weiterhin gut. Bei einer
Inflation um fünf Prozent und einer
Wachstumsprognose von 5,5 Prozent
»fühlt man sich wie auf einer
Insel«, rechnet Arce vor.
Boliviens Regierung springt mit
den Anleiheplänen auf einen regionalen
Trend auf. 500 Millionen
Dollar besorgte sich im Januar
Nachbar Peru an den Finanzmärkten.
Bereits im Juni 2011
nahm Kolumbien zwei Milliarden
US-Dollar auf – der Zinssatz für die
zehnjährigen Anleihen betrug
4,425 Prozent. Papiere mit solcher
Laufzeit platzierte Anfang dieses
Jahres auch Mexiko, wobei die
Verzinsung von 3,705 Prozent ein
historisches Tief erreichte.
Bolivien steht mit seinem
Staatshaushalt gut da. Seit der Nationalisierung
von Gas und Erdöl
sowie dank hoher Rohstoff-Weltmarktpreise
und sprudelnder
Steuereinnahmen erzielen die öffentlichen
Kassen erstmals seit
Jahrzehnten Überschüsse. Trotz
zahlreicher Sozialprogramme und
großer Infrastrukturmaßnahmen
gab es ein Plus von 0,8 Prozent im
Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt.
Der Internationale Währungsfonds
lobt die vorsichtige
Ausgabenpolitik der Regierung.
Diese könnte mit der Ausgabe der
Anleihen 25 Prozent der für 2012
veranschlagten öffentlichen Investitionen
finanzieren.
* Aus: neues deutschland, 24. März 2012
Lexikon
Die Corporacion Andina de Fomento
(CAF) ist die Entwicklungsbank
des Andenpakts, dem
neun lateinamerikanische Staaten
angehören. Die 1968 gegründete
Finanzinstitution mit
Sitz in Caracas unterstützt nationale
und multinationale Entwicklungsprojekte
durch Kredite
und Garantien sowie durch Gewährung
von technischer Hilfe.
Ein Schwerpunkt ist die Förderung
des grenzüberschreitenden
Handels.
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